Sollte der Whistleblower Snowden nach Deutschland kommen, um vor einem Untersuchungsausschuss auszusagen, so hätte er keinen Anspruch auf Asyl oder Flüchtlingsschutz, der ihn nicht vor einer Auslieferung in die USA schützen könnte.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 16a Abs. 1 GG ist eine Verfolgung dann eine politische, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Dies gilt indes dann nicht, wenn die staatliche Maßnahme allein dem – grundsätzlich legitimen – staatlichen Rechtsgüterschutz, wie der Ahndung krimineller Taten dient. Das Asylgrundrecht gewährt keinen Schutz vor drohenden (auch massiven) Verfolgungsmaßnahmen, die keinen politischen Charakter haben.
Auch eine danach nicht asylerhebliche Strafverfolgung kann in politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstände darauf schließen lassen, dass der Betroffene wegen eines asylerheblichen Merkmals eine härtere als die sonst übliche Behandlung erleidet (so genannter Politmalus). In Bezug auf den Snowden-Fall ist aber nicht erkennbar, dass die amerikanische Justiz den Fall des Geheimnisverrates aus politischen Gründen oder anderen asylerheblichen Merkmalen anders behandelt, als sonstige Fälle. Allein der Umstand, dass der Fall ein „Politikum" darstellt, ist nicht ausreichend, um einen „Politmalus" im Strafverfahren zu unterstellen. Denn auch in anderen Strafverfahren, wie etwa dem Abu-Ghuraib-Folterskandal, der als Folteraffäre während der Besetzung des Irak durch die Streitkräfte der Vereinigten Staaten, weltweites Aufsehen erregte, ist ein Politmalus nicht erkennbar geworden. So wurde der Rädelsführer Charles Graner in den USA von einem Militärgericht zu zehn Jahren Haft verurteilt und nach sechseinhalb Jahren wegen guter Führung entlassen. Die auf vielen Bildern posierende Lynndie England wurde zu drei Jahren Haft verurteilt und wurde nach weniger als zwei Jahren aus der Haft entlassen.
Diese Grundsätze gelten nicht nur für das Asylgrundrecht, sondern auch für Verfahren, die auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG in Verbindung mit § 60 Abs. 1 AufenthG gerichtet sind.
Problematisch bleibt allenfalls eine drohende Todesstrafe. Diese begründet ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 3 AufenthG, sofern die USA nicht zusichern, dass sie nicht verhängt wird. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie im Auslieferungsverfahren. Hier ist § 8 IRG zu beachten. Danach wäre die Auslieferung nur zulässig, wenn der ersuchende Staat zusichert, dass die Todesstrafe nicht verhängt oder nicht vollstreckt werden wird. Im Hinblick auf das Auslieferungsverbot des § 8 IRG ist eine entsprechende, im Auslieferungsverfahren erteilte, völkerrechtlich verbindliche Zusicherung grundsätzlich geeignet, etwaige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Auslieferung auszuräumen, sofern nicht im Einzelfall zu erwarten ist, dass die Zusicherung nicht eingehalten wird.
5. November 2013, Dr. Dienelt