Asylanhörungen mittels Videokonferenztechnik ist mit dem Asylverfahrensgesetz unvereinbar

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Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages (download unter Beiträge) zur Vereinbarkeit von Asylanhörungen mittels Videokonferenztechnik  vom 28.11.2011 kommt zu dem Ergebnis, dass diese Verfahrensweise mit dem Asylverfahrensgesetz nicht im Einklang steht.

Seit November 2010 führt das BAMF einzelne Anhörungen von Asylbewerbern per Videokonferenztechnik durch. Hierbei befinden sich der Asylbewerber und der Dolmetscher in einer Außenstelle des BAMF, während der Einzelentscheider die Anhörung per Bild- und Tonübertragung von einer anderen Außenstelle aus führt. Im Zeitraum vom November 2010 bis einschließlich Juli 2011 wurden 140 Anhörungen auf diese Weise durchgeführt, betroffen waren die Außenstellen des BAMF in Braunschweig, Dortmund, Friedland und Bielefeld. Hintergrund dieser Praxis ist eine unterschiedliche Ausstattung der Außenstellen des BAMF mit Personal und der Wunsch, auf eine gleichmäßige Auslastung aller Außenstellen hinzuwirken. Soll ein Asylbewerber per Video angehört werden, so wird ihm das Verfahren erläutert und er darauf hingewiesen, dass ihm dadurch keine Nachteile drohen. Er hat Gelegenheit, Einwände gegen die Videoanhörung vorzubringen, die zu Protokoll genommen werden. Anhörungen von Traumatisierten, geschlechtsspezifisch Verfolgten und Minderjährigen werden nach Angaben der Bundesregierung grundsätzlich nicht im Wege der Bild- und Tonübertragung durchgeführt. Sollte sich erst während der Anhörung herausstellen, dass eine Sonderbeauftragte oder ein Sonderbeauftragter hinzugezogen werden muss, so werde die Anhörung per Videokonferenz abgebrochen.

Ulla Jelpke der Fraktion DIE LINKE kommentiert:

"Der erst vor kurzem nach einer Testphase eingeführte Einsatz von Videokonferenztechnik im Asylverfahren ist rechtswidrig. Zu diesem eindeutigen Ergebnis kommt ein von mir in Auftrag gegebenes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages.

Die Bundesregierung muss jetzt handeln und Video-Anhörungen im Asylverfahren sofort beenden! Ziel des Asylverfahrens muss ein möglichst effizienter Schutz Asylberechtigter sein - nicht die möglichst effiziente Verwaltung staatlicher Ressourcen auf Kosten Schutzsuchender. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wirbt für sich mit dem Motto "Den Menschen im Blick". Anhörungen oft verunsicherter und verängstigter Menschen per Video-Schaltung widersprechen dem eklatant.

Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes stellt klar, dass schon dem Wortlaut des Gesetzes und einfachen Verständnis nach die gesetzlich vorgeschriebene "persönliche Anhörung" Asylsuchender eine direkte persönliche Begegnung erfordert. Und auch in anderen Rechtsgebieten komme Bild-Ton-Technik nur dann in genau gesetzliche geregelten Ausnahmen zum Einsatz, wenn alle Beteiligten einverstanden sind. Dies ist im Asylverfahren nicht der Fall.

Auch das Bundesverfassungsgericht forderte in Bezug auf Asylanhörungen, "alles zu vermeiden, was zu Irritationen" der Asylsuchenden führen könnte. Anhörungen per Video-Technik sind zudem völlig ungeeignet, Flüchtlingen ein Gefühl des Vertrauens und der Vertraulichkeit der Anhörung zu vermitteln. Dies ist aber dringend erforderlich, wenn Flüchtlinge von ihren oft traumatischen Erlebnissen völlig Fremden gegenüber berichten sollen."

DIE LINKE hatte bereits in der Vergangenheit eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet und wird das Thema nun als Tagesordnungspunkt für die nächste Sitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am Mittwoch aufsetzen lassen.