Gefahr von Menschenrechtsverletzungen durch Vorverlagerung des Grenzschutzes der Europäischen Union

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Antwort der Bundesregierung (Drucksache 18/317 vom 20.01.2014).

Im Oktober dieses Jahres legte der Menschenrechtskommissar des Europarates Nils Muižnieks den Bericht „The right to leave a country“ vor. Darin untersucht der Menschenrechtskommissar den Einfluss der Migrationspolitik der Europäischen Union im Rahmen des Gesamtansatzes zu Migration und Mobilität (2011(KOM) 743) auf diejenigen Staaten, die als Transit- oder Herkunftsstaatenirregulärer Migration an den Außengrenzen der Europäischen Union gelten.

Durch die in den Drittstaaten angestoßenen Praktiken würden die Betroffenen womöglich in ihrem Recht aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und weiterer menschenrechtlicher Konventionen, ein Land zu verlassen, auch ihr eigenes, verletzt. Staaten, die in den Genuss von Visaerleichterungen der Europäischen Union kommen wollten, würden unter Druck geraten oder offen unter Druck gesetzt, unerwünschte Migration von ihrem Territorium aus zu unterbinden, um Reiseerleichterungen zu erhalten oder nicht wieder zu verlieren.

Auszug:

2. Welche Haltung hat die Bundesregierung zu den im Bericht genannten Forderungen an die Mitgliedstaaten der Europäischen Union,
a) Visabestimmungen zu lockern,

Sowohl das für die Erteilung von Visa für Kurzzeitaufenthalte geltende EU-Recht (Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (Visakodex)) als auch das für längerfristige Aufenthalte anwendbare nationale Recht (Aufenthaltsgesetz) enthalten bereits Rechtsgrundlagen für die Erteilung von Visa bzw. Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen. So kann in Ausnahmefällen aus humanitären Gründen ein Visum mit räumlich beschränkter Gültigkeit erteilt werden (Artikel 25 Absatz 1 Buchstabe a des Visakodex) oder an den Außengrenzen aus humanitären Gründen die Einreise gestattet werden (Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe c des Schengener Grenzkodex – SGK). Das Aufenthaltsgesetz enthält in Kapitel 2 Abschnitt 5 detaillierte Regelungen zum Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen. Die Bundesregierung sieht derzeit keine Notwendigkeit, die bestehenden Regelungen zu ändern.

Die Aussetzung der Überstellungen von Deutschland nach Griechenland im Rahmen der Dublin-Verordnung wurde bis zum 12. Januar 2015 verlängert.

Für den Fall, dass eine FRONTEX-Operation zu Interventionen außerhalb des Anwendungsbereichs der Asylverfahrensrichtlinie führt, wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 11a bis 11c der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/270 vom 10. Januar 2014 verwiesen. Dort hat die Bundesregierung ausgeführt, dass bei der Behandlung der Flüchtlinge/Schiffbrüchigen auf See die Vorgaben des einschlägigen Völkerrechts, insbesondere das anerkannte, aus Artikel 3 EMRK hergeleitete Non-Refoulement-Prinzip, uneingeschränkt zu beachten sind.
Nach Rechtsprechung des Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gilt dies auch an Bord von Staats- oder Kriegsschiffen, die die Flagge eines EMRK-Vertragsstaates tragen. Gemäß Artikel 4 des Verordnungsvorschlags soll der Schutz der Grundrechte und der Grundsatz der Nichtzurückweisung, wie er in Artikel 19 Absatz 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festgeschrieben ist, uneingeschränkt Beachtung finden.

Die sog. Rückführungsrichtlinie findet gemäß Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie nur auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige Anwendung. Auf Hoher See ist die Rückführungsrichtlinie hingegen mangels Einreise nicht anwendbar. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 18a verwiesen.

Der Auftrag der grenzpolizeilichen Verbindungsbeamten im Rahmen ihrer nationalen Aufgaben umfasst insbesondere die aufgabenbezogene Aufklärung in Form der Informationssammlung, -auswertung und -analyse. Ihnen obliegt in strategischer und taktischer Hinsicht die Beobachtung der grenzpolizeilich bedeutsamen Lagefelder im Empfangsstaat, einschließlich der Lage an den Außengrenzen und der Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung, vornehmlich der international organisierten Schleusungskriminalität, sowie die Planung und Durchführung von Maßnahmen der bilateralen Ausbildungs- und Ausstattungshilfe. Sie üben keine hoheitliche Tätigkeit im Empfangsstaat aus. Darüber hinaus sind sie an keinen operativ ausgerichteten Maßnahmen des Gastlandes beteiligt.

Die Bundesrepublik Deutschland hat jedoch grenzpolizeiliche Ausstattungshilfe in EU-Nachbarstaaten geleistet, die der Anlage (S. 15 ff.) zu entnehmen sind. Die Ausstattungshilfe wurde zur Nachhaltigkeit durchgeführter Maßnahmen der Ausbildungshilfe geleistet. Die (grenz-)polizeiliche Ausbildungs- und Ausstattungshilfe (ABH/ASH) ist ein wichtiger Bestandteil der sog. Vorverlagerungsstrategie. Darunter wird die Verlagerung zusätzlicher (grenz-)polizeilicher Aktivitäten in die Ursprungs- und Transitländer der organisierten Kriminalität (im Besonderen der Rauschgiftkriminalität) sowie in die Herkunfts-, Rekrutierungs-,Aktions- und Rückzugsregionen des internationalen Terrorismus verstanden.

Quelle: dip Deutscher Bundestag (Drucksache 18/317 vom 20.01.2014)