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Deutschand ist nicht automatisch für die Prüfung der Asylbegehren von Flüchtlingen aus Griechenland zuständig

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Der EuGH hat in der Rechtssache Kaveh Puid (C-4-11) mit Urteil vom 14.11.20113 entschieden, dass ein Mitgliedstaat verpflichtet ist, einen anderen für die Prüfung des Asylbegehrens zuständigen Mitgliedstaat zu ermitteln, wenn der Asylbewerber nicht an den für die Prüfung des Asylantrags ansich zuständige Mitgliedstaat überstellt werden kann, weil dort die Gefahr einer Verletzung der Grundrechte des Asylbewerbers besteht. Der Mitgliedstaat ist hingegen grundsätzlich nicht verpflichtet, den Antrag selbst zu prüfen, sofern ein anderer zuständiger Mitgliedstaat nach den Bestimmungen der Dublin-II-Verordnung zu ermitteln ist.

Die Dublin-II-Verordnung führt die Kriterien an, nach denen bestimmt werden kann, welcher Mitgliedstaat für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist. Grundsätzlich ist insoweit nur ein Mitgliedstaat zuständig. Für den Fall, dass ein Asylbewerber seinen Asylantrag in einem Mitgliedstaat stellt, der nicht der von der Verordnung als zuständig bestimmte Mitgliedstaat ist, sieht die Verordnung ein Verfahren zur Überstellung des Asylbewerbers an den zuständigen Mitgliedstaat vor. Allerdings kann der Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, in dieser Situation entscheiden, den Asylbewerber nicht an den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen und den Antrag selbst zu prüfen.

Herr Puid, der iranischer Staatsangehöriger ist, reiste illegal über Griechenland nach Deutschland ein. Sein in Deutschland gestellter Asylantrag wurde mit der Begründung für unzulässig erklärt, der gemäß der Verordnung für die Prüfung dieses Antrags zuständige Mitgliedstaat sei Griechenland. Infolgedessen wurde Herr Puid an diesen Staat überstellt. Er erhob jedoch gegen den Bescheid über die Zurückweisung seines Antrags Klage beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, das der Klage stattgab. Das Verwaltungsgericht war der Ansicht, dass Deutschland in Anbetracht der Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern und die Bearbeitung von Asylanträgen in Griechenland zur Prüfung des Antrags verpflichtet gewesen sei. In der Folge wurde Herrn Puid von den deutschen Behörden die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.

Vor diesem Hintergrund ersucht der Hessische Verwaltungsgerichtshof, der mit einer Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main befasst ist, den Gerichtshof um Erläuterungen zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der den Asylantrag zu prüfen hat. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die Verordnung dem Asylbewerber einen Anspruch verleiht, kraft dessen er von einem Mitgliedstaat die Prüfung seines Antrags verlangen kann, wenn dieser Staat ihn aufgrund der Gefahr einer Verletzung seiner Grundrechte nicht an den ursprünglich als zuständig bestimmten Mitgliedstaat überstellen kann.

In seinem Urteil vom heutigen Tag weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass ein Mitgliedstaat verpflichtet ist, einen Asylbewerber nicht an den ursprünglich als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, wenn die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern in dem ursprünglich bestimmten Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.

Der Gerichtshof stellt hierzu fest, dass ein Mitgliedstaat in einer solchen Situation den Antrag gemäß der Verordnung selbst prüfen kann. Allerdings stellt der Gerichtshof klar, dass dieser Mitgliedstaat, wenn er von dieser Befugnis keinen Gebrauch machen möchte, grundsätzlich nicht zur Prüfung des Antrags verpflichtet ist. In diesem Fall hat er den für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat zu ermitteln, indem er die Prüfung der in der Verordnung angeführten Kriterien fortführt. Gelingt es ihm nicht, den zuständigen Mitgliedstaat festzustellen, ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Schließlich betont der Gerichtshof, dass der Mitgliedstaat, in dem sich der Asylbewerber befindet, darauf zu achten hat, dass eine Situation, in der dessen Grundrechte verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Daher muss er den Antrag erforderlichenfalls selbst prüfen.