Änderung des Schengenrechts mit Auswirkungen auf die Aufenthaltsberechnung

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Änderungen für die schengenrechtliche Kurzaufhaltsberechnung sind ab heute, 18.10.2013, wirksam.

Wesentliche Veränderung sind die Neufassung des Art. 5 I SGK bzw. die korrespondierenden Vorschriften in z.B. Art. 20 SDÜ sowie Art. 1 und 2 VK und damit die neue Bestimmung des Begriffs „Kurzaufenthalt“, sowie die Neuberechnung der Aufenthaltszeit.

Die Neufassung des Kurzaufenthaltes enthält im Kern die Formulierung "90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen" (bisher: 3 Monate binnen 6 Monaten). Der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, wird berücksichtigt. Im Einzelnen bedeutet das:

  • Der Bezugszeitraum von 180 Tagen wird an jedem Tag des Aufenthalts berücksichtigt.
  • Ein- und Ausreisetag zählen mit.
  • Der Tag „der ersten Einreise und EuGH-Urteil „Bot“ sind irrelevant.
  • Rechtmäßige Aufenthalte aufgrund eines Aufenthaltstitels oder eines nationalen Visums für den längerfristigen Aufenthalt werden bei der Berechnung der Länge des Aufenthalts im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht berücksichtigt.
  • Die neue Berechnungssystematik wird auch auf die Adressaten der §§ 16 ff. AufenthV angewendet (der entsprechenden klarstellenden Gesetzesänderung hierzu bedarf es noch), also Adressaten, die durch Sichtvermerksabkommen oder sonstigen völkerechtlichen Verpflichtungen für Kurzaufenthalte begünstigt sind.
    Eine Schlechterstellung während der Umstellungsphase soll nicht erfolgen (Meistbegünstigungsprinzip).

Berechnungsbeispiel 1
– Kategorie visumfreier Drittstaatsangehöriger:

Der Hongkong-Chinese Wang Li reist am 30.08.2013 ins Schengengebiet über die Außengrenze an einem deutschen Flughafen ein und wird am 27.11.2013 bei einer Ausländerbehörde vorstellig.

Wang möchte wissen, wie lange er noch in Deutschland bleiben darf.

Lösung:

Wang hat sich in den letzten 180 Tagen (27.11.2013 bis 01.06.2013)
90 Tage aufgehalten.
Damit muss die Ausreise noch heute erfolgen.

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01.06.
=180
27.11.
30.8.
=90
27.11.

Sachverhalt 1a
– Kategorie visumfreier Drittstaatsangehöriger:

Sie stellen fest, dass Wang über einen Einreisestempel vom 28.05.2013 und einen Ausreisestempel vom 31.05.2013 in seinem Pass verfügt.

Hält Wang sich heute nun doch unerlaubt auf?
Wann darf er wieder einreisen?

Lösung:

Die vier Aufenthaltstage im Mai liegen außerhalb des heute gültigen Bezugszeitraums und sind irrelevant.
Nach altem Recht wäre Wang 4 Tage unerlaubt aufhältig gewesen.
Wang darf nach 90 Tagen (am 26.02.2014) für volle 90 Tage einreisen.

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01.06.
=180
27.11.
30.8.
=90
27.11.
28.05.
31.05.
= 4
6 Monate 27.11.

Sachverhalt 1b
– Kategorie visumfreier Drittstaatsangehöriger:

Tatsächlich stellt sich Wang bei Ihnen zusammen mit dem Brasilianer Santos wieder am 07.11.2014 vor und Sie stellen fest, dass sich beide zuvor wie folgt aufgehalten haben:
- 01.05.-11.05.
- 02.-27.06.
und 05.09. bis 07.11.2014

Halten sich Wang und Santos noch legal auf?

Lösung (Wang):

Wang hält sich 11 Tage vom 1. bis 11. Mai 2014 auf; vom 2. bis 27. Juni erneut 26 Tage = 37 / Rest 53 Tage.
Vom 05.09. hält er sich bis zum Kontrolltag 64 Tage auf (= 90 Tage; Bezugszeitraum am Kontrolltag vom 12.05. – 07.11.2014 = 180 Tage).
Wang hält sich damit noch legal auf.

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12.05.
=180
07.11.
01.05.
11.05.
= 11
irrelevant
=90
02.06.
27.06.
= 26
05.09.
=64
07.11.

Lösung (Santos):

Santos hält sich 11 Tage vom 1. bis 11. Mai 2014 auf; vom 2. bis 27. Juni erneut 26 Tage = 37 / Rest 53 Tage.
Vom 05.09. hält er sich bis zum Kontrolltag 64 Tage auf .
Tag der 1. Einreise ist der 01.05.2014 . Der Bezugszeitraum erstreckt sich vom 01.05. – 31.10.2014 (3 Monate innerhalb von 6 Monaten) = 97 Tage.
Santos hält sich damit 7 Tage unerlaubt auf.

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01.05.
<<
>>
31.10.
01.05.
11.05.
= 11
=97
02.06.
27.06.
= 26
05.09.
= 64
07.11.

Sachverhalt 1c
– Kategorie visumfreier Drittstaatsangehöriger:

Wenn Wang bei Ihnen nun erst am 23.12.2014 vor stellig geworden wäre und sich wie folgt aufgehalten hätte?

- 01.05. - 11.05.
- 02. - 28.06.
- 05.09. bis 07.11.2014
sowie
29.11. - 23.12.2014

Lösung:

1 Tage unerlaubt …? Nein!
91 Tage Aufenthalt werden jeweils im Bezugszeitraum von 180 Tagen am 07.11.2014 und am 23.12.2014 erreicht.
(12.05. – 07.11.2014 = 180 Tage)
(27.06. – 23.12.2014 = 180 Tage)
Wang hätte aber bereits am 26.10.2014 ausreisen müssen, hielt sich aber bis 07.11.2014 -12- Tage unerlaubt und erneut vom 29.11. – 23.12.2014 -25- Tage unerlaubt auf.
Wang hält sich damit am Kontrolltag (23.12.2014) insgesamt 37 Tage unerlaubt auf!

Sachverhalt 2
– Kategorie visumpflichtiger Drittstaatsangehöriger:

Die Berechnungsregelungen sind wie bei visumbefreiten Drittstaatsangehörigen vorzunehmen - natürlich innerhalb des Gültigkeitszeitraums des Visums.

Übergangsregelungen:

Soweit in der Feststellung deutlich wird, dass sich der Betroffene nach der alten Berechnungsweise noch legal aufhält, aber mit der neuen (aktuellen) Berechnung mehr als 90 Tage innerhalb der letzten 180 Tage aufhältig war, ist ihm dies verwaltungs- und strafrechtlich nicht vorzuhalten.

Ausnahmen:

Die neue Berechnungsmethode findet für die Staatsangehörigen von Brasilien, Antigua und Barbuda, Bahamas, Barbados, St. Kitts und Nevis, Mauritius und den Seychellen keine Anwendung. Dies ist der Anwendung des durch die EU mit den genannten Staaten abgeschlossenen Visaerleichterungsabkommen geschuldet, welches nicht durch die VO (EU) Nr. 610/2013 geändert wird. Dies ist offenbar nicht bemerkt worden und bedarf späterer Korrektur. Daher sind alle bisherigen Visaerleichterungsabkommen nach der alten Methode zu berechnen, soweit dort ein Bezug zu der Wendung "3 Monate innerhalb von 6 Monaten" enthalten ist.


Zur Berechung der Aufenthalte wird auf die Seite der Europäischen Kommission hingewiesen (englische Fassung):

Kalkulator

Anleitung

Es ist jedoch zu beachten, dass der Kalkulator nur als Anhalt dienen sollte.