Zur Kostentragungspflicht bei Abschiebung und Schadenersatzpflicht

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  1. OVG Saarland, U. v . 01.08.2013 – 2 A 402/11 –, juris
  2. BGH, U. v. 04.07.2013 – III ZR 342/12 –, juris
  3. OLG München, U. v. 22.08.2013 – 1 U 1488/13 –, juris

1.)

Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Ausländer im Ausgangspunkt gegenüber einer Kostenerhebung grundsätzlich jeden rechtlichen Mangel der Abschiebung geltend machen, sofern dieser geeignet ist, eigene Rechte zu verletzen, und zwar unabhängig davon, ob das Vorliegen des Mangels offensichtlich ist. Sofern der Ausländer hingegen Mängel rügt, die seine Rechte nicht berühren können, kann er zwar - wie sonstige Kostenschuldner auch - unter Verweis auf eine "unrichtige Sachbehandlung" im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 1 VwKostG die Rechtswidrigkeit der konkreten Teil- oder Einzelmaßnahme einwenden. Die Erstattungspflicht entfällt bei solchen Mängeln jedoch nur dann, wenn die Amtshandlung offenkundig rechtswidrig war und die Kosten bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären
(OVG Saarland, U. v . 01.08.2013 – 2 A 402/11 –, juris).

OK-MNet-AufenthG-§ 62

2.)

Dem Inhaftierten, der menschenunwürdigen Haftbedingungen ausgesetzt ist, steht kein Entschädigungsanspruch nach Art. 5 Abs. 5 EMRK zu. Art. 5 EMRK bezieht sich grundsätzlich nur auf die Freiheitsentziehung als solche, nicht auf die Modalitäten des Vollzugs der Haft. Unzumutbare Haftbedingungen werden ausschließlich von Art. 3 EMRK erfasst. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK richten sich primär nach nationalem Recht, in Deutschland nach §§ 839, 249 ff BGB (Abgrenzung zu Senatsurteil vom 29. April 1993, III ZR 3/92, BGHZ 122, 268)
(BGH, U. v. 04.07.2013 – III ZR 342/12 –, juris).

Der Anspruch auf Schadensersatz wegen rechtswidriger Inhaftierung nach EMRK Art. 5 umfaßt auch den Ersatz immateriellen Schadens (Schmerzensgeld). Die in Art. 5 EMRK geschützte Freiheit ist ein immaterielles Rechtsgut, das weniger durch seinen materiellen Wert, als durch seine Bedeutung für das persönliche Wohl gekennzeichnet ist. Wenn deswegen bei konventionswidriger Verletzung der Freiheit Schadensersatz zu leisten ist, bedeutet dies - ungeachtet der Tatsache, daß ein Freiheitsentzug auch zu einem wirtschaftlichen Schaden führen kann - zunächst Ersatz für den Verlust der Freiheit selbst, also immateriellen Schadensausgleich.
(BGH, U. v. 29.04.1993 – III ZR 3/92 –, juris).

Bei dem durch EMRK Art. 5 Abs. 5 geschaffenen Schadenersatzanspruch handelt es sich um einen Fall der Gefährdungshaftung, der an rechtswidriges Verhalten anknüpft, aber vom Verschulden unabhängig ist. Die für das Recht der unerlaubten Handlungen geltenden deutschen Verjährungsvorschriften (BGB § 852) sind auf diesen Anspruch rechtsähnlich anwendbar.
(BGH, U. v. 30.01.1966 – III ZR 118/64 –, juris).

3.)

Der Kläger, der mutmaßlich dominikanischer Staatsangehöriger ist, nimmt die Beklagte aus Art. 5 Abs. 5 EMRK für materielle und immaterielle Schäden aufgrund vom Kläger im Zeitraum vom 15.06.2011 bis 18.07.2011 verbüßter Zurückschiebungshaft in Anspruch. Die Zurückschiebungshaft gemäß §§ 57, 62 Abs. 2 AufenthG darf vom Gericht nur auf Antrag der Ausländerbehörde angeordnet werden (§§ 415, 416, 417 FamFG i.V.m. § 71 AufenthG). Zum anderen vollzieht die Ausländerbehörde nach § 422 Abs. 3 FamFG die Haft. Die Ausländerbehörde entscheidet also zunächst einmal, ob der Betroffene die angeordnete Haft auch antreten muss. Sie kann zudem den Betroffenen jederzeit, ohne dass sie dazu der Zustimmung des Gerichts bedürfte, aus der Haft entlassen (Keidel, FamFG, 17. Aufl., Rdnr. 2 zu § 426 FamFG). Die Ausländerbehörde ist also die Herrin des Haftverfahrens. Deshalb muss die Ausländerbehörde nach der einschlägigen Verwaltungsvorschrift auch ständig prüfen, ob die Voraussetzungen der Haft noch bestehen. Die Haft selbst wurde ausschließlich als Mittel zum Zweck einer ausländerrechtlichen Maßnahme (Zurückschiebung) angeordnet. Faktisch hält die Ausländerbehörde, mit Ausnahme der von Art. 104 Abs. 2 GG geforderten gerichtlichen Entscheidung über den Freiheitsentzug, alle Fäden in der Hand. Die Haft dient ausschließlich der Erfüllung der Aufgaben der Ausländerbehörde. Dies lässt es geboten erscheinen, die Beklagte als Trägerin der Ausländerbehörde jedenfalls als auch passivlegitimiert anzusehen. Die zwischen den Parteien diskutierte Frage der haftungsbegründenden Kausalität stellt sich, da die Haftung nach Art. 5 Abs. 5 EMRK nur an die rechtswidrige Haft geknüpft ist, nicht. Bei Bemessung des Schmerzensgeldes sind die Umstände des Einzelfalles maßgeblich. Als Orientierungspunkt kann § 7 Abs. 3 StrEG dienen, wonach jeder Tag Haft mit 25,-- € zu entschädigen ist. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass § 7 Abs. 3 StrEG eine Entschädigung für rechtmäßige Haft gewährt, während Art. 5 Abs. 5 EMRK eine Entschädigung für rechtswidrige Haft zubilligt. Deshalb erhöht der Senat den Entschädigungsbetrag auf 30 €.
(OLG München, U. v. 22.08.2013 – 1 U 1488/13 –, juris).