Vorbehalt hinsichtlich des Leistungsausschlusses im EFA ist unwirksam

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Die Bundesrepublik Deutschland hat für Leistungen nach dem SGB II einen Vorbehalt gegen das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) erklärt. Dieser völkerrechtswidrige Vorbehalt soll mit Wirkung zum 19.12.2011 in Kraft getreten sein. Damit sollen die Leistungsausschlussgründe nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 SGB II ab dem 19.12.2011 auf Angehörige der EFA-Staaten wieder Anwendung finden.

Das Bundessozialgericht hatte mit Urteil vom 19.10.2010 (B 14 AS 23/10) entschieden, dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II für Staatsangehörige von Vertragsstaaten des Europäischen Fürsorgeabkommens keine Anwendung findet. Die BA hat dieses Urteil umgesetzt und verbindlich geregelt, dass die Ausschlussgründe der § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGB II für Staatsangehörige der EFA-Staaten keine Anwendung finden.

Die Bundesrepublik Deutschland hat nunmehr u. a. für Leistungen nach dem SGB II den folgenden Vorbehalt gegen das Europäische Fürsorgeabgekommen erklärt:

„Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland übernimmt keine Verpflichtung, die im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – in der jeweils geltenden Fassung vorgesehenen Leistungen an Staatsangehörige der übrigen Vertragsstaaten in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zuzuwenden."

 Ziel dieses „nachträglichen" Vorbehalts soll die Anwendbarkeit der Ausschlusstatbestände nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 SGB II auf die Staatsangehörigen der Vertragsstaaten des EFA sein. Dies betrifft u.a. die Staatsangehörigen der folgenden Staaten: Belgien, Dänemark, Estland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Spanien, Türkei, Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland.

Bei dem „nachträglichen" Vorbehalt handelt es sich nicht um einen echten Vorbehalt, sondern um eine Teilkündigung des Abkommens nach Art. 24 EFA. Vorbehalte schränken die Bereitschaft ein, eine noch nicht bestehende Verpflichtung zu übernehmen. Sie wirken nicht auf bestehende völkerrechtliche Verpflichtungen ein und können daher grundsätzlich – sofern der Vertrag keine entsprechende Möglichkeit eröffnet – nicht „nachträglich" erklärt werden.

Da es im EFA nach Art. 16 lit. b EFA nur eine Spezialregelung für die Einschränkung der Bereitschaft, neue Armenfürsorgeleistungen dem Rechtsregime des EFA zu unterwerfen gibt, setzt die Zulässigkeit des Vorbehalts voraus, dass es sich bei der SGB-II-Leistung – Grundsicherung für Arbeitssuchende – um neue Fürsorgeleistungen handelt. Hieran fehlt es: Bis Ende 2011 waren die Leistungen nach dem SGB II gar nicht im Anhang zum EFA aufgeführt. Dies war auch nicht notwendig, da die Aufnahme einer Leistung in den Anhang nicht konsitutiv erforderlich ist, um den Anwendungsbereich des EFA zu eröffnen. Die Vertragsstaaten sollen nach Art. 16 lit. b) EFA zwar entsprechende Mitteilungen über Neuregelungen machen, diese sind aber rein deklaratorisch. SGB II-Leistungen sind also seit Inkrafttreten der Hartz-Gesetze Fürsorgeleistungen nach dem EFA gewesen.

Fand das EFA aber bereits Anwendung auf die SGB-II-Leistungen, so ist ein nachträglicher Vorbehalt nicht möglich.

Außerdem ist zweifelhaft, ob sich der EFA-Vorbehalt auf Unionsbürger überhaupt auswirken kann, da die Leistungen nach dem SGB II als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen i.S.v. Art. 70 VO (EG) 883/2004 i.V. mit dem Anhang X in der Fassung der VO (EG) 988/2009 vom 16.09.2009 zu qualifizieren sind.

Die Merkmale sind erfüllt:

  • Anknüpfung an ein soziales Risiko,
  • Steuerfinanzierung, beitragsunabhängig,
  • Funktion einer Mindestsicherung, deren Höhe sich an den wirtschaftlichen und sozialen Umständen im betreffenden Staat orientiert und
  • im Anhang X zur Verordnung aufgeführt.

Diese Leistungen sind einerseits zwar von der Koordinierung ausgenommen, müssen also nicht in andere Staaten exportiert werden. Davon nicht tangiert ist aber der Gleichbehandlungsanspruch nach Art. 3 VO (EG) 883/2004, der nicht nur ein Diskriminierungsverbot statuiert, sondern Inländergleichbehandlung gewährleistet. Jede Form von Sonderregeln oder besondere Zugangsvoraussetzungen für die Leistungen nach dem SGB II sind daher unzulässig.