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?Wer in Deutschland leben will, muss doch Deutsch können!?

So lautet die landläufige Meinung und wird oft auch schriftlich wiederholt, obwohl sie einer rechten, nämlich rechtlichen Betrachtung nicht Stand zu halten vermag. Beginnen wir bei dem ?richtigen? deutschen Staatsangehörigen, der hier von deutschen Eltern erzogen und in einer deutschen Schule mit der deutschen Sprache vertraut gemacht worden ist. Er beherrscht die deutsche Sprache und wird dies bei jeder Meinungsumfrage für sich voll bestätigen. Nun braucht man nicht zu den kritischen Betrachtern unserer Kulturszene zu gehören, die neuerdings einen großen Teil der Fernsehkanäle und der Printmedien der Unterschichtenbevölkerung zuordnen wollen, aber man kann doch mit Fug und Recht bezweifeln, ob alle Deutschen Deutsch beherrschen.

Richtiges Visum trotz falscher Absicht?

Die Einreisekontrolle liegt in der Hand des Bundes in Gestalt der Auslandsvertretungen und der Grenzbehörden. Die Eintrittskarte ist das Visum, das Konsulate und Botschaften ausstellen. Eine Einreise und ein Aufenthalt, die nicht durch ein Visum gedeckt sind, können strafbar sein. Wer dazu anstiftet oder Beihilfe leistet, macht sich als Schleuser strafbar. Diese Grundsätze erscheinen einfach und nachvollziehbar ? sie sind es aber nicht. (Daran haben auch die zahllosen Berichte über den Visa-Untersuchungsausschuss in den letzten Monaten nichts zu ändern vermocht!)

Der Bundesgerichtshof hat Pressemeldungen zufolge jetzt entschieden (BGH, 2 StR 457/04), dass als Schleuser nicht bestraft werden kann, wer Ausländerinnen (aus Russland, Litauen und der Ukraine) bei der Einreise und beim Aufenthalt behilflich ist, die mit einem Touristenvisum nach Deutschland eingereist sind und hier als Prostituierte arbeiten wollten (Az. 2 StR 457/04). Für die Strafbarkeit komme es nicht auf die Richtigkeit des Visums an, eine wirksam erteilte Aufenthaltsgenehmigung sei auch dann als wirksam zugrunde zu legen, wenn sie rechtsmissbräuchlich erlangt sei.

Dauerduldung ade?

Die Geschichte der Duldung ist wechselvoll und unberechenbar ? wie das Wetter aus der Hand von Kachelmann. Die Duldung ist so alt wie die Rechtsordnung ? älter jedenfalls als Schwarzbauten im Naturschutzgebiet und Ausländer ?ohne Papiere?, die man allesamt als ilegal zu bezeichnen pflegt und ? duldet. Die aufenthaltsrechtliche Duldung fristete zunächst unter dem Regime der Ausländerpolizeiverordnung von 1938 und des Ausländergesetzes von 1965 ein friedliches Dasein. Es herrschte Kalter Krieg, und jeder, der sich bei der Abstimmung mit den Füßen nach Westen wandte, war hier herzlich ? nein, nicht willkommen, sondern ? geduldet. Lange Zeit waren alle mit dieser illegalen Lösung zufrieden, bis sich die ersten Einheimischen unwohl fühlten unter so vielen Geduldeten aus dem Osten und ganz unduldsam zu werden begannen. Wähnten sie doch hinter den politischen Vorwänden die schlimmsten Motive, die man sich ausmalen konnte: wirtschaftliche.

Von der Duldung zur Aufenthaltserlaubnis oder zur Abschiebung?

Die Erscheinung der Kettenduldungen begleitet das Ausländerrecht seit Jahrzehnten. Deshalb beschloss der Gesetzgeber des neuen Zuwanderungsrechts, damit endlich Schluss zu machen, um Ausreisepflichtigen eine vernünftige Lebensperspektive zu eröffnen. Im Grunde genommen gibt es nur zwei Möglichkeiten außerhalb des in jeder Weise unbefriedigenden Lebens in der Illegalität: Legalisierung oder Ausreise. Doch das ist leichter gesagt als getan. Deswegen hat es auch der Gesetzgeber des Jahres 2004 nicht geschafft, das Traumziel zu erreichen und  nur noch diese beiden Alternativen zu lassen.

Über interkulturelles Leben lässt sich trefflich reden. Dagegen sind Konflikte beim Aufeinandertreffen unterschiedlicher kultureller und religiöser Auffassungen und Lebensweisen weniger angenehm und können mit Eloquenz allein nicht gelöst werden. Das Leben in und zwischen Kulturen ist nicht so neu, wie mancher Integrationsexperte der neuen Art glauben machen will. Christen und Muslime haben es in Nordafrika und im Nahen Osten jahrtausendelang praktiziert ? gelegentlich unterbrochen durch Kreuzzüge, Libanonkrieg oder andere meist von außen hereingetragene gewaltsamen Auseinandersetzungen. 

Wöchentliche Kolumnen von Professor Dr. Günter Renner.

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