Kommentierung gesetzlicher Verfahrensvorschriften: FGG, FEVG, FamFG, Formvorschriften

FamFG § 425 Abs. 3, § 417 Abs. 2; GG Art. 103 Abs. 1
Ein in dem Antrag auf Verlängerung der Abschiebungshaft in Bezug genommener Haftantrag muss dem Betroffenen vor seiner Anhörung ausgehändigt werden. Un-terbleibt dies, wird die darin liegende Verletzung des Anspruchs des Betroffenen auf rechtliches Gehör bei der Entscheidung über die Haftverlängerung nicht dadurch behoben, dass dem Betroffenen die richterliche Haftanordnung ausgehändigt worden ist, auch wenn in jenem Beschluss der von der Ausländerbehörde vorgetragene Sachverhalt dargestellt ist (Fortführung von Senat, Beschluss vom 3. November 2011 - V ZB 169/11 -, Rn. 6, juris).

Zu § 418 FamFG:
AufenthG § 62 Abs. 1
Eine Beistandsgemeinschaft zwischen dem Ausländer und seiner aufenthaltsberechtigten Lebensgefährtin oder mit deren minderjährigen Kindern kann dazu führen, dass sich eine Anordnung oder eine Verlängerung der Abschiebungshaft als unverhältnismäßig darstellt.
FamFG § 26
Das Gericht hat vor dem Hintergrund der Pflicht zur Amtsermittlung zu prüfen, ob es erforderlich ist, die Lebensgefährtin des Ausländers zu dessen Vorbringen zum Bestehen einer Beistandsgemeinschaft anzuhören oder als Zeugin zu vernehmen.

Bei einer Zurückschiebung nach der Dublin-II-Verordnung muss auch ausgeführt werden, dass und weshalb der Zielstaat nach der Verordnung zur Rücknahme verpflichtet ist. Das wiederum bestimmt sich wesentlich danach, in welchem in der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Verfahren die Zurückschiebung erfolgen soll, insbesondere ob eine Aufnahme nach Art. 10, 16 Abs. 1 Buchstabe a der Dublin-II-Verordnung oder eine Wiederaufnahme nach Art. 4 Abs. 5 oder Art. 16 Abs. 1 Buchstabe c bis e jeweils in Verbindung mit Art. 20 Dublin-II-Verordnung betrieben werden soll. Demgemäß kann der Richter in die Prüfung, ob eine Zurückweisung in den angegebenen Zielstaat durchführbar ist, erst eintreten, wenn ihm mitgeteilt wird, welches Verfahren zur Durchführung der Zurückschiebung beabsichtigt ist.

  1. Der Senat hat bereits entschieden, dass es für die Zulässigkeit eines im Beschwerdeverfahren gestellten Antrags des Betroffenen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Inhaftierung ohne Bedeutung ist, ob sich die Hauptsache vor der Entscheidung des Beschwerdegerichts im Rechtssinne erledigt oder ob die Freiheitsentziehung - wie hier - durch die Entscheidung des Beschwerdegerichts beendet wird. In dem zuletzt genannten Fall kann der Betroffene neben der Aufhebung der Haftanordnung analog § 62 Abs. 1 FamFG die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Inhaftierung verlangen (Beschluss vom 14. Oktober 2010 – V ZB 78/10, FGPrax 2011, 39).
  2. Das gilt auch dann, wenn sich die Verletzung seiner Rechte der Begründung entnehmen lässt, mit der die Haftanordnung aufgehoben worden ist. Denn die Begründungselemente einer Entscheidung stehen, weil sie der materiellen Rechtskraft nicht fähig sind, einer im Tenor getroffenen Feststellung nicht gleich.
  1. Der angefochtene Beschluss konnte keinen Bestand haben, weil die Abschiebungshaft in der JVA Wiesbaden nicht getrennt von Untersuchungshäftlingen durchgeführt wird.
  2. Da § 62 a AufenthG die Umsetzung der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 in nationales Recht darstellt, hat die Auslegung der Norm richtlinienkonform zu erfolgen. Die richtlinienkonforme Auslegung von § 62 a Abs.1 S.2 AufenthG ergibt aber, dass Abschiebehäftlinge auch getrennt von Untersuchungshäftlingen in der jeweiligen Justizvollzugsanstalt unterzubringen sind.

Ein Ausländer, der die verhängte Abschiebehaft aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen für unzulässig hält, kann seine Entlassung nicht mit einem Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zur Rücknahme des Haftantrags im Verwaltungsrechtsweg verfolgen. Der Haftrichter ist für die Beurteilung der Haftgründe zuständig, das Verwaltungsgericht hingegen für die Prüfung, ob die Ausländerbehörde die zu sichernde Abschiebung zu Recht betreibt, ob also der Ausländer ausreisepflichtig ist und die Abschiebungsvoraussetzungen gegeben sind (OVG des Saarlandes, 2 B 365/09, B. v. 6.7.2009).

  1. Für die Beschwerde über den Vollzug der Zurückschiebungshaft ist grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Einzelmaßnahmen des Vollzugs sind grundsätzlich nicht Entscheidungsgegenstand des Freiheitsentziehungsverfahrens der ordentlichen Gerichtsbarkeit.
  2. Allein der Umstand, dass der Betroffene während der Freiheitsentziehung außerhalb seiner Zelle auch auf Untersuchungs- oder Strafhäftlinge treffen konnte, lässt angesichts der allenfalls geringen Rechtsbeeinträchtigung den Vollzug nicht so mangelhaft erscheinen, dass dadurch auch die Anordnung der Freiheitsentziehung an sich infiziert werden könnte.

Unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens ist es, dass Haftentscheidungen auf zureichender richterlicher Aufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht.
Dies gilt auch für einstweilige Haftanordnungen.

  1. Den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung genügt ein Haftantrag nur dann, wenn die in § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG genannten Punkte in dem Antrag behandelt werden. 
  2. Die in § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5 FamFG geforderten Darlegungen zu der Erforderlichkeit der beantragten Haftdauer und zu der Durchführbarkeit der Abschiebung innerhalb dieser Haftdauer fehlen. Zwar heißt es in dem Antrag, dass die Dauer der Haft die üblichen Reisevorbereitungen, insbesondere die Passersatzbeschaffung und die Flugbuchung berücksichtige. Aber dieser stereotype Satz, den die beteiligte Behörde in dem weiteren Haftantrag vom 27. Dezember 2010, der Gegenstand des Verfahrens V ZB 236/11 ist, ebenfalls verwendet hat, reicht nicht aus.

Ein Rechtsmittel bedarf nach § 64 Abs. 2 Satz 4 FamFG auch dann einer Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Bevollmächtigten, wenn es im Rahmen einer richterlichen Anhörung eingelegt wird.