Sprache, Ausländer, BT-Drs. 15/3191, § 24 I Nr. 4 VwGO, Kultusministerkonferenz

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Muss ein Schöffe Deutsch können?

Die deutsche Sprache erlebt zurzeit einen wahrhaften Höhenflug auf dem Feld der veröffentlichten Meinung. Die Kultusministerkonferenz berät wieder einmal darüber, wer wie Deutsch schreiben muss, soll, darf oder kann, und wird bei diesem seit einem Jahrzehnt heftig umstrittenen Geschäft nur noch von wenigen Berufssprachlern verfolgt. Derweil kann sich die überwältigende Mehrheit der Deutschsprachigen allenfalls noch darüber wundern, dass diese öffentlichkeitsferne Endlosdebatte noch immer mit der Bezeichnung ?Reform? geschmückt wird. Die immer seltener werdenden Zeitgenossen, die sich des Deutschen noch bei der Herstellung eigenen Schreibwerks bedienen ? voran Schriftsteller, Autoren und Redakteure ?, haben schon lange ihr je eigenes Schreibprogramm gefunden und freuen sich darüber, dass der Duden so viele unterschiedliche Schreibungen zulässt.

Ausländer haben es da schon schwerer, doch auch hier gelten keine einfachen Regeln. Wie erst kürzlich an dieser Stelle nachgewiesen, erweist sich jedenfalls die alltagstheoretische Weisheit: ?Wer in Deutschland leben will, muss doch Deutsch können!? als nicht haltbar.

Doch wie steht es um Schöffen und andere ehrenamtliche Richter? Glaubt man Pressemeldungen der letzten Wochen, scheinen allenthalben in deutschen Landen Schöffen tätig zu sein, die der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sind, ja Deutsch nicht einmal verstehen können. Die Landesregierung Rheinland-Pfalz hat sich sogar zu einem Gesetzentwurf aufgeschwungen, der dem Übel abhelfen soll. Plötzlich wurden auch in anderen Bundesländern ?Gesetzeslücken? entdeckt. Ist diese Aufregung nachvollziehbar oder nur einer fehlerhaften Auswahlpraxis geschuldet?

Die Rechtslage scheint eindeutig: Die Gerichtssprache ist deutsch. Dolmetscher oder Übersetzer werden für des Deutschen nicht mächtige Verfahrensbeteiligte herangezogen, nicht aber für sprachlich behinderte Schöffen. Schöffen und andere ehrenamtliche Richter müssen Deutsche sein. Für das Wahlverfahren ist die Beherrschung der deutschen Sprache nicht ausdrücklich als Kriterium vorgeschrieben, bei sachgemäßer Auslegung kann diese Befähigung aber im Hinblick auf die gesetzliche Aufgabe kaum zweifelhaft sein. Sie gehört zu den ?erforderlichen geistigen oder körperlichen Fähigkeiten?, deren Verlust sogar die Entpflichtung eines Ehrenamtlichen zur Folge hat (vgl. z. B. § 24 I Nr. 4 VwGO).

Wenn also in einzelnen Gerichtsbezirken Schöffen gewählt worden sind, die kein Deutsch verstehen, ist dies allem Anschein nach auf Mängel im Auswahlverfahren zurückzuführen. Vielleicht haben die am Auswahlverfahren beteiligten Amtsträger in der jeweiligen Landes- und Kommunalverwaltung ihre eigenen Aufgaben nicht ernst genug genommen und nicht ausreichend qualifizierte Personen vorgeschlagen und gewählt. Vielleicht sind auch die zuständigen Landesjustizverwaltungen ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, Ehrenamtliche auf ihre Aufgabe vorzubereiten und zu schulen. Schließlich könnte es bei eingebürgerten Schöffen auch einfach daran liegen, dass in einzelnen Bundesländern die Prüfung der Deutschkenntnisse ? salopp formuliert ? lax gehandhabt wird.

Allgemein leidet die Berufung ehrenamtlicher Richter, insbesondere von Schöffen für das Strafverfahren, darunter, dass dieses Ehrenamt in Zeiten einer allseits für notwendig erachteten und als fortschrittlich gepriesenen Ökonomisierung der Lebensverhältnisse seinen Wert verloren hat. Daher wird ja auch über die Abschaffung des Schöffenamts laut nachgedacht (vgl. die Kleine Anfrage der FDP im Bundestag, BT-Drs. 15/3111), während die Bundesregierung lediglich einen begrenzten Verbesserungsbedarf anerkennt (vgl. Die Antwort auf diese Anfrage in BT-Drs. 15/3191).

Fazit: Von einer ?Justizreform? hinsichtlich der Sprachkenntnisse ist dringend abzuraten.

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Die Problematik steht auch im Forum Migrationsrecht zur Verfügung