Gliederung

Verwaltungsvorschrift (Auszug)

Zu § 28 – Familiennachzug zu Deutschen

28.1 Voraussetzungen der erstmaligen Erteilung

28.1.1.0
Ist einer der Ehepartner Deutscher (vgl. Nummer 2.1.1), so ist zu beachten, dass Artikel 6 GG gegenüber dem deutschen Staatsangehörigen eine besondere Wirkung entfaltet. Ihm soll es grundsätzlich nicht verwehrt werden, seine Ehe- und Familiengemeinschaft in Deutschland zu führen. Daher besteht für den nachziehenden Ausländer ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, sofern der deutsche Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat und die weiteren Zuzugsvoraussetzungen vorliegen. Bei Personen, die als Spätaussiedler oder Einbezogene in einen Aufnahmebescheid eingetragen sind, richtet sich der Familiennachzug weiterer Angehöriger nach den Vorschriften des Familiennachzugs zu Deutschen, auch wenn Spätaussiedler oder Einbezogener sich zur Zeit der Entscheidung über den Familiennachzug noch in den Herkunftsgebieten aufhalten. Beim gewöhnlichen Aufenthalt ist darauf abzustellen, ob eine Person an dem Ort nicht nur vorübergehend verweilt. Die Sicherung des Lebensunterhaltes (§ 5 Absatz 1 Nummer 1, § 2 Absatz 3) ist wegen des uneingeschränkten Aufenthaltsrechts von Deutschen im Bundesgebiet gemäß § 28 Absatz 1 Satz 3 im Regelfall keine Voraussetzung für den Ehegattennachzug zu Deutschen und nicht durchgängig zu prüfen. Bei Vorliegen besonderer Umstände kann jedoch auch der Ehegattennachzug zu Deutschen von dieser Voraussetzung abhängig gemacht werden. Besondere Umstände können bei Personen vorliegen, denen die Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Ausland zumutbar ist. Dies kann in Einzelfällen in Betracht kommen bei Doppelstaatern in Bezug auf den Staat, dessen Staatsangehörigkeit sie neben der deutschen besitzen, oder bei Deutschen, die geraume Zeit im Herkunftsland des Ehegatten gelebt und gearbeitet haben und die Sprache dieses Staates sprechen. Darüber hinaus kann unter den Voraussetzungen des § 27 Absatz 3 trotz des grundsätzlich bestehenden Anspruchs die Aufenthaltserlaubnis verweigert werden; vgl. näher Nummer 27.3. Im Rahmen der nach § 27 Absatz 3 erforderlichen Ermessensabwägung ist maßgeblich darauf abzustellen, dass dem Deutschen regelmäßig nicht zugemutet werden kann, die familiäre Lebensgemeinschaft im Ausland zu leben, und dass der besondere grundrechtliche Schutz aus Artikel 6 GG eingreift.

28.1.1.1
Bei Ehegatten von Spätaussiedlern und von in den Aufnahmebescheid einbezogenen Abkömmlingen liegt kein atypischer Fall vor, der es rechtfertigen würde, den Nachzug von der Lebensunterhaltssicherung abhängig zu machen. Nach der vertriebenenrechtlichen Grundentscheidung, dass Spätaussiedler und ihre Familienangehörigen auf Grund ihres besonderen Kriegsfolgenschicksals in Deutschland Aufnahme finden sollen, ist für Spätaussiedler und ihre Ehegatten die Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft im jeweiligen Aussiedlungsgebiet nicht zumutbar. Diese Grundentscheidung würde unterlaufen, wenn der Ehegattennachzug zu den deutschen Spätaussiedlern mit der Begründung versagt würde, die eheliche Lebensgemeinschaft sei im Herkunftsstaat zumutbar, da die Eheleute dort geraume Zeit gelebt und gearbeitet haben und die Sprache dieses Staates sprechen oder der Spätaussiedler eine doppelte Staatsangehörigkeit besitzt. Entsprechendes gilt für jüdische Zuwanderer, die (mittlerweile) die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (vgl. aber zu jüdischen Zuwanderern ohne deutsche Staatsangehörigkeit Nummer 27.3.7).

28.1.1.2
Bei Anwendung des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 kommt es nicht darauf an, ob die Ehe in Deutschland oder im Ausland geschlossen wurde. Nach Artikel 13 Absatz 1 EGBGB wird für die materiellen Voraussetzungen der Eheschließung auf das Recht des jeweiligen Heimatstaats der Verlobten verwiesen. Bei jeder Eheschließung muss hinsichtlich der Form der Eheschließung zudem das Geschäftsrecht oder das Ortsrecht beachtet worden sein. Das Geschäftsrecht ist gewahrt, wenn die Form der Eheschließung den Formvorschriften der Heimatrechte beider Eheschließender genügt. Das Ortsrecht ist gewahrt, wenn die am Ort der Eheschließung geltenden Formvorschriften beachtet worden sind. Religiöse Ehen stehen den vor staatlichen Stellen geschlossenen Ehen gleich, wenn sie am Ort der Eheschließung in der konkret vollzogenen Weise staatlich anerkannt sind; Gleiches gilt für Nottrauungen. Ehen, die durch Stellvertreter im Willen geschlossen werden, d. h. bei denen die Auswahl des Partners und Entscheidung über die Eheschließung im Rahmen der Vertretungsmacht liegt, verstoßen gegen den deutschen ordre public (Artikel 6 EGBGB) und sind daher in Deutschland unwirksam; hiervon zu unterscheiden sind Ehen, bei denen ein oder beide Partner die Konsenserklärung vor dem Trauungsorgan durch eine Mittelsperson (Boten) abgeben, die ohne eigene Entscheidungsfreiheit in der Trauungszeremonie für den abwesenden Verlobten auftritt. Die Zulässigkeit des Auftretens eines solchen Boten bei der Eheschließung ist nach dem für die Form maßgeblichen Recht zu beurteilen. Die so genannte Handschuhehe durch Boten kann daher nach Artikel 11 Absatz 1, 2. Alternative EGBGB ohne Rücksicht auf die Heimatrechte der Verlobten in der Ortsform gültig geschlossen werden. Das bedeutet, die Eheschließung ist wirksam, wenn nach dem Ortsrecht eine Ehe durch Boten zulässig ist. Der Ort der Eheschließung liegt in dem Staat, in dem die Trauungszeremonie stattfindet, also dort, wo das Trauungsorgan die Ehewillenserklärungen unter Einhaltung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten mit eheschließender Wirkung zur Kenntnis nimmt. Wird eine Konsenserklärung in Deutschland durch einen Dritten abgegeben, scheitert eine wirksame Eheschließung bereits an Artikel 13 Absatz 3 Satz 1 EGBGB, soweit keine Ausnahme nach Artikel 13 Absatz 3 Satz 2 EGBGB vorliegt. Ferntrauungen sind allenfalls in Notsituationen anzuerkennen. Zur Erteilung von Visa und Aufenthaltserlaubnissen vor der Eheschließung vgl. Nummer 30.0.

28.1.2
Ein Kind eines Deutschen, das einen Nachzugsanspruch nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 geltend macht, darf nicht verheiratet, geschieden oder verwitwet sein und darf das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

28.1.2.1
Vorrangig ist zu prüfen, ob das Kind durch Geburt, Legitimation oder Adoption (§§ 4 und 6 StAG sowie bis zum 30. Juni 1998 § 5 RuStAG) die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und daher die Ausstellung eines deutschen Reisepasses in Betracht kommt. Im Fall der Auslandsadoption kann der Nachweis des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit mittels eines Staatsangehörigkeits- ausweises geführt werden. Die Anerkennungsfähigkeit eines ausländischen Adoptionsdekrets sowie deren Wirkungen können durch einen Feststellungsbeschluss gemäß § 2 Absatz 2 Nummer 1 AdWirkG („starke" Adoption oder ggf. Volladoption) bzw. Umwandlungs- ausspruch gemäß § 3 AdWirkG des deutschen Vormundschaftsgerichts nachgewiesen werden. Die für den Staats- angehörigkeitserwerb erforderliche annähernde Gleichstellung der rechtlichen Wirkungen der ausländischen Adoption mit denen des deutschen Rechts liegt in aller Regel auch bei den „starken" Adoptionen vor. Ist die Anerkennungsfähigkeit eines ausländischen Adoptionsdekrets offenkundig (vgl. zu Anerkennungshindernissen § 109 Absatz 1 FamFG) und bestehen keine Zweifel hinsichtlich der „starken" Wirkungen des ausländischen Adoptionsrechts, kann auf die vorgenannten Nachweise verzichtet werden und die Feststellung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit aufgrund der betreffenden Auslandsadoption inzidenter getroffen werden. Dabei ist für die Anerkennungsfähigkeit maßgeblich auf eine den Anforderungen des deutschen Rechts genügende Kindeswohlprüfung abzustellen. Diese setzt voraus, dass der Adoptions- entscheidung eine fachliche Begutachtung der Adoptionsbewerber vorausgegangen ist, die deren Lebensumstände annähernd vollständig erfassen muss (vgl. Begründung des Gesetzes zur Regelung von Rechtsfragen auf dem Gebiet der internationalen Adoption und zur Weiterent- wicklung des Adoptionsvermittlungsgesetzes, BT-Drs. 14/6011, S. 29). Dies kann regelmäßig nur durch die Fachstelle des Landes erfolgen, in dem der Adoptionsbewerber seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (positives Eltern- Eignungsgutachten). Weiteres Prüfkriterium ist die Auslands- adoptionsbedürftigkeit des Kindes (vgl. Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 bzw. Haager Adoptionsübereinkommen (HAÜ) vom 29. Mai 1993). In Anwendungsfällen des HAÜ dient die Vorlage einer Bescheinigung gemäß Artikel 23 Absatz 1 HAÜ als Nachweis, dass die Adoption gemäß dem Übereinkommen zustande gekommen ist und somit in den anderen Vertragsstaaten kraft Gesetz regelmäßig anerkannt wird. Ist die Anerkennungs- fähigkeit der Auslandsadoption und deren Wirkung als „starke" oder als Volladoption nicht offenkundig, kommt eine inzidente Feststellung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit nicht in Betracht. In diesem Fall soll – wie in anderen Zweifelsfällen – auf ein Verfahren zur Feststellung der Staatsangehörigkeit nach § 30 StAG bei der zuständigen Staatsangehörigkeits- behörde verwiesen werden; bei dauerndem Aufenthalt des Kindes im Ausland ist das Bundesverwaltungsamt zuständig. Weitere Erläuterungen zur Wirkung von Auslandsadoptionen und deren staatsangehörigkeitsrechtliche Folgen enthält die Broschüre „Internationale Adoption" des Bundesamts für Justiz (verfügbar im Internet unter www.bundesjustizamt.de).

28.1.2.2
Für den Einreise- und Aufenthaltszweck der Herstellung einer familiären Lebensgemeinschaft zwischen Adoptionsbewerbern und dem aufzunehmenden Kind (Adoptionspflege) enthält § 6 AdÜbAG eine besondere Rechtsgrundlage. Handelt es sich dabei um einen Fall der Adoption eines Kindes aus einem Nichtvertragsstaat des Haager Übereinkommens zum Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption, kann § 6 AdÜbAG dann analoge Anwendung finden, wenn ein Adoptionsvermittlungsvorschlag der Behörden des Herkunftsstaates vorliegt (nicht aber, wenn seitens des Herkunftsstaates lediglich ein Pflegeverhältnis oder eine Vormundschaft vermittelt werden soll, vgl. hierzu auch Nummer 36.2.1.2).

28.1.2.3
Außer im Fall des Geburtserwerbs ist es unerheblich, ob der betreffende Elternteil auch bei der Geburt des Kindes die deutsche Staatsangehörigkeit besaß. Ist nur der Vater Deutscher, muss eine nach deutschem Recht als wirksam zu wertende Vaterschaftsanerkennung vorliegen. Diese muss nicht notwendigerweise nach den Vorschriften der §§ 1592, 1594 BGB zustande gekommen sein. Denkbar ist auch eine wirksame Vaterschaftsanerkennung, die nach fremdem Recht zustande gekommen ist (vgl. Artikel 19 I EGBGB i.V. m. mit dem maßgeblichen Zivilrecht). Erlangt die Ausländerbehörde oder die Auslandsvertretung Kenntnis von konkreten Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Vaterschaftsanerkennung ausschließlich zur Erlangung eines Aufenthaltsrechts ohne Bestehen einer sozial-familiären Verantwortungsgemeinschaft erfolgt ist, sind diese der zur Anfechtung einer Vaterschaftsanerkennung berechtigten Landesbehörde mitzuteilen (§ 90 Absatz 5, siehe hierzu Nummer 90.5). Im Fall einer Mitteilung ist das ausländerrechtliche Verfahren über die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bis zur Entscheidung der anfechtungsberechtigten Behörde bzw. im Fall der Klageerhebung bis zur Rechtskraft der familiengerichtlichen Entscheidung über die Anfechtung grundsätzlich auszusetzen (§ 79 Absatz 2, siehe Nummer 79.2).

28.1.2.4
Bei Stief- und Pflegekindern besteht kein Nachzugsanspruch nach § 28 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2. Möglich ist aber die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage von § 32 (Stiefkinder) und § 36 Absatz 2 (vgl. auch Nummer 27.1.5, Nummer 32.0.5 und Nummer 36.2.1.2).

28.1.2.5
Für den Nachzug eines minderjährigen Kindes eines Deutschen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 ist es nicht erforderlich, dass der Deutsche zur Ausübung der Personensorge berechtigt ist. Die Herstellung einer familiären Lebensgemeinschaft zwischen dem Deutschen und dem Kind ist jedoch Voraussetzung und muss beabsichtigt und rechtlich sowie tatsächlich möglich und zu erwarten sein. Hat der deutsche Elternteil das Personensorgerecht, so kann von der Absicht und Möglichkeit der Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft i. d. R. ausgegangen werden. In Fällen der Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft durch einen Deutschen erwirbt das Kind bereits mit Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 4 Absatz 1 Satz 2 StAG), so dass regelmäßig kein Nachzug eines minderjährigen ausländischen Kindes i. S. d. Absatzes 1 Nummer 2 vorliegt (Ausnahme: ist das Kind vor dem 1. Juli 1993 geboren, gilt dies nicht. Zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit in diesem Fall vgl. § 5 StAG). Die Mutter erwirbt in diesen Fällen durch die Vaterschaftsanerkennung einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Absatz 1 Nummer 3. Diese Fallkonstellation steht daher im Mittelpunkt missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen (siehe hierzu Nummer 27.0.5, 27.1a.1.3, 79.2, 87.2.4 und 90.5).

28.1.3
Der ausländische Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen hat den Nachzugsanspruch hingegen nur, wenn ihm das Personensorgerecht für das deutsche Kind zusteht und er auf Grund dessen beabsichtigt, die Personensorge auszuüben. Beim nichtsorgeberechtigten Elternteil eines deutschen Kindes steht die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis im Ermessen (siehe hierzu Nummer 28.1.5). Für das Sorgerecht ist auf den familienrechtlichen Sorgerechtsbegriff des § 1626 Absatz 1 BGB abzustellen. Unter den Begriff des Sorgerechts ist danach nicht nur die alleinige, sondern auch die gemeinsame Sorgeberechtigung zu fassen, die nach der Änderung des Kindschaftsrechts der Regelfall ist. Allein vom formellen Bestehen des Sorgerechts gehen keine aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus. Für den Nachzugsanspruch kommt es vielmehr auf die tatsächliche Ausübung des Sorgerechts an. Besteht ein gemeinsames Sorgerecht beider Elternteile, so reicht dies für den Nachzugsanspruch aus, sofern eine familiäre Gemeinschaft tatsächlich beabsichtigt ist. Erforderlich ist daher, dass der Sorgeberechtigte nach außen erkennbar in ausreichendem Maße Verantwortung für die Betreuung und Erziehung seines minderjährigen Kindes übernimmt. Beruht das Sorgerecht auf der Entscheidung einer ausländischen Behörde oder eines ausländischen Gerichts, ist vorauszusetzen, dass sie im Bundesgebiet unter Berücksichtigung der Anerkennungshindernisse nach § 109 Absatz 1 FamFG anzuerkennen ist (z. B. nach dem Haager Minderjährigenschutzübereinkommen). Der Umfang des Sorgerechts bemisst sich auch bei einer Anerkennung nur nach dem der ausländischen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt. Dem Aufenthaltsanspruch steht nicht entgegen, dass auch der andere Elternteil das Sorgerecht besitzt. Erforderlich ist jedoch, dass die Personensorge im Rahmen einer familiären Lebensgemeinschaft ausgeübt wird. Im begründeten Ausnahmefall kann es auch ausreichen, wenn die Personensorge im Rahmen einer Betreuungs- und Beistandsgemeinschaft tatsächlich ausgeübt wird. Zur Scheinvaterschaft siehe Nummer 27.0.5, 27.1a.1.3, 79.2, 87.2.4 und 90.5. Unter Berücksichtigung des grundrechtlichen Schutzgebots des Artikels 6 GG kann dem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen im Einzelfall der Aufenthaltstitel nach § 28 Absatz 1 Nummer 3 auch bei einem beabsichtigten gemeinsamen Zuzug erteilt werden, sofern glaubhaft gemacht wird, dass der bisherige gewöhnliche Aufenthalt des minderjährigen Deutschen im Herkunftsstaat aufgegeben und im Bundesgebiet unmittelbar nach Einreise neu begründet wird.

28.1.4
Aufgrund der aufenthaltsrechtlichen Vorwirkung des Schutzgebots des Artikels 6 GG kann werdenden Eltern von Kindern, die aufgrund ihrer Abstammung von einem deutschen Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen werden (§ 4 Absatz 1 StAG), ein mit Blick auf den voraussichtlichen Geburtszeitpunkt entsprechend langfristig berechnetes Visum zur Einreise auf Grundlage des künftigen Anspruchs nach § 28 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 erteilt werden. Gleiches gilt für werdende Väter von Kindern, die aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts der Mutter in Deutschland nach § 4 Absatz 3 StAG durch Geburt im Inland die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben werden. Die Einreise ist der Schwangeren zu ermöglichen, sobald die Geburt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Die Reisefähigkeit der Schwangeren – insbesondere im Zusammenhang mit möglichen Gesundheitsrisiken – und die Reisemöglichkeiten sind dabei zu berücksichtigen. I. d. R. wird daher die Einreise zwischen dem vierten und dem Ende des siebenten Schwangerschaftsmonats ermöglicht werden. Dem Vater ist die Einreise zu ermöglichen, wenn die Schwangere – z. B. wegen des Vorliegens einer Risikoschwangerschaft – auf seinen Beistand angewiesen ist. Liegen keine solchen Gründe vor, ist dem Vater die Einreise so rechtzeitig zu ermöglichen, dass er bei der Geburt anwesend sein kann. Es ist eine geeignete ärztliche Bescheinigung beizubringen. Außerdem ist Voraussetzung für die Ermöglichung der Einreise, dass das Elternteil nicht nur formal, etwa durch Abgabe der Vaterschaftsanerkennung oder Sorgerechtserklärung, eine Beziehung zu dem Kind entstehen lässt, sondern auch tatsächlich den Willen hat, die Elternrolle auszufüllen und elterliche Verantwortung zu übernehmen. In Fällen des begründeten Verdachts einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung in diesem Zusammenhang vgl. Nummer 27.1a.1.3. Die Aufenthaltserlaubnis selbst wird nach der Geburt er- teilt. Werdende Eltern, die sich bereits im Bundesgebiet befinden, haben lediglich Anspruch auf Erteilung einer Duldung gemäß § 60a Absatz 2 Satz 1.

28.1.5
Der Nachzug eines nicht sorgeberechtigten Elternteils eines minderjährigen ledigen Deutschen kann nach Absatz 1 Satz 4 im Ermessenswege, auch abweichend von § 5 Absatz 1 Nummer 1, gestattet werden. Die Ermessensausübung wird durch § 5 Absatz 2 und 4, § 11 und § 27 Absatz 3 begrenzt. Familie als verantwortliche Elternschaft wird von der prinzipiellen Schutzbedürftigkeit des heranwachsenden Kindes bestimmt. Bei der Ermessensentscheidung ist daher zu berücksichtigen, ob eine solche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen dem Ausländer und seinem Kind besteht und ob diese Gemeinschaft nur im Bundesgebiet verwirklicht werden kann, etwa weil das Kind deutscher Staatsangehöriger ist und ihm wegen der Beziehung zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik nicht zumutbar ist. Der Nachzug kommt nur in Betracht, wenn eine Beistands- und Betreuungsgemeinschaft im Bundesgebiet schon besteht. Zwar genügt allein die rechtliche Vaterschaft, um dem Schutzzweck des Artikels 6 GG zu entsprechen, aufenthaltsrechtlich bedarf es jedoch einer verantwortlich gelebten Eltern-Kind-Gemeinschaft. Hierfür kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Voraussetzung ist i. d. R. ein Zusammenleben mit dem Kind, wenn auch eine häusliche Gemeinschaft nicht in jedem Fall verlangt werden kann. Leben die Familienmitglieder getrennt, müssen zusätzliche Anhaltspunkte vorhanden sein, um eine familiäre Gemeinschaft annehmen zu können. Solche können in intensiven Kontakten, gemeinsam verbrachten Urlauben, in der Übernahme eines nicht unerheblichen Anteils der Betreuung und Versorgung des Kindes, z. B. auch im Krankheitsfall, oder in sonstigen Beistandsleistungen bestehen. Auch Unterhaltsleistungen sind in diesem Zusammenhang ein Zeichen für die Wahrnehmung elterlicher Verantwortung. Die §§ 1626 ff. BGB stellen seit ihrer Neufassung durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz das Kindeswohl in den Mittelpunkt. Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist daher maßgeblich auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Die familiäre Gemeinschaft zwischen einem Elternteil und seinem minderjährigen Kind ist getragen von tatsächlicher Anteilnahme am Leben und Aufwachsen des Kindes. Während lediglich lose und seltene Kontakte nicht als ausreichend anzusehen sind, kann im Falle eines regelmäßigen Umgangs von einer familiären Gemeinschaft ausgegangen werden. Mit der Kindschaftsrechtsreform hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass sich auch neben der persönlichen Begegnung Umgang ereignen kann und soll, etwa durch Brief- und Telefonkontakte, die Teil der Wahrnehmung des Umgangs und insoweit – zumal bei getrennten Wohnsitzen – u. a. Element familiärer Gemeinschaft sind. Erforderlich ist ein flexibler und den Umständen des Einzelfalles gerecht werdender Maßstab, der die Zumutbarkeit einer Trennung sowie der Möglichkeit, über Briefe, Telefonate und Besuche auch aus dem Ausland Kontakt zu halten, neben dem Alter des Kindes mit einbezieht. Bei der Ermessensausübung ist insbesondere zu berücksichtigen, ob

28.1.5.1
– das deutsche Kind in seiner Entwicklung auf den ausländischen Elternteil angewiesen ist (die Ausländerbehörde soll in geeigneten Fällen prüfen, ob das Jugendamt einbezogen werden kann),

28.1.5.2
– der nichtsorgeberechtigte Elternteil seit der Geburt des Kindes seinen Unterhaltsverpflichtungen regelmäßig nachgekommen ist und

28.1.5.3
– das Kindeswohl einen auf Dauer angelegten Aufenthalt des nicht-sorgeberechtigten Elternteils im Bundesgebiet erfordert.

28.1.6
Die Aufenthaltserlaubnis ist bei der Erteilung i. d. R. auf drei Jahre zu befristen. Hiervon abweichend ist eine Befristung auf nur ein Jahr angezeigt, wenn Restzweifel bestehen (unterhalb der eine Ablehnung des Antrags rechtfertigenden Schwelle), ob die Eheschließung nur zum Zweck der Aufenthaltssicherung des ausländischen Ehegatten geschlossen wurde (so genannte Scheinehe, siehe hierzu Nummer 27.1a.1.1.2 f.). Soweit entsprechende Zweifel am Vorliegen einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung bestehen oder Obdachlosigkeit droht, ist die Aufenthaltserlaubnis ebenfalls zunächst nur für ein Jahr zu erteilen.

28.1.7
Nach § 28 Absatz 1 Satz 5, der auf die entsprechenden Regelungen des Ehegattennachzugs zu Ausländern in § 30 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2, Satz 3 (nicht § 30 Absatz 1 Satz 2) und § 30 Absatz 2 Satz 1 verweist, sind auch für den Ehegattenzuzug zu Deutschen das Mindestalter von 18 Jahren und der Nachweis von zumindest einfachen Deutschkenntnissen des zuziehenden Ehegatten grundsätzlich Voraussetzungen (siehe hierzu Nummer 30.1.1 f.).

28.1.8
Der Rechtsgrund des Ehegattennachzugs nach §§ 28 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 30 und des Nachzugs zum deutschen Kind nach § 28 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 können zur Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft ggf. unabhängig von einander geltend gemacht werden, wenn sich sowohl der Ehegatte als auch das minderjährige ledige Kind im Bundesgebiet aufhalten. Beide Nachzugstatbestände verwirklichen eigenständige grundrechtliche Schutzgebote des Artikels 6 GG. Die Beantragung des Familiennachzugs zum deutschen Kind bedeutet in diesem Fall keine unzulässige Umgehung der Voraussetzungen des Ehegattennachzugs, insbesondere des Nachweises einfacher Deutschkenntnisse.

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28.2 Erteilung einer Niederlassungserlaubnis und Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis

28.2.1
Die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach Absatz 2 Satz 1 setzt das Fortbestehen der familiären Lebensgemeinschaft voraus. Sie ist ausgeschlossen, wenn einer der zwingenden Versagungsgründe nach § 5 Absatz 4 vorliegt. Liegt ein Regelversagungsgrund nach § 5 Absatz 1 vor, hat diese Regel Vorrang vor § 28 Absatz 2 mit der Folge, dass die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis i. d. R. zu versagen ist. Dies schließt die Erteilung einer weiteren befristeten Aufenthaltserlaubnis nicht aus; vgl. Nummer 28.2.5. Hinsichtlich der Erteilung der Niederlassungserlaubnis nach Absatz 2 Satz 1 findet § 9 keine Anwendung.

28.2.2
Nach Beendigung der familiären Lebensgemeinschaft kann eine Niederlassungserlaubnis nur nach den allgemeinen Vorschriften, nicht aber nach Absatz 2 Satz 1 erteilt werden, sofern dann ein Aufenthaltsrecht auf einer anderen Grundlage und zu einem anderen Zweck bestehen sollte.

28.2.3
Die dreijährige Frist beginnt mit der erstmaligen Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft. Grund der Privilegierung nach Absatz 2 Satz 1 ist die Annahme des Gesetzgebers, dass durch die familiäre Lebensgemeinschaft mit einem Deutschen eine positive Integrationsprognose antizipiert und die soziale und wirtschaftliche Integration daher zu einem früheren Zeitpunkt als nach den Regelvoraussetzungen nach § 9 angenommen werden kann. Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis zu anderen Zwecken können daher nicht berücksichtigt werden, da sie dieser immanenten Zweckausrichtung nicht entsprechen. Die Zeit des Besitzes eines nationalen Visums zum Familiennachzug ist nach § 6 Absatz 4 Satz 3 anzurechnen, soweit sich der Inhaber währenddessen im Bundesgebiet aufgehalten hat.

28.2.4
Die Anforderung, wonach der Nachziehende in der Lage sein muss, sich auf einfache Art in deutscher Sprache zu verständigen, ist weniger weit gehend als das in § 9 Absatz 2 Nummer 7 genannte Merkmal. Zur Feststellung, ob sich der Ausländer in deutscher Sprache verständigen kann, ist grundsätzlich das persönliche Erscheinen des Ausländers erforderlich (§ 82 Absatz 4), soweit diesbezügliche Erkenntnisse nicht bereits vorliegen. Zum Sprachniveau A 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) siehe Nummer 30.1.2.1. Ein entsprechendes Sprachniveau kann nicht angenommen werden, wenn der Ausländer sich bei der persönlichen Vorsprache nicht einmal auf einfache Art ohne die Hilfe Dritter verständlich machen kann. Anhaltspunkte, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, können sich auch aus Schul- oder Sprachzeugnissen oder Nachweisen über Berufstätigkeiten ergeben. § 44a bleibt unberührt.

28.2.5
Auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis besteht nach Absatz 2 Satz 2 grundsätzlich ein Anspruch, sofern die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht. Hinsichtlich der Auswirkungen des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II oder XII und des Vorliegens von Regelversagungsgründen gelten die Regelungen zur erstmaligen Erteilung der Aufenthaltserlaubnis; vgl. Nummer 27.3 und 28.1.1.0 f.

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28.3 Eigenständiges Aufenthaltsrecht

28.3.1
Durch die Vorschrift soll eine Gleichstellung, nicht aber eine Besserstellung der Familienangehörigen von Deutschen gegenüber denen der im Bundesgebiet lebenden Ausländer hinsichtlich des eigenständigen Aufenthaltsrechts bewirkt werden.

28.3.2
Für ausländische Ehegatten Deutscher gilt mit der in der Vorschrift genannten Maßgabe § 31 und für die minderjährigen ledigen Kinder eines Deutschen § 35 entsprechend.

28.3.3
Ein eigenständiges Aufenthaltsrecht von Elternteilen minderjähriger lediger Deutscher entsteht hingegen bei Auflösung der familiären Lebensgemeinschaft – unbeschadet der ggf. nach den allgemeinen Regeln gegebenen Möglichkeit der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis – nicht. Bei Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte kommt die Verlängerung nach § 25 Absatz 4 Satz 2 in Betracht.

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28.4 Sonstige Familienangehörige Deutscher

28.4.1
Zu den sonstigen Familienangehörigen i. S. d. § 36 gehören auch – ausländische Elternteile minderjähriger Deutscher, die nicht personensorgeberechtigt sind, soweit auf sie nicht § 28 Absatz 1 Satz 2 Anwendung findet, – volljährige Ausländer, die von einem Deutschen adoptiert wurden; sie erwerben mit der Adoption nicht die deutsche Staatsangehörigkeit (vgl. § 6 StAG) und können daher nur zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte i. S. v. § 36 Absatz 2 Satz 1 nachziehen, – der ausländische Elternteil eines volljährigen oder nicht mehr ledigen Deutschen, der keine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Absatz 1 Nummer 3 erhalten kann.

28.4.2
Die Vorschriften zu § 36 sind zu beachten. Die Geltungsdauer des erteilten Aufenthaltstitels richtet sich nach den allgemeinen Regeln.

28.5 Ausübung einer Erwerbstätigkeit

Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist kraft Gesetzes uneingeschränkt gestattet. Eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit ist für die Erteilung nicht erforderlich.

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