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Integration und Belastung ? ein ewiges Gleichgewichtsspiel?

?Integration ist schön ? macht aber Arbeit? ? mit diesem Motto betitelte die Beauftragte der Bundesregierung ein Plakat mit einem noch nicht vollendeten Strick- oder Häkelwerk, als sie nur für ?Ausländerfragen? zuständig war und noch nicht wie neuerdings für Migration, Flüchtlinge und Integration. Ihr Aufgabenbereich (§ 93 AufenthG) ist beachtlich, umfasst aber keine ähnlich konkreten und selbständigen Integrationsmaßnahmen, wie sie dem Nürnberger Bundesamt zugedacht sind, das allerdings nur ?für Migration und Flüchtlinge? (§ 75 AufenthG) verantwortlich ist. Vergleicht man die vielfältigen Integrationsfelder im Katalog der Beauftragten mit dem Inhalt der Integrationskurse, so wird deutlich, dass Deutschkenntnisse eben nur als Grundangebot (so § 44 II 1 AufenthG) zur Förderung einer besseren Integration taugen können. Wenn man schließlich diejenigen Bevölkerungsgruppen außer Betracht lässt, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen für besondere Integrationsangebote von vornherein nicht zur Verfügung stehen ? also die große Mehrheit der derzeitigen ausländischen Wohnbevölkerung in Deutschland ?, dann findet man schon eher eine verwertbare Ausgangslage, an der nach einigen Jahren ein Erfolg der jetzt in Gang gesetzten Integrationsmaßnahmen gemessen werden kann.

Im Deutschen Bundestag wurde zum wiederholten Male heftig um die Grundsätze der deutschen Migrationspolitik gerungen. Der Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion begann mit grundsätzlichen Ausführungen:

?Wir brauchen in einer ganz neuen Weise, um uns über alle Grenzen hinaus als Einheit zu erleben, den wandernden Menschen. Wir brauchen ihn, weil es Menschen geben muss, die allen festen Gewohnheiten zum Trotz auch in diesem Bereich den Mut zur Änderung und zum Neubeginn aufbringen ? nicht nur um die Zufälligkeiten und Spannungen der Bevölkerungsentwicklung auszugleichen, sondern auch um die Welt als den Lebensraum der einen Menschheit aufzubauen. Die Bedeutung der Wanderung liegt also nicht nur in dem Aufbruch in die Welt des Abenteuers und des Unbekannten, sondern in der Erfahrung der einen Welt, die immer mehr zur Binnenwelt wird und die ihrerseits gerade als Voraussetzung den mobilen Menschen fordert. Der wandernde Mensch manifestiert und vollzieht ein Stück unersetzlicher Freiheit.?

Vordergründig haben die politischen Debatten der letzten Tage nichts mit Zuwanderung zu tun, doch manchem bewussten homo politicus dämmert die Erkenntnis: Mit dem neuen Zuwanderungsrecht ist Migrationspolitik in und für Deutschland nicht beendet, sondern der Streit um den Lebensstandort Deutschland hat jetzt erst richtig begonnen. Die Frage kommt auf: Weniger Steuern für reiche Ausländer im Armutsland Deutschland?

Politik lebt von Schlagwörtern und einprägsamen Formeln. Auch zur Kennzeichnung von Menschen auf Wanderschaft werden aussagekräftige Begriffe gesucht. Anders lässt sich der gewünschte Paradigmenwechsel nicht vorbereiten und vollziehen. Nichts sagt mehr aus über den Stand der Politik und das gesellschaftliche Bewusstsein als die formelhaften Parolen einer Zeit. Allein der Wandel in der Bezeichnung Nichtdeutscher in den letzten 100 Jahren markiert die radikale Wende der Politik. Aus dem ?Fremden? zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelten die Nazis den ?Fremdarbeiter?, der später ?Zwangsarbeiter? genannt werden sollte. In der sich weltoffen gebenden jungen Bundesrepublik waren ?Fremde? bald verpönt und wurden durch ?Ausländer? ersetzt, die anfangs aber nur in der Erscheinungsform des ?Gastarbeiters? geduldet wurden. Integration war ebenso unerwünscht wie Einbürgerung. Mit offenem Beifall konnte rechnen, wer als Wissenschaftler die Zulassung von Ausländern zum Staatsgebiet als ?Völkermord? bezeichnete oder als Ministerpräsident ankündigte: ?Kein Türke kommt mir mehr ins Land.?

Am 5. August 2004 erscheint das Zuwanderungsgesetz vom 30. Juli 2004 im Bundesgesetzblatt. Am 3, September 2004 legt die Bundesregierung dem Bundesrat den (besonders eilbedürftigen) Entwurf für ein Gesetz zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes und weiterer Gesetze vor (BR-Drs. 662/04), Der Bundestag nimmt den Entwurf (BT-Drs. 15/73784 u. 15/3984) am 11. November 2004 an, der Bundesrat ruft am 26. November 2004 den Vermittlungsausschuss an (BT-Drs. 15/4378). Dieser kann sich auch am 15. Dezember 2004 auf keine Empfehlung einigen (BR-Drs. 987/04). Daraufhin versagt der Bundesrat am 17. Dezember 2004 seine Zustimmung (BT-Drs. 15/4576). Das war die erste Runde...

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