Zuständigkeit, Haftkosten, Haftaufhebungsanträge, Feststellungsinteresse der Behörde, Haftzweck

Zur Problematik der örtlichen Zuständigkeit eines Amtsgerichts bei Überstellung aus dem Ausland

Ein Amtsgericht ist zum Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung örtlich zuständig, wenn sich im Falle einer Rücküberstellung aus dem Ausland der Flughafen im Gerichtsbezirk des Amtsgerichts befindet und damit das Bedürfnis für die Freiheitsentziehung dort im Rahmen der Überstellung entsteht, § 416 FamFG.

Der aufzuhebende Beschluss des Amtsgerichtes ist als Anlage beigefügt.

Zum Zweck einer Abschiebungshaft und zu den Haftgründen

  1. Die auf die Beendigung der Aufenthaltserlaubnis und den meldebehördlichen Vermerk „Fortzug nach unbekannt...“ gestützte Vermutung der Polizei, dass die Betroffenen gegen ausländerrechtliche Vorschriften verstoßen haben könnte, reicht weder für die Annahme aus, die Betroffene solle abgeschoben werden noch für die Annahme, es bestehe ein Haftgrund im Sinne des § 57 AuslG (jetzt § 62 AufenthG).
  2. Die Abschiebungshaft darf keinesfalls zu einer Art „Ersatzstrafe“ werden.
Zur örtlichen Zuständigkeit haftantragstellender Behörden
  1. Ein zulässiger Antrag auf Anordnung von Abschiebungs- Zurückschiebungs- oder Zurückweisungshaft, der nach § 3 FEVG (§ 417 FamFG) zwingende Verfahrensvoraussetzung und in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen ist, muss von der örtlich zuständigen Behörde gestellt werden.
  2. Ein von der örtlich unzuständigen Behörde gestellter Antrag hat die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung zur Folge.
  3. Die zuständige Ausländerbehörde am Aufgriffsort ist nach § 62 Abs. 4 AufenthG nicht nur für die Festhaltung und Ingewahrsamnahme des aufgegriffenen Ausländers zuständig, sondern auch für den Antrag auf Anordnung der Sicherungshaft nach § 417 Abs. 1 FamFG.


Die Kommentierung bezieht sich auf folgende Entscheidungen:

  • OLG München, Beschl. v. 28.09.2006 - 34 Wx 115/06 -
  • OLG Köln, Beschl. v.15.10.2008 - 16 Wx 215/08 -
  • OLG Köln, Beschl. v. 08.05.2007 - 16 Wx 107/07 -
  • OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.05.2008 - 14 Wx 10/08 -
  • KG Berlin, Beschl. v. 25.08.2006 - 25 W 70/05 -
  • KG Berlin, Beschl. v. 16.02.1998 - 25 W 7870/97 -
  • OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 13.11.1998 - 20 W 442/98 -; Beschl. v. 14.12.2009 - 20 W 289/09 -
  • BGH, Beschl. v. 30.03.2010 - V ZB 79/10 - (LG Berlin, Beschl. v. 10.02.2010 - 84 T 434/09 B - 9); Beschl. v. 18.03.2010 - V ZB 194/09 -;Beschl. v. 28.04.2011 - V ZB 140/10 -; Beschl. v. 13.10.2011 - V ZB 13/11 -
  • BVerfG, Beschl. v. 04.10.2010 - 2 BvR 1825//08 -; Beschl. v. 13.07.2011 - 2 BvR 742/10 -

Stand: 29.11.2011

Beschluss OLG Hamm vom 11.09.2008 (Az.: 15 Wx 254/08) zur Zulässigkeit eines Haftaufhebungsantrages gem. § 10 Abs. 2 FEVG


Die sofortige weitere Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Beschluss BGH vom 18.09.2008 - V ZB 129/08 und Beschluss OLG Saarland vom 15.10.2007 - 5 W 264/07 - 89, 5 W 264/07 - sind als Anlage beigefügt.

Zum Erfordernis der erneuten Anordnung von Haft
beim Scheitern der Abschiebung
  1. Eine Abschiebungshaftanordnung verliert ihre Wirksamkeit, wenn der konkrete Abschiebungsversuch vorzeitig abgebrochen werden muss und der Betroffene dies nicht zu vertreten hat. In diesem Fall bedarf es zum weiteren Vollzug der Freiheitsentziehung einer neuen richterlichen Entscheidung (OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 30.01.2009 ‐ 20 W 154/08 ‐)
  2. Ein Scheitern der Abschiebung i.S.v. § 62 Abs. 2 Satz 5 AufenthG liegt nicht vor, wenn ein für die Luftabschiebung ursprünglich vorgesehener Termin noch vor Beginn des Vollzugs verlegt wird (OLG München, Beschluss vom 8.10.2009 ‐ 34 Wx 064/09 und 065/09 ‐).

Ergänzt:
BVerfG, Beschluss vom 23.09.2010 - 2 BvR 1143/08 -

Stand: 06.01.2012

Zur Frage der Notwendigkeit eines Antrages (ausdrücklich oder konkludent), wenn das Rechtsmittel nach Erledigung der Hauptsache (hier: durch Abschiebung) zum Zwecke der Fortsetzungsfeststellung oder zur Herbeiführung einer Kostenentscheidung genutzt werden soll.
Zum fehlenden Rechtsschutzinteresse an einer Fortsetzungsfeststellung bei nicht vollzogener Überhaft-Anordnung.
Zum Rechtsschutzinteresse für eine Fortsetzungsfeststellung

  1. Wird die Abschiebungshaft nach einem Haftzeitraum von sechs Monaten verlängert, und zwar trotz eines nur 16 Tage nach der Entscheidung anstehenden Abschiebungstermins erneut für die Dauer von drei Monaten, so besteht ein Rechtsschutzbedürfnis des zum vorgesehenen Termin abgeschobenen Ausländers, mit der Beschwerde eine nachträgliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung herbeizuführen, nur im Hinblick auf die Verlängerungsanordnung als solche, nicht jedoch hinsichtlich der über den Abschiebungstermin hinausgehenden Haftzeitbestimmung.
  2. Insoweit fehlt es an einem Eingriff in das Freiheitsgrundrecht des Betroffenen, weil die Abschiebungshaft ihrem Zweck entsprechend mit dem Vollzug der Abschiebung endet.
Zur Frage eines vorbeugenden Rechtsschutzes in Abschiebungshaftsachen
  1. Gegenüber einem nicht gestellten, von dem Betroffenen erwarteten Antrag der Verwaltungsbehörde auf Anordnung der Haft ist die Gewährung von vorbeugendem Rechtsschutz in der Form eines Antrages auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der künftigen Verhängung von Abschiebungshaft unzulässig.
  2. Dies gilt ebenso in Bezug auf eine nicht vollzogene, von dem Betroffenen lediglich befürchtete haftvorbereitende behördliche Ingewahrsamnahme.
Fehlendes Feststellungsinteresse der antragstellenden Behörde

Hat sich das Verfahren nach Haftaufhebung durch Vollzug der Abschiebung in der Hauptsache erledigt, so besteht für die antragstellende Behörde kein Rechtsschutzbedürfnis mehr für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufhebung der Haftanordnung.