§ 2 II, 21 AufenthG, § 7 SGB IV, Ich-AG, Investition selbständige, unselbständig

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Wir wollen eine neue Kultur der Selbständigkeit, aber keine Scheinselbständigen

Die Vorzüge der Selbständigkeit für den Einzelnen sind genau so unbestritten wie die Vorteile der selbständigen Erwerbstätigkeit für die Wirtschaft eines Landes. So scheint es jedenfalls, wenn man die Parteiprogramme von Liberalen und Konservativen, ja selbst von Sozialdemokraten betrachtet.

Im internationalen Bereich wird diese Ansicht nicht nur wortreich vertreten, sondern auch in juristische Texte handfest umgesetzt. In zahlreichen multi- und bilateralen Abkommen sind die wirtschaftlichen Freiheiten zur Niederlassung und zur sonstigen Ausübung eines selbständigen Gewerbes gewährleistet. Sehr oft Meistbegünstigung und manchmal sogar Inländergleichbehandlung zugesichert. Begründet wird die allenthalben festzustellende eindeutige Bevorzugung des Selbständigen gegenüber dem abhängig beschäftigten Arbeitnehmer mit einem gleichgerichteten Interesse aller Staaten, mit dem allgemeinen Wohl des Weltmarkts und der Teilmärkte.
Diese Privilegierung ist keine Angelegenheit der Vergangenheit, sondern gegenwärtige vertragliche Wirklichkeit. Die Staatsangehörigen der Mittel-Ost-Europa-Staaten sind seit einem Jahrzehnt berechtigt, sich EU-europaweit als Erwerbstätige niederzulassen. Nach dem EU-Beitritt einiger Vertragsstaaten können noch Bulgaren und Rumänen von diesen Vorrechten Gebrauch machen. Die Staatsangehörigen der der EU beigetretenen MOE-Staaten genießen nunmehr als Selbständige und Dienstleistungserbringer die volle EU-Personenfreizügigkeit. Nur als Dienstleistungserbringer mit dem Betriebssitz in dem Heimatmitgliedstaat sind sie vorübergehend beschränkt, allerdings: nur in Deutschland und Österreich, nur bei dem Einsatz entsandter Arbeitnehmer, nur in einigen unter besonderem staatlichem Schutz stehenden Branchen wie dem Bauhauptgewerbe, der Steinbearbeitung und der Innendekoration.
 
Die Selbständigkeit soll auch auf  nationaler Ebene gefördert werden. Für Inländer gibt es die Ich-AG und für Ausländer die neue Vorschrift des § 21 Aufenthaltsgesetz, die schon deswegen keine wirtschaftlichen Schubkräfte entwickeln wird, weil die Hürde der Investition von mindestens einer Million Euro und (kumulativ) der Schaffung von mindestens zehn Arbeitsplätzen weltweite Maßstäbe setzt, aber keine weltweiten Sogeffekte ausüben wird. Wie willkommen Drittstaatsangehörige als Unternehmer in Deutschland sind, lässt sich an diesem Verhältnis von einer zu elf Stellen ablesen, die von Inländern einerseits und von Ausländern andererseits geschaffen werden müssen. Der sonst so gehätschelte Mittelstand wird jedenfalls hier nicht gefördert, sondern verdrängt. Eigentlich ist ja die Kapitalismusdebatte beendet, aber das Eine lässt sich noch anmerken: Volle Freizügigkeit genießt weltweit, wer Unternehmen als Anteilseigner besitzt und als Vorstand leitet. Er darf nicht nur über Grenzen hinweg gewerblich tätig werden, sondern auch Arbeitsplätze schaffen und abbauen, wo die Rendite es verlangt und wo er will. 
 
Zurück zu Scheinverhältnissen. Wie das privilegierte Institut der Ehe reizt auch jede andere Einrichtung dazu, für andere Zwecke ausgenutzt zu werden. Zweckentfremdung zu verhindern ist legitim und stößt auf allseitige Zustimmung, aber Vorsicht. Die Abgrenzungen sind schwierig und Scheinverhältnisse nicht nur vom Übel!
 
Der Begriff der unselbständigen Erwerbstätigkeit ist in § 2 II AufenthG durch Bezugnahme auf § 7 SGB IV definiert und dort sind die allgemein anerkannten Kriterien der Weisungsabhängigkeit und der Eingliederung in eine Arbeitsorganisation genannt. Zur Lösung von Abgrenzungsproblemen ist in Nr. 21.0.2 Satz 2 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Aufenthaltsgesetz und zum Freizügigkeitsgesetz/EU (Stand: Dezember 2004) auf die Mithilfe der Bundesagentur für Arbeit verwiesen.
 
Schließlich zu den Vorteilen von Scheinverhältnissen: 

  • Unter Stalin, Hitler und Ulbricht haben Scheinehen unzähligen Menschen das Leben gerettet.
  • Und wer schützt eigentlich den Verbraucher vor überhöhten Preisen für Dienstleistungen und Waren einheimischer Unternehmer?


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