Migrationsrecht.net - Informationsportal zum Ausländerrecht

Das Portal Migrationsrecht.net bietet Juristen, Rechtsanwälten, Journalisten und auch Rechtssuchenden mit seinem Experten-Netzwerk umfangreiche Informationen sowie aktuelle News aus dem gesamten Bereich des europäischen und deutschen Migrationsrechts. Zu vielen Themengebieten des Ausländerrechts stehen Texte, Abhandlungen, Gesetze und Verordnungen sowie E-Books zur Verfügung.

Papst Benedikt, Staatsangehörigkeit, Erwerb, Verlust, Vatikan, Bayern, Beibehalt

Anzeige Werbung Kanzleien Anzeige

Ist Papst Benedikt XVI. ein Deutscher?

Nicht jeder in Deutschland geborene Mensch ist deutscher Staatsangehöriger, und nicht jeder Deutsche befällt immer seine deutsche Staatsangehörigkeit. Wer nämlich eine fremde Staatsangehörigkeit auf Antrag erwirbt, verliert kraft Gesetzes seine deutsche, wobei es seit 2001 nicht mehr darauf ankommt, ob er im In- oder Ausland lebt. Da dieser Verlust weit reichende Wirkungen entfaltet, kann auf Antrag Mehrstaatigkeit zugelassen werden (Beibehaltungsgenehmigung), sofern die privaten Interessen die dagegen sprechenden öffentlichen Belange überwiegen. Diese so einfach klingenden Regeln werfen kaum geahnte Fragen auf, wenn der Mensch Papst wird.

Nun lässt sich dem in den letzten Monaten öffentlich gemachten Lebensweg des neuen Papstes ohne weiteres entnehmen, dass sein Vater schon aufgrund seines Berufs mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die deutsche Staatsangehörigkeit besaß und diese an seinen ehelich geborenen Sohn weitergegeben hat. Dem steht die Geburt in Bayern nicht entgegen. Auch ein Bayer ist ein Deutscher. Zunächst sind auch keine Umstände bekannt geworden, die zu einem Verlust der Staatsangehörigkeit hätten führen können. Die Ablehnung des Grundgesetzes durch den Freistaat hat dessen Bewohner nicht staatenlos werden lassen. Gefährlich wurde es erst als Kardinal Ratzinger seine bayerische Heimat verließ, um verantwortungsvolle Aufgaben in Rom zu übernehmen.

Das Überschreiten des Alpenhauptkamms gehört allerdings nicht zu den herkömmlichen Verlustgründen, und neuerdings schadet auch der Erwerb der italienischen Staatsangehörigkeit nicht. Bei Unionsbürgern wird nämlich mehrstaatigkeit hingenommen, und im Verhältnis zu Italien ist Gegenseitigkeit (hier einmal unterstellt) verbürgt. Aber Kardinal Ratzinger arbeitete nicht in Italien, sondern diente dem Vatikan. Und im Vatikan ist zwar der Euro gesetzliches Zahlungsmittel, aber der Staat Vatikanstadt gehört nicht der Europäischen Union an.

Und dies ist nur eine der vielen Besonderheiten, die das Zentrum der katholischen Christenheit völkerrechtlich und staatsrechtlich auszeichnen und dem Papst aus Deutschland staatsangehörigkeitsrechtlich zum Verhängnis werden konnten. Der Papst ist nämlich in zweifacher Hinsicht ein Herrscher: Oberhaupt der weltumspannenden Kirche als Nachfolger Petri und zugleich Oberhaupt des äußerst kleinen Staates Vatikanstadt. Völkerrechtlich tritt eher der heilige Stuhl in Erscheinung und nicht der ?Kirchenstaat?. Den diplomatischen Verkehr betreibt allein der heilige Stuhl, der jedoch als Nichtstaat nicht der UNO angehört, sondern einen Beobachterstatus innehat. Im Vatikan leben ungefähr 800 Menschen. Etwa 550 besitzen die vatikanische Staatsangehörigkeit, unter ihnen etwa 100 Schweizer Gardisten und 50 weitere Laien. Die Staatsangehörigkeit wird aufgrund einer bestimmten Funktion auf Zeit verliehen. Außer den Gardisten sind dies hochgestellte Angehörige der Kurie, die im Vatikan oder in Rom lebenden Kardinäle und die im Ausland beschäftigten päpstlichen Gesandten und Nuntien.

Der Erwerb der vatikanischen Staatsangehörigkeit durch Kardinal Ratzinger erfolgte bei sachgerechter Betrachtung ?auf Antrag? im Sinne von § 25 I StAG. Wenn die Verleihung der Staatsangehörigkeit mit der Übertragung einer bestimmten Funktion verbunden ist und diese mit Einwilligung erfolgt, ist die erforderliche Freiwilligkeit gegeben. Es kommt nicht auf eine förmliche Antragstellung an, sondern auf die bewusste und gewollte Mitwirkung an dem Erwerb der Staatsangehörigkeit, auch wenn dieser mit einem anderen staatlichen Akt verbunden ist oder zwingend aus ihm folgt. Angesichts der § 25 StAG prägenden gesetzgeberischen Absicht soll Mehrstaatigkeit verhindert werden, es sei denn, der Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit kann mangels Freiwilligkeit nicht als Abwendung von Deutschland gewertet werden.

Im Einzelfall können sich daraus unzumutbare Schwierigkeiten ergeben. Daher hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass zum Schutze überwiegender privater Belange die Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit genehmigt werden kann. Das öffentliche Interesse an der Verhinderung und Verminderung von Mehrstaatigkeit kann ausnahmsweise zurücktreten, wenn zum Beispiel gewichtige berufliche Interessen tangiert sind. Gerade bei einer befristeten Verleihung einer anderen Staatsangehörigkeit im Zusammenhang mit der Berufsausübung kann es angezeigt sein, eine nur zeitweilig eintretende Doppelstaatigkeit hinzunehmen. Im Falle der Übertragung eines hohen vatikanischen Amts kann auch aus außenpolitischer Sicht der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit ausnahmsweise zurücktreten. Allein: Die Beibehaltungsgenehmigung kann nur auf Antrag vor dem Erwerbsvorgang erteilt werden, nicht nachträglich. Selbst bei Rechtsunkenntnis ist keine Möglichkeit der Nachholung eröffnet.

Angenommen, Kardinal Josef Ratzinger hat diese Genehmigung nicht rechtzeitig beantragt ? vielleicht auch in der Erwartung, er werde dem Vatikan wohl auf längere Zeit dienen ?, dann wäre ihm immer noch der Weg zurück nach Deutschland verblieben. Als ehemaliger Deutscher hätte er gewiss gute Aussichten auf eine Wiedereinbürgerung (§ 13 StAG) gehabt ? wenn er nicht zum Papst gewählt worden wäre.

Unabhängig davon, ob er zuvor noch die deutsche Staatsangehörigkeit besaß oder nicht, mit der Übernahme des Amtes Petri wurde er zugleich Staatsoberhaupt. Nunmehr unterscheidet er sich von den sonstigen Angehörigen des Vatikanstaats durch diese auf Lebenszeit angelegte exzeptionelle Funktion. Der Gesetzgeber hat diese Konstellation nicht ausdrücklich geregelt. Heutzutage tritt sie höchstselten ein, bei Schaffung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1913 konnte schon eher damit gerechnet werden, dass insbesondere deutsche Fürstinnen durch Eheschließung Mitglied einer ausländischen Herrscherfamilie oder gar Oberhaupt eines fremden Staats wurden. Damals wurde die Ansicht vertreten, die Stellung des fremden Staatsoberhaupts vertrage sich nicht mit der deutschen Staatsangehörigkeit. ?Die staatsrechtliche Stellung des Herrschers bringt es von selbst mit sich, dass er Angehöriger des Staats ist, an dessen Spitze er steht.? (von Keller/Trautmann, Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz, 1914, § 1 Anm. VII.1.). Daraus folgt: ?Das Mitglied eines landesherrlichen Hauses, das die Thronfolge in einem fremden Staat antritt, wir damit Angehöriger seines neuen Staats, verliert dabei aber zugleich seine bisherige Staatsangehörigkeit, weil er in seiner Eigenschaft als Staatsoberhaupt nicht einer fremden Staatsgewalt unterworfen sein kann.? (von Keller/Trautmann, a.a.O.). Die abweichende Ansicht von Cahn (Zur Reform des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes, 1908), die Thronbesteigung sei nicht als Erwerbsgrund aufgeführt, gründet auf einer rein positivistischen Auslegung und vernachlässigt fundamentale völker- und staatsrechtliche Grundsätze, die trotz zwischenzeitlicher Veränderungen der Staatenwelt Bestand haben.

Der Vatikanstaat ist nach wie vor ein absolutistischer Staat, in dem der Staat ?die Fülle der gesetzgebenden, ausführenden und richterlichen Gewalt? besitzt (Art. 1 I des neuenvatikanischen Grundgesetzes, gegeben am Christkönigsfest des Jahres 2000). Die BR Deutschland kennt anders als das Kaiserreich keine Herrscher und keine Untertanen mehr Die grundlegenden Loyalitätsverpflichtungen gegenüber dem Staat sind damit aber nicht hinfällig geworden. Wer als Oberhaupt eines fremden Staats dessen Wohlergehen zu fördern und zu wahren unbedingt verpflichtet ist, kann nicht gleichzeitig staatsbürgerlichen Pflichten in Deutschland unterworfen sein. Dieser Loyalitätskonflikt verträgt sich weder mit deutschen noch mit deutschen Interessen.

Fazit: Papst Benedikt XVI. stammt aus Deutschland, ist aber kein Deutscher mehr. Trotzdem oder gerade deswegen wird er ohne ein Visum seine Ankündigung wahr machen können, am Weltjugendtag 2005 in Köln teilzunehmen.

Weitere Kolumnen von Professor Dr. Günter Renner finden Sie hier <...>.

Diskutieren Sie im Forum Ausländerrecht !