Entwurf eines Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht

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Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vorgelegt, mit dem der Vollzug bestehender Ausreisepflichten verbessert werden soll.

Hierzu führt der Gesetzentwurf Folgendes aus:

„Der Vollzug bestehender Ausreisepflichten ist notwendiges Gegenstück zur Aufnahme von Schutzbedürftigen in Deutschland. Die Akzeptanz der großzügigen Aufnahme von Schutzbedürftigen kann dauerhaft nur erhalten bleiben, wenn diejenigen, die nicht schutz-berechtigt sind, auch zeitnah in ihre Herkunftsländer zurückkehren. Dies ist in der Vergangenheit nicht ausreichend geschehen.

Mit Stichtag 31. August 2016 hielten sich ausweislich des Ausländerzentralregisters bereits 210.296 vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer in Deutschland auf. Von dieser Gruppe hatten 158.190 eine Duldung. Die Zahl der Ausreisepflichtigen wird sich durch negative Asylbescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in diesem Jahr und im Folgejahr weiter beträchtlich erhöhen. Für die letzten vier Monate 2016 ist mit etwa 300.000 Entscheidungen des BAMF zu rechnen, davon dürfte wenigstens ein Drittel zu einer Ausreisepflicht führen, so dass die Zahl der ausreisepflichtigen Personen bereits 2016 um mindestens 100.000 ansteigen dürfte.

Bei den geduldeten Ausländern handelt es sich derzeit um zwei unterschiedliche Gruppen: Zum einen um Personen, die beispielsweise wegen Krankheit oder dringender familiärer Gründe ohne Verschulden nicht ausreisen können; zum anderen um Ausländer, die ihre Abschiebung, z.B. durch Täuschung, selbst verhindern, oder denen das Ausreisehindernis anderweitig zuzurechnen ist.

Die Gleichbehandlung beider Gruppen im Aufenthaltsrecht führt nicht zu sachgerechten Ergebnissen. Privilegierungen von langjährig geduldeten Ausländern, z.B. über Bleiberechtsregelungen, dürfen nicht für Ausländer offen stehen, die ihre Abschiebung selbst verhindern. Deshalb ist es erforderlich, eine Differenzierung vorzunehmen und die Duldung nur noch denjenigen Ausländern zu gewähren, deren Abschiebung unmöglich ist, weil sie die Unmöglichkeit ihrer Abschiebung nicht verschuldet habe bzw. sie ihnen nicht zuzurechnen ist. Dies ist auch erforderlich, um dem z.B. durch Bleiberechtsregelungen entstandenen Eindruck entgegenzuwirken, dass es sich bei der Gruppe der Geduldeten nur um Ausländer handeln würde, deren Abschiebung unverschuldet nicht möglich ist.

Die Mehrzahl der Asylantragsteller reist ohne Papiere ein oder legt keine Papiere vor. Voraussetzung für die Abschiebung von Ausländern in ihren Herkunftsstaat ist daher regelmäßig die Ausstellung neuer personenbezogener Papiere, die zur Einreise in diesen Staat berechtigen. Auch Staaten, die bei der Rückführung ihrer eigenen Staatsangehörigen mitwirken möchten, fordern aus gutem Grund, dass Personen, denen sie Einreisedokumente ausstellen sollen, zuvor ausreichend identifiziert sind. Gerade bei einer mangelhaften Mitwirkung des betroffenen Ausländers bereitet diese Identifizierung einen erheblichen Aufwand. Vorführungen vor Auslandsvertretungen zur Identifizierung können zumeist nicht kurzfristig als Teil des laufenden Geschäfts der Auslandsvertretung terminiert werden. Vielmehr finden sie oftmals nur zu bestimmten von den Drittstaaten benannten Terminen statt, an denen zum Beispiel Identifizierungsexperten aus dem Herkunftsland an der Vertretung in Deutschland anwesend sind. Informationen über derartige Terminkorridore, in denen vermehrt Ladungen der Ausländerbehörden an Ausreisepflichtige versandt werden, werden unter ausreisepflichtigen Ausländern desselben Herkunftsstaates rasch verbreitet. Nicht mitwirkungsbereite Ausländer entziehen sich diesen Terminen häufig dadurch, dass sie im engen terminlichen Umfeld an ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort nicht erreichbar sind und nicht erscheinen. Aus diesem Grunde sollen die Regelungen zur Abschiebehaft entsprechend dieser Sachlage angepasst werden mit dem Ziel, dass das beschriebene Verhalten nicht mehr zur Verhinderung einer Abschiebung führen kann.

Auch der Haftgrund nach § 62 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 AufenthG, der daran anknüpft, dass der Ausländer zu einem für die Abschiebung angekündigtem Termin aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht angetroffen werden konnte, bedarf mit Blick auf das Ankündigungsverbot des Abschiebungstermins in § 59 Absatz 1 Satz 8 AufenthG der Anpassung.

Die bislang im Gesetz enthaltene einmonatige Widerrufsfrist bei Abschiebungen, die länger als ein Jahr ausgesetzt worden sind, erhöht die Gefahr des Untertauchens bei Ausreisepflichtigem mit längerem Aufenthalt in Deutschland. Die Ankündigung wirkt faktisch wie eine Warnung vor der Abschiebung und kann dadurch zum kurzfristigen Untertauchen führen, wodurch die Abschiebung vereitelt wird.

Besonders dringend ist das staatliche Interesse an der Abschiebung von ausreisepflichtigen Ausländern, die straffällig geworden sind und nicht gleich aus der Haft abgeschoben werden konnten oder eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen. Gerade bei diesem Personenkreis ist es nicht hinnehmbar, dass Rückführungen scheitern, weil der Ausländer am Tag der Rückführung untergetaucht ist und auf der Grundlage des geltenden Rechts keine Abschiebungshaft beantragt werden konnte. Die bestehenden Möglichkeiten einer Freiheitsentziehung aus polizeilichen und strafprozessualen Gründen finden auf die Sicherung der Abschiebung keine Anwendung."

Mit dem neuen gesetzlichen Regeln soll ein Ausländer dessen Abschiebung nicht möglich ist, weil der Ausländer zum Beispiel die Behörden über Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder an der Passersatzbeschaffung nicht ausreichend mitwirkt, keine Duldung mehr erhalten. Ebenso erhält künftig keine Duldung mehr, wessen Herkunftsstaat keinen Passersatz ausstellt, obwohl es sich um einen seiner Staatsangehörigen handelt. Künftig kann dieser Personenkreis nur noch eine Bescheinigung über die vollziehbare Ausreisepflicht erhalten. Weitere rechtliche Vergünstigungen sind hiermit nicht verbunden. Ziel ist es, bei dieser Personengruppe, den staatlichen Vollzugsanspruch zu stärken – entweder durch zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht oder durch Anregung zur freiwilligen Ausreise.

Insbesondere kommen Legalisierungsmöglichkeiten, z.B. durch die Erteilung von Aufenthaltstiteln an diese Personengruppe, nicht mehr in Betracht. Dies gilt auch für die sog. Bleiberechtsregelungen.

Wie auch bisher hat dieser Personenkreis keinen Zugang zu Integrationskursen; Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind weiterhin auf das verfassungsrechtlich zulässige Maß nach § 1a Absatz 3 AsylbLG gekürzt. Nur die Strafbarkeit des Aufenthaltes ohne Aufenthaltstitel (§ 95 Absatz 1 Nummer 2 AufenthG) wird wie bei Geduldeten aus-geschlossen.

Die räumliche Beschränkung auf das Gebiet des Landes wird zudem für vollziehbar Ausreisepflichtige ohne Duldung aufrechterhalten werden. Diese unterfallen künftig nicht mehr der begünstigenden Erlöschensregelung nach § 61 Absatz 1b AufenthG, da sie nicht mehr über eine Duldung verfügen werden.

Einem Ausländer darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit bereits nach geltender Rechts-lage nicht erlaubt werden, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er verschuldet hat, nicht vollzogen werden können (§ 60a Absatz 6 Satz 1 Nummer 2 AufenthG). Aus Gründen der Konsistenz ist es erforderlich, dieses Beschäftigungsverbot, das bereits für betriebliche Berufsausbildungen gilt, auch auf die nunmehr neu erfassten Fälle und dabei auch auf fachtheoretische Ausbildungsgänge auszuweiten.

Auf diese Weise soll verhindert werden, dass die Gruppe der vollziehbar Ausreisepflichtigen ohne Duldung, die einem Beschäftigungsverbot unterliegt, über eine Bildungsmaßnahme die Aussicht auf eine Duldung nach § 60a Absatz 2 Satz 4 AufenthG und ein daran anschließendes Aufenthaltsrecht erhält. Dies gilt nur nicht für den Besuch allgemeinbildender und berufsbildender Sekundarschulen der Stufe I und II. Nur die erfolgreiche betriebliche Ausbildung von Ausreisepflichtigen mit Arbeitsmarktzugang rechtfertigt ein Absehen des Staates vom Vollzug der Ausreisepflicht.
Die Ankündigung der Abschiebung durch Widerruf der Duldung mit einmonatiger Frist entfällt zukünftig. Ein vollziehbar Ausreisepflichtiger muss grundsätzlich jederzeit mit seiner Rückführung rechnen, sobald das Abschiebungshindernis entfallen ist; die Duldung ist kein Aufenthaltsrecht. Eine Ankündigung der Abschiebung ist vor diesem Hintergrund entbehrlich und aufgrund der so gesteigerten Gefahr des Untertauchens kontraproduktiv.
Für ausreisepflichtige Ausländer, die straffällig geworden sind und von denen eine erhebliche Gefahr ausgeht, wird zudem ein neuer Abschiebungshaftgrund geschaffen, denn in diesen Fallgruppen besteht ein besonders hohes öffentliches Interesse an der Sicherung der Rückführung.
Haft zur Sicherung der Abschiebung ist zukünftig anzuordnen, wenn der vollziehbar Ausreisepflichtige rechtskräftig wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straften verurteilt worden ist oder eine erhebliche Gefahr von ihm ausgeht und die weiteren Haftvoraussetzungen vorliegen. Bei straffälligen oder besonders gefährlichen Ausreisepflichtigen, bei denen die freiwillige Ausreisefrist abgelaufen ist, besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der Durchsetzung der Rückführung.

Durch die Änderung des Haftgrundes in § 62 Absatz 3 Nummer 3 AufenthG wird die Kompatibilität zum Verbot der Ankündigung eines Abschiebungstermins nach Ablauf der freiwilligen Ausreisefrist hergestellt. Haftgrund ist nicht mehr ausschließlich das Nichter-scheinen zu einem - gar nicht mehr anzukündigenden - Abschiebungstermin, sondern auch zu einem anderen Termin nach Vorladung, etwa zur Identifizierung bei einer Botschaft. Dies gilt weiterhin nur, wenn die übrigen Haftvoraussetzungen erfüllt sind und der Ausländer auf die Möglichkeit der Haft bei Nichterscheinen hingewiesen worden ist.

Auf Grund der Änderung des Haftgrundes in § 62 Absatz 3 Nummer 5 AufenthG ist Siche-rungshaft zukünftig anzuordnen, wenn der Ausländer durch die bereits früher gesetzlich definierten Anhaltspunkte (§ 2 Absatz 14 AufenthG) gezeigt hat, dass er nicht an den Vorbereitungen zur Rückführung, insbesondere der Passbeschaffung, mitwirken wird. Si-cherungshaft kann insbesondere verhängt werden, wenn auf Grund des früheren Verhal-tens des Ausländers zu erwarten ist, dass er im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer sogenannten Botschaftsvorführung nicht an seinem üblichen Aufenthaltsort an-zutreffen sein wird. Insbesondere das Instrument der Vorführung im Rahmen des Verwal-tungszwanges genügt in dieser Fallkonstellation nicht.

Die Höchstdauer für den Ausreisegewahrsam wird auf vierzehn Tage festgelegt.

Die bereits bestehenden und national sowie international vereinbarten Maßnahmen zur Verhinderung der Ausreise von gewaltbereiten Personen aus dem Gebiet der Bundesre-publik Deutschland mit dem Ziel, sich an irregulären Kampfhandlungen auf ausländischen Staatsgebieten zu beteiligen, werden auch für Personen, die außer der deutschen auch eine oder mehrere andere Staatsangehörigkeiten besitzen, ausdrücklich geregelt. Hierfür wird der Anwendungsbereich der entsprechenden Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes auf diesen Personenkreis ausgedehnt.
Im Asylgesetz wird geregelt, dass die bei der Durchführung des Gesetzes angefallenen Daten auch zum Zwecke der Ausführung des

Aufenthaltsgesetzes und der gesundheitli-chen Betreuung und Versorgung von Asylbewerbern sowie für Maßnahmen der Strafverfolgung und zur Abwehr von Gefahren für Leib oder Leben des Asylbewerbers oder von Dritten und auf Ersuchen zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten den damit betrauten öffentlichen Stellen, soweit es zur Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben erforderlich ist, übermittelt und von diesen dafür verarbeitet und genutzt werden dürfen. Zudem wird klargestellt, dass Landesrecht auch die Datenübermittlung von Ausländer- an Sicherheitsbehörden der Länder regeln kann und das Aufenthaltsgesetz insofern keine abschließende Regelung enthält.

Mitglieder können den Gesetzentwurf über diesen Link herunterladen.

Mainz, 14.10.2016