Gliederung

Verwaltungsvorschrift (Auszug)

Zu § 7 – Aufenthaltserlaubnis

7.1 Aufenthaltszwecke

7.1.1
Die Aufenthaltserlaubnis ist der befristete Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz. Sie wird zu den in Kapitel 2 Abschnitte 3 bis 7 genannten Aufenthaltszwecken erteilt. Je nach dem verfolgten Aufenthaltszweck ergeben sich aus der Aufenthaltserlaubnis unterschiedliche Rechtsfolgen, etwa hinsichtlich der Möglichkeiten der Verfestigung, des Familiennachzuges, der Erwerbstätigkeit oder dem Zugang zu sozialen Leistungen. Sofern für bestimmte Aufenthaltszwecke Sonderregelungen bestehen, befinden sich diese i. d. R. in dem Abschnitt für den jeweiligen Aufenthaltszweck. Nach dem in §§ 7 und 8 verankerten Trennungsprinzip zwischen den in Kapitel 2 Abschnitte 3 bis 7 näher beschriebenen Aufenthaltszwecken ist ein Ausländer regelmäßig darauf verwiesen, seine aufenthaltsrechtlichen Ansprüche aus den Rechtsgrundlagen abzuleiten, die der Gesetzgeber für die spezifischen vom Ausländer verfolgten Aufenthaltszwecke geschaffen hat.

7.1.1.0
Der Aufenthaltszweck ist aus dem Aufenthaltstitel ersichtlich. Bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis trägt die Ausländerbehörde den Erteilungsgrund in derselben Weise in das Klebeetikett ein, in der der Aufenthaltszweck im Ausländerzentralregister gespeichert wird. Die Eintragung ist im Feld für Anmerkungen vorzunehmen (§ 59 Absatz 3 AufenthV). Die abschließende Liste der möglichen Aufenthaltszwecke ergibt sich aus den Tabellenteilen 10 und 11 der Anlage zur DV-AZRG, die in ihrem wesentlichen Inhalt nachstehend abgedruckt ist:

7.1.1.1
Aufenthaltserlaubnis

7.1.1.1.1
A. Aufenthalte zum Zweck der Ausbildung nach

  1. § 16 Absatz 1 (Studium)
  2. § 16 Absatz 1a (Studienbewerbung)
  3. § 16 Absatz 4 (Arbeitsplatzsuche nach Studium)
  4. § 16 Absatz 5 (Sprachkurse, Schulbesuch)
  5. § 16 Absatz 6 (innergemeinschaftlich mobiler Student)
  6. § 17 (sonstige Ausbildungszwecke)

7.1.1.1.2
B. Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit nach

  1. § 18 (Beschäftigung)
  2. § 18a (Aufenthaltserlaubnis für qualifizierte Geduldete zum Zweck der Beschäftigung)
  3. § 20 Absatz 1 (Forscher)
  4. § 20 Absatz 5 (in einem anderen Mitgliedstaat zugelassener Forscher)
  5. § 21 (selbständige Tätigkeit)

7.1.1.1.3
C. Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen nach

  1. § 22 Satz 1 (Aufnahme aus dem Ausland)
  2. § 22 Satz 2 (Aufnahme durch Bundesministerium des Innern)
  3. § 23 Absatz 1 (Aufnahme durch Land)
  4. § 23 Absatz 2 (besondere Fälle)
  5. § 23a (Härtefallaufnahme durch Länder)
  6. § 24 (vorübergehender Schutz)
  7. § 25 Absatz 1 (Asyl)
  8. § 25 Absatz 2 (Genfer Flüchtlingskonvention)
  9. § 25 Absatz 3 (Abschiebungsverbot)
  10. § 25 Absatz 4 Satz 1 (dringende persönliche oder humanitäre Gründe)
  11. § 25 Absatz 4 Satz 2 (Verlängerung wegen außergewöhnlicher Härte)
  12. § 25 Absatz 5 (rechtliche oder tatsächliche Gründe)

7.1.1.1.4
D. Aufenthalt aus familiären Gründen nach

  1. § 28 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 (Familiennachzug zu Deutschen: Ehegatte)
  2. § 28 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 (Familiennachzug zu Deutschen: Kinder)
  3. § 28 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Satz 2 (Familiennachzug zu Deutschen: Elternteil)
  4. § 28 Absatz 4 (Familiennachzug zu Deutschen: Sonstige)
  5. § 30 (Ehegattennachzug)
  6. § 32 Absatz 1 Nummer 1 (Kindernachzug zu Asylberechtigten)
  7. § 32 Absatz 1 Nummer 2 (Kindernachzug im Familienverband)
  8. § 32 Absatz 2 (Kindernachzug über 16 Jahren)
  9. § 32 Absatz 2a (Kind eines langfristig Aufenthaltsberechtigten im Mitgliedstaat)
  10. § 32 Absatz 3 (Kindernachzug unter 16 Jahren)
  11. § 32 Absatz 4 (Kindernachzug im Härtefall)
  12. § 33 (Geburt im Bundesgebiet)
  13. § 36 Absatz 1 (Nachzug von Eltern)
  14. § 36 Absatz 2 (Nachzug sonstiger Familienangehöriger)

7.1.1.1.5
E. Besondere Aufenthaltserlaubnisse nach

  1. § 7 Absatz 1 Satz 3 (sonstige begründete Fälle)
  2. § 25 Absatz 4a (Opfer von Menschenhandel)
  3. § 31 Absatz 1, 2, 4 (eigenständiges Ehegattenaufenthaltsrecht)
  4. § 34 Absatz 2 (eigenständiges Aufenthaltsrecht von Kindern)
  5. § 37 Absatz 1 (Wiederkehr Jugendlicher und Heranwachsender)
  6. § 37 Absatz 5 (Wiederkehr Rentner)
  7. § 38 Absatz 1 Nummer 2, Absatz 2 und 5 (ehemalige Deutsche)
  8. § 38a (langfristig Aufenthaltsberechtigte anderer Mitgliedstaaten)
  9. § 104a Absatz 1 Satz 1 (Aufenthaltserlaubnis auf Probe)
  10. § 23 Absatz 1 Satz 1 i.V.m. § 104a Absatz 1 Satz 2 (gesetzliche Altfallregelung)
  11. § 23 Absatz 1 Satz 1 i.V.m. § 104a Absatz 2 Satz 1 (Altfallregelung für volljährige Kinder von Geduldeten)
  12. § 23 Absatz 1 Satz 1 i.V.m. § 104a Absatz 2 Satz 2 (Altfallregelung für unbegleitete Flüchtlinge)
  13. § 23 Absatz 1 Satz 1 i.V.m. § 104b (integrierte Kinder von Geduldeten)
  14. § 4 Absatz 5 (Assoziationsrecht EWG/ Türkei)
  15. Aufenthaltserlaubnis nach dem Freizügigkeitsabkommen EG/Schweiz für freizügigkeitsberechtigte Schweizerische Bürger
  16. Aufenthaltserlaubnis nach dem Freizügigkeitsabkommen EG/Schweiz für Angehörige von freizügigkeitsberechtigten Schweizerischen Bürgern

7.1.1.2
Niederlassungserlaubnis/unbefristeter Aufenthaltstitel nach

  1. § 9 (allgemein)
  2. § 9a (Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG)
  3. § 19 (Hochqualifizierte)
  4. § 21 Absatz 4 (drei Jahre selbständige Tätigkeit)
  5. § 23 Absatz 2 (besondere Fälle)
  6. § 26 Absatz 3 (Asyl/Genfer Flüchtlingskonvention nach drei Jahren)
  7. § 26 Absatz 4 (aus humanitären Gründen nach sieben Jahren)
  8. § 28 Absatz 2 (Familienangehörige von Deutschen)
  9. § 31 Absatz 3 (eigenständiges Aufenthaltsrecht der ausländischen Ehegatten)
  10. § 35 (Kinder)
  11. § 38 Absatz 1 Nummer 1 (ehemalige Deutsche)
  12. dem Freizügigkeitsabkommen EG/ Schweiz für freizügigkeitsberechtigte Schweizerische Bürger
  13. dem Freizügigkeitsabkommen EG/ Schweiz für Angehörige von freizügigkeitsberechtigten Schweizerischen Bürgern

7.1.2
Der Wechsel des Aufenthaltszwecks ist möglich, wenn im Aufenthaltsgesetz keine speziellen Ausschlussgründe genannt sind. Kommen mehrere Aufenthaltszwecke in Betracht, ist im Zweifel davon auszugehen, dass ein Ausländer denjenigen Aufenthaltstitel beantragt hat, der den weitest gehenden Berechtigungsgehalt – etwa mit Bezug auf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit und die Aufenthaltsverfestigung – vermittelt, sofern der entsprechende Erteilungstatbestand erfüllt ist, und hilfsweise ein Aufenthaltstitel für andere in Betracht kommende Zwecke beantragt wurde. Nach § 14 Absatz 2 Satz 1 BeschVerfV gilt die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zur Ausübung einer Beschäftigung im Rahmen ihrer zeitlichen Begrenzung auch für jeden weiteren Titel fort. Die Zustimmung gilt allerdings dann nicht fort, wenn ein Aufenthaltszweckwechsel vom völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Aufenthaltszweck zum Zwecke der Beschäftigung nach § 18 erfolgen soll.

7.1.2.1
Einschränkungen für einen Zweckwechsel bestehen während des Studiums (§ 16 Absatz 2) und während einer beruflichen Aus- oder Weiterbildung (§ 17 Satz 3). Inhaber eines Schengenvisums können ohne vorherige Ausreise nur dann in einen langfristigen Aufenthaltszweck überwechseln, wenn nach der Einreise ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels entstanden ist (§ 39 Nummer 3 AufenthV). Für Asylbewerber gilt § 10.

7.1.2.2
Beantragt ein Ausländer einen Aufenthaltstitel zu einem anderen Zweck, prüft die Ausländerbehörde, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für den neuen Aufenthaltszweck vorliegen, ob keine Ausschlussgründe eingreifen und übt, soweit erforderlich, Ermessen aus. Gibt sie dem Antrag statt, wird eine neue Aufenthaltserlaubnis ausgestellt. Im Fall der Ablehnung des Antrages gilt die alte Aufenthaltserlaubnis bis zum Ablauf ihrer Geltungsdauer weiter und kann auch bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen verlängert werden. Im Zweifel gilt die Verlängerung als mit beantragt, wenn die bisherige Aufenthaltserlaubnis zeitnah ausläuft. Für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Aufenthaltszweck als demjenigen, zu dem eine bestehende Aufenthaltserlaubnis bisher galt, findet die besondere Gebührenregelung des § 45 Nummer 3 AufenthV Anwendung, deren Formulierung allein zur Klarstellung des Unterschiedes zwischen einer völligen Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis einerseits und der Änderung des Aufenthaltszwecks andererseits gewählt wurde.

7.1.3
Ein Aufenthaltstitel nach § 7 Absatz 1 Satz 3 kann nur zu einem Zweck erteilt werden, der in Kapitel 2 Abschnitte 3 bis 7 nicht geregelt ist. Diese Zwecke lassen sich nicht abschließend aufzählen. Denkbar ist z. B., dass ein vermögender Ausländer sich in Deutschland niederlassen möchte, um hier von seinem Vermögen zu leben. Darüber hinaus handelt es sich um eine Auffangregelung für unvorhergesehene Fälle. Es gelten die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5. In allen Fällen, in denen auf § 7 Absatz 1 Satz 3 zurückgegriffen wird, ist unter Berücksichtigung der für und gegen den Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet sprechenden schutzwürdigen Individualinteressen des Ausländers und öffentlichen Interessen zu entscheiden. Sind spezielle Voraussetzungen, die für den angestrebten Aufenthaltszweck in gesetzlichen Sondertatbeständen festgelegt sind, nicht erfüllt, ist die zuständige Ausländerbehörde nicht berechtigt, weitere auf § 7 Absatz 1 Satz 3 gestützte Ermessenserwägungen anzustellen. So kann § 7 Absatz 1 Satz 3 nicht herangezogen werden, wenn dem Ausländer unter Anwendung von § 27 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder verlängert werden soll. Dies bedeutet aber nicht, dass § 7 Absatz 1 Satz 3 allein deshalb nicht angewendet werden kann, nur weil der Ausländer zu einem speziell geregelten Zweck einen Aufenthalt im Bundesgebiet anstreben könnte, es aber gar nicht will. So kann etwa § 7 Absatz 1 Satz 3 auf vermögende Pensionäre angewendet werden, deren erwachsene Kinder im Bundesgebiet leben, sofern keine familiäre Lebensgemeinschaft angestrebt wird, sondern nur reine Besuchsbegegnungen stattfinden sollen. Denn dann handelt es sich von vornherein nicht um einen beabsichtigten Aufenthalt aus familiären Gründen i. S. d. Kapitels 2 Abschnitt 6, so dass auch keine außergewöhnliche Härte i. S. d. § 36 vorliegen muss. In Betracht kommen etwa auch Fälle, in denen ein Drittausländer mit Wohnsitz in einem anderen Staat – auch ggf. einem Schengen-Staat – eine Ferienwohnung in Deutschland unterhält, in der er sich häufiger aufhält. Hinsichtlich der hierfür erforderlichen Erteilung eines Visums wird auf Nummer 6.4.2.3 hingewiesen. Eine Aufenthaltserlaubnis kann auch nach § 7 Absatz 1 Satz 3 erteilt werden, wenn ein Ausländer im Schengen- Raum reisen möchte, sein Antrag auf einen Aufenthaltstitel aber noch bearbeitet wird. Die entsprechende Fiktionsbescheinigung nach § 81 Absatz 3 Satz 1 würde zum Reisen im Schengenraum nicht berechtigen (vgl. näher Nummer 6.3.3). Die Aufenthaltserlaubnis ist dann mit dem Vermerk zu versehen:

„Vorläufige Aufenthaltserlaubnis unter dem Vorbehalt des Widerrufs."

Dem Ausländer ist aktenkundig mitzuteilen, dass die endgültige Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vorbehalten bleibt. Mit diesem Vermerk versehen, begründet die Aufenthaltserlaubnis keinen Vertrauensschutz (vgl. auch Nummer 8.1.2). Der vorläufig erteilte Aufenthaltstitel ist auf den voraussichtlichen Bearbeitungszeitraum zu befristen.

7.2 Befristung bzw. nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis

7.2.1
Mit der Maßgabe, die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen, hat die zuständige Behörde ausreichenden Spielraum, eine dem Einzelfall angemessene Befristung festzulegen. Die Befristung muss sich nicht auf die gesamte Dauer des beabsichtigten Aufenthalts erstrecken. Sie kann unter dem Gesichtspunkt der Überprüfung der Voraussetzungen auch vorzeitig enden.

7.2.2 Nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer

7.2.2.1
Eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung ist dann entfallen, wenn eine Erteilungsvoraussetzung des § 5 entfällt oder der Aufenthaltszweck, zu dem der Aufenthalt im Bundesgebiet erlaubt wurde, nicht durchgeführt wird, vorzeitig erfüllt oder sonst vorzeitig entfallen ist, ohne dass damit zugleich ein Ausweisungsgrund verwirklicht sein müsste. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der Ausländerbehörde ein weiter Ermessensbereich eröffnet, in dem sie eine sachgerechte Interessenabwägung vorzunehmen hat. Zu berücksichtigen ist jedoch, ob der nachträglichen Verkürzung der Geltungsdauer des Aufenthaltstitels spezielle Vorschriften entgegenstehen, die den Anwendungsbereich des § 7 Absatz 2 Satz 2 einschränken.

7.2.2.1.1
Der Wegfall einer Erteilungs- bzw. Verlängerungsvoraussetzung i. S. d. Vorschrift kann etwa in der Beendigung der Lebensgemeinschaft eines Ausländers mit seinem im Bundesgebiet lebenden Ehegatten oder in der dauernden Aufhebung einer sonstigen für den Fortbestand des Aufenthaltszwecks erheblichen familiären Lebensgemeinschaft liegen. Diese Umstände sind insoweit wesentlich, als die Voraussetzungen für einen Familiennachzug nun nicht mehr vorliegen. Wesentlich im gesetzlichen Sinne ist diese Voraussetzung allerdings nur dann, wenn sich nicht aus anderen Gründen eine gesetzliche Möglichkeit ergibt, den Aufenthaltstitel zu verlängern. Dies ist etwa dann zu bejahen, wenn die Voraussetzungen für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht bereits vorliegen oder die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit vorliegen und die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat, soweit dies nach den allgemeinen Regeln erforderlich ist.

7.2.2.1.2
Auch Aufenthaltsrechte, die auf Europäischem Gemeinschaftsrecht beruhen (z. B. Aufenthaltsrechte nach Artikel 6 Absatz 1, Artikel 7 ARB 1/80) können einer nachträglichen Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis entgegenstehen. Dies ist nicht der Fall bei § 38a, da Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe b) der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. EU 2004 Nummer L 16 S. 44, so genannte Daueraufenthalt- Richtlinie) den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, den Aufenthaltstitel bei Wegfall der Voraussetzungen nachträglich zu beenden.

7.2.2.1.3
Bei der Ermessensausübung können etwa die in § 55 Absatz 3 genannten Gesichtspunkte Gewicht haben. Liegen Ausweisungsgründe vor, sind diese in die Ermessenserwägungen auch unter dem Gesichtspunkt einzubeziehen, ob anstelle der Ausweisung die nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis als mildere Maßnahme in Betracht kommt.

7.2.2.2
Sind wesentliche Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis entfallen, darf dies in die Ermessenserwägungen mit einbezogen werden, es sei denn, dass die Aufenthaltserlaubnis auf einem gesetzlichen Anspruch beruht. Sofern kein gültiger Pass oder Passersatz vorliegt (§ 5 Absatz 1, § 3 Absatz 1), ist § 52 Absatz 1 Nummer 1 anzuwenden.

7.2.2.3
Wurde der Aufenthaltstitel durch unzutreffende Angaben erschlichen (z. B. Vortäuschen einer ehelichen Lebensgemeinschaft) und wurden diese Angaben der Erteilung eines Aufenthaltstitels maßgeblich zugrunde gelegt, kommt neben strafrechtlichen Sanktionen die Rücknahme des Aufenthaltstitels nach Verwaltungsverfahrensrecht in Betracht. § 7 Absatz 2 Satz 2 ist nicht anwendbar, da die Erteilungsvoraussetzungen nicht nachträglich entfallen sind, sondern nie vorgelegen haben. Die Möglichkeit der Rücknahme hängt nicht davon ab, ob wegen einer nachweislichen Täuschungshandlung eine strafrechtliche Verurteilung bereits erfolgt ist. Bei Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung lebt der ehemalige Aufenthaltstitel nicht wieder auf. In diesen Fällen ist nicht über die Rücknahme eines Aufenthaltstitels, sondern über die Erteilung eines Aufenthaltstitels bzw. über die Beendigung des Aufenthalts zu entscheiden.

7.2.2.4
Die nachträgliche zeitliche Verkürzung der Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis darf nicht rückwirkend verfügt werden. Sie darf frühestens auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe festgelegt werden. Da erst nach diesem Zeitpunkt die Ausreisepflicht beginnt, darf die in der Abschiebungsandrohung zu bestimmende Ausreisefrist erst nach der zeitlichen Verkürzung des Aufenthalts beginnen.

7.2.2.5
Die nachträgliche zeitliche Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis bedarf der Schriftform (§ 77 Absatz 1 Satz 1).

7.2.2.6
Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die nachträgliche zeitliche Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis haben aufschiebende Wirkung (§ 80 Absatz 1 VwGO). Die aufschiebende Wirkung dieser Rechtsbehelfe bewirkt zwar nicht, dass die Ausreisepflicht entfällt (vgl. § 84 Absatz 2 Satz 1), sie ist jedoch nicht vollziehbar (vgl. § 58 Absatz 2 Satz 2). Die Ausreisepflicht ist jedoch vollziehbar, wenn gemäß § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 VwGO die sofortige Vollziehung einer Verfügung nach § 7 Absatz 2 Satz 2 angeordnet wird oder in den Fällen des § 80b Absatz 1 VwGO. Mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss ein besonderes, über die Voraussetzung für die Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis hinausgehendes öffentliches Interesse vorliegen (z. B. Wiederholungsgefahr, Ausschreibung zur Einreiseverweigerung im SIS). Es ist bei Täuschungshandlungen zu berücksichtigen, dass nicht der Eindruck erweckt werden darf, dass Ausländer trotz einer nachweisbaren Täuschung ein – wenn auch unsicheres – Aufenthaltsrecht erwirken können und somit im Ergebnis gegenüber Ausländern, die richtige Angaben machen, einen Vorteil haben.

7.2.2.7
Grundsätzlich kann von einer nachträglichen zeitlichen Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis abgesehen werden, wenn deren Geltungsdauer nur noch sechs Monate beträgt und keine gewichtigen Gründe für eine (umgehende) Entfernung des Ausländers aus dem Bundesgebiet vorliegen (z. B. Wiederholungsgefahr, Ausschreibung zur Einreiseverweigerung im SIS). Im Hinblick auf eine sofortige Durchsetzung der Ausreisepflicht kann mit der nachträglichen Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis und durch die Ausgestaltung der Nebenbestimmung mit einer Frist zur Ausreise, die mindestens 14 Tage betragen soll, die Abschiebung ohne Androhung und Fristsetzung in Betracht kommen.

7.2.2.8
Die Ausreisefrist darf erst zu einem Zeitpunkt beginnen, in dem der Ausländer den Aufenthaltstitel gemäß § 84 Absatz 2 nicht mehr besitzt.