Es ist einer schriftlichen Frage der Abgeordneten Sevim Dagdelen zu verdanken, dass ein offenkundiger Gesetzgebungsfehler aufgedeckt wurde. Wie die Bundesregierung mit ihrer Antwort vom 5. Dezember 2013 einräumen musste, soll der Bezug des Betreuungsgeldes nach dem Willen des Gesetzgebers bei der Berechnung der eigenständigen Lebensunterhaltssicherung im Aufenthaltsrecht weiterhin unschädlich sein.
So war die Rechtslage vom 1. August 2013 bis zum 5. September 2013:
§ 2 Abs. 3 AufenthG in der Fassung vom 01.08.2013 bis 05.09.2013 lautete:
(3) Der Lebensunterhalt eines Ausländers ist gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Dabei bleiben das Kindergeld, der Kinderzuschlag, das Elterngeld und das Betreuungsgeld sowie Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch, dem Bundesausbildungsförderungsgesetz oder dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz und öffentliche Mittel außer Betracht, die auf Beitragsleistungen beruhen oder die gewährt werden, um den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. ...
Dann aber wurde diese Regelung infolge eines weiteren Gesetzgebungsverfahrens wieder aus dem Aufenthaltsgesetz entfernt, die zwischenzeitliche Einführung des Betreuungsgeldes war dabei offenkundig übersehen worden.
Die aktuelle Fassung des § 2 Abs. 3 AufenthG lautet:
(3) Der Lebensunterhalt eines Ausländers ist gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Nicht als Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gilt der Bezug von:
1. Kindergeld,
2. Kinderzuschlag,
3. Erziehungsgeld,
4. Elterngeld,
5. Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch, dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz und
6. öffentlichen Mitteln, die auf Beitragsleistungen beruhen oder die gewährt werden, um den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen.
Die Bundesregierung spricht in ihrer Antwort von einem „Redaktionsversehen", eine gesetzgeberische Anpassung werde geprüft. In Einzelfällen, in denen der Bezug von Betreuungsgeld im Aufenthaltsrecht nachteilige Wirkungen hat, wird man sich vorläufig auf diese Auskunft der Bundesregierung berufen müssen. Die Abgeordnete Sevim Dagdelen fordert ein sofortiges Handeln und ein klarstellendes Rundschreiben der Bundesregierung an die Länder, damit es zu keinen negativen Entscheidungen für Betroffene kommt. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber derzeit gar nicht tätig werden kann, solange die potentiellen Koalitionsparteien ein Arbeiten des Parlaments verhindern.
Die Lebensunterhaltssicherung nach § 2 Abs. 3 AufenthG wird in der Begründung des Gesetzentwurfs zum Aufenthaltsgesetz als eine der Erteilungsvoraussetzungen von grundlegendem staatlichen Interesse und als wichtigste Voraussetzung, um die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu verhindern, bezeichnet (BT-Drs 15/420 S. 70). Dies spricht dafür, dass im Falle eines voraussichtlichen Anspruchs auf öffentliche Mittel – sofern sie nicht ausdrücklich außer Betracht zu bleiben haben – der Lebensunterhalt nicht als gesichert angesehen werden kann, da dann auch eine Inanspruchnahme dieser Mittel zu erwarten oder jedenfalls nicht auszuschließen ist (BVerwG, U. v. 26.08.2008 – 1 C 32.07 – BVerwGE 131, 370).
Ausführlich zur Lebensunterhaltssicherung - OK-Mnet-§ 2AufenthG
Mainz, den 02.12.2013
Dr. Dienelt