Einführung
Auszug der AVwV-AufenthG zu § 13 – Grenzübertritt
Zu § 13 – Grenzübertritt
13.1 Ein- und Ausreisekontrolle
13.1.1 Der Begriff der Einreise ist im Sinne eines tatsächlichen Vorgangs (Grenzübertritt, Betreten des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland) zu verstehen; die Frage, ob die Einreise erlaubt ist, beurteilt sich nach § 14 Absatz 1. An einer zugelassenen Grenzübergangsstelle ist ein Ausländer erst ausgereist, wenn er die Grenze überschritten und die Grenzübergangsstelle passiert hat. Im Übrigen ist eine Person ausgereist, sobald sie die Grenzlinie überschritten hat.
13.1.2 Über die Zulassung und Schließung von Grenzübergangsstellen entscheidet gemäß § 61 Absatz 1 BPolG das Bundesministerium des Innern im Benehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen. Das Bundesministerium des Innern gibt die entsprechende Entscheidung im Bundesanzeiger bekannt. Die Verkehrsstunden werden von der zuständigen Bundespolizeidirektion festgelegt und durch Aushang an der Grenzübergangsstelle bekannt gegeben. An den EU-Außengrenzen erfolgt die Festlegung im Benehmen mit dem zuständigen Hauptzollamt.
13.1.3 Der Grenzübertritt kann ausnahmsweise außerhalb einer zugelassenen Grenzübergangsstelle erfolgen, wenn dies durch andere Rechtsvorschriften oder zwischenstaatliche Vereinbarungen zugelassen ist.
13.1.3.1 Nach Artikel 20 Schengener Grenzkodex dürfen die Binnengrenzen unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Person an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden. Artikel 2 Nr. 1 Schengener Grenzkodex legt fest, was unter Binnengrenze i. S. d. Schengener Grenzkodex zu verstehen ist. Das Recht, die Binnengrenzen an jeder Stelle überschreiten zu dürfen, entfällt bei Wiedereinführung der Binnengrenzkontrollen (Artikel 28 Schengener Grenzkodex). In diesen Fällen ist die Benutzung von Grenzübergangsstellen wieder vorgeschrieben.
13.1.3.2 Nach § 61 Absatz 3 und 4 BPolG können die Bundespolizeidirektionen einzelnen Personen oder Personengruppen die Erlaubnis erteilen, die Grenze außerhalb einer zugelassenen Grenzübergangsstelle, außerhalb der festgesetzten Verkehrsstunden oder mit anderen als den zugelassenen Verkehrsarten zu überschreiten, wenn ein besonderes Bedürfnis dafür besteht und öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Gemäß § 61 Absatz 4 BPolG kann, soweit ein Land im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften wahrnimmt, in der Vereinbarung gemäß § 2 Absatz 3 BPolG bestimmt werden, dass Behörden oder Dienststellen der Polizei des Landes anstelle der Bundespolizei tätig werden. Die Grenzerlaubnis kann auch in Form einer Allgemeinverfügung i. S. v. § 35 Absatz 1 Satz 2 VwVfG, mündlich oder mit Auflagen versehen, erteilt werden. Ein Widerruf der Grenzerlaubnis ist jederzeit möglich.
13.1.4 Der Ausländer ist gemäß § 13 Absatz 1 Satz 2 verpflichtet, beim Grenzübertritt seinen gültigen und anerkannten Pass oder Passersatz mitzuführen, sich damit über seine Person auszuweisen und sich der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs, deren Gegenstand in Artikel 7 Schengener Grenzkodex näher beschrieben ist, zu unterziehen. Die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs führt die Grenzbehörde im Rahmen ihrer polizeilichen Befugnisse durch. Ein Verstoß gegen die Passmitführungspflicht stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 98 Absatz 3 Nummer 3 oder im Falle der erfolgten Einreise bei Nichtbesitz eines Passes oder Passersatzes (vgl. § 14) einen Straftatbestand nach § 95 Absatz 1 Nummer 3 dar. Der Versuch ist im letztgenannten Fall nach § 95 Absatz 3 strafbar. Schleuser haben ggf. Straftaten gemäß §§ 96 und 97 begangen.
13.1.4.1 Diese Pflichten bestehen für das Überschreiten der Grenze sowohl an als auch außerhalb von zugelassenen Grenzübergangsstellen. Außerhalb einer zugelassenen Grenzübergangsstelle entzieht sich ein Ausländer in Fällen, in denen eine Grenzübergangsstelle zu benutzen ist, der grenzpolizeilichen Kontrolle, wenn er die Grenze zur Ausreise überschreiten will oder im Fall der Einreise bereits überschritten hat und einer Kontrollaufforderung der Grenzbehörde nicht nachkommt und begeht damit eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 98 Absatz 2 Nummer 2.
13.1.4.2 Die Passmitführungspflicht besteht auch für den Grenzübertritt an den Schengen-Binnengrenzen.
13.1.4.3 Die Pflicht, sich auszuweisen und der Grenzkontrolle zu unterziehen, besteht nur im Rahmen einer Grenzkontrolle. Sie umfasst die Pflicht, die entsprechenden grenzpolizeilichen Anordnungen zu befolgen.
13.2 Beendigung der Einreise
13.2.1.1 Der Ausländer hat eine Grenzübergangsstelle erst dann passiert, wenn er die Kontrollstationen der Grenzpolizei und des Zolls, soweit an den EU-Außengrenzen vorhanden, hinter sich gelassen hat und sich frei in Richtung Inland bewegen kann. Eine Einreise im ausländerrechtlichen Sinne liegt in den in § 13 Absatz 2 Satz 2 genannten Fällen nicht vor. Solange der Ausländer sich danach im Falle einer näheren Überprüfung, im Falle der Festnahme, im Rahmen der Zurückweisung, aus Anlass der medizinischen Versorgung oder aus anderen Gründen noch in der Obhut der Grenzbehörden befindet, sich also nicht frei bewegen kann, ist er nicht eingereist, auch wenn er körperlich die Kontrollstationen überschritten hat. Das gilt auch für Ausländer, die sich im asylrechtlichen Flughafenverfahren gemäß § 18a AsylVfG befinden.
13.2.1.2 Dabei ist die Formulierung „solange ihnen eine Kontrolle des Aufenthalts des Ausländers möglich bleibt“ so auszulegen, dass diese Möglichkeit auch dann besteht, wenn die tatsächliche Kontrolle durch andere Behörden (z. B. Jugendamt, geschlossene psychiatrische Einrichtung, Justizvollzugsanstalt, Militärbehörden der in Deutschland stationierten NATO-Streitkräfte) im Auftrag der mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörde wahrgenommen wird (Amtshilfe). Wird der Aufenthalt eines Ausländers demnach im Inland von einer anderen Behörde derart gestaltet, dass der Ausländer sich faktisch nicht ohne besondere Gestattung dieser Behörde frei im Inland bewegen kann, bedarf es einer besonderen Bewachung des Ausländers durch die Grenzbehörden nicht. Entzieht sich der Ausländer unerlaubt der Kontrolle des Aufenthaltes durch Grenz- oder andere Behörden, ist er unerlaubt eingereist (siehe auch Nummer 13.2.5).
13.2.2 Überschreitet ein Ausländer die Grenze an einer Grenzübergangsstelle außerhalb der Öffnungszeiten oder an einer Stelle, an der sich keine Grenzübergangsstelle befindet, ist er eingereist, wenn er die Grenzlinie überschritten hat.
13.2.3 Befindet sich die Einreisekontrollstelle auf fremdem Hoheitsgebiet (gemäß den mit den Nachbarstaaten geschlossenen Vereinbarungen über die Gemeinschaftsabfertigung), ist die Einreise erst erfolgt, wenn die auf fremdem Hoheitsgebiet liegende Grenzübergangsstelle passiert und anschließend die Grenzlinie überschritten wurde.
13.2.4 Einreise ist auch die Grenzüberschreitung zum Zwecke der Durchreise.
13.2.5 Die Einreise an einer Flughafen-Grenzübergangsstelle ist erst erfolgt, wenn der Ausländer die Kontrollstationen der Grenzbehörden (Bundespolizei und Zoll) passiert hat (siehe auch Nummer 13.2.1.1). Ein Ausländer ist nicht eingereist, wenn er sich noch im Transitbereich eines Flughafens oder der Unterkunft nach § 65 aufhält bzw. im Rahmen des asylrechtlichen Flughafenverfahrens gemäß § 18a AsylVfG auf dem Flughafengelände untergebracht ist.
13.2.6.1 Seereisende überschreiten die Grenze mit dem Überfahren der seewärtigen Begrenzung des deutschen Küstenmeeres (so genannte Zwölf- Seemeilen-Zone) oder dem Überfahren der seitlichen Begrenzung des deutschen Küstenmeeres bzw. der deutschen Eigengewässer zu dem jeweiligen Nachbarstaat. Die Ausländer an Bord eines Schiffes, das von der Hohen See kommend einen als Grenzübergang zugelassenen deutschen Hafen anläuft, sind erst eingereist, wenn sie im Hafen kontrolliert worden sind und das Schiff verlassen haben.
13.2.6.2 Ausländer an Bord eines Schiffes, die beabsichtigen, unter Umgehung der Grenzübergangsstellen an Land zu gehen, haben die Einreise bereits mit der Einfahrt in das Küstenmeer vollendet. Das ist z. B. der Fall, wenn Schleuser Ausländer mit dem Schiff in Küstennähe bringen, um sie am Strand anzulanden. Sie können sich nicht auf das Recht der friedlichen Durchfahrt berufen.
13.2.6.3 Ausländer an Bord eines Schiffes, das aus einem anderen Staat oder über die Hohe See kommt und den Nord-Ostsee-Kanal passiert, reisen nach Deutschland ein. § 26 AufenthV findet keine Anwendung.
13.2.6.4 Bei der Einfahrt nach Deutschland über die Flussmündungen und Kanäle aus Richtung Hoher See oder über eine andere Außengrenze der Schengen-Staaten muss grundsätzlich ein als Grenzübergangsstelle zugelassener Hafen angelaufen werden, um eine Einreisekontrolle zu ermöglichen. Es ist nicht zulässig, Deutschland bzw. die Schengen-Staaten auf Flüssen oder Kanälen zu durchqueren, ohne einen Hafen zur Einreisekontrolle anzulaufen. Ausnahmen können sich aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen oder durch Grenzerlaubnisse ergeben (siehe Nummer 13.1.3, z. B. für den Grenzübertritt auf dem Bodensee).
13.2.7 Bei Kontrollen im fahrenden Zug ist eine Einreise erst dann erfolgt, wenn sich der Zug auf deutschem Hoheitsgebiet befindet, die grenzpolizeiliche Kontrolle im Zug beendet wurde und die Kontrollbeamten den Zug verlassen haben. Findet im Zug keine Grenzkontrolle statt, ist die Einreise mit dem Überfahren der Grenzlinie erfolgt.
13.2.8 Die Bestimmung des Einreisebegriffs in § 13 Absatz 2 lässt Rechtsvorschriften über die Einreise außerhalb des Ausländerrechts unberührt. Strafbare Handlungen eines Ausländers auf deutschem Staatsgebiet unterfallen gemäß § 3 StGB i.V. m. den jeweiligen bilateralen Abkommen über die Gemeinschaftsabfertigung dem deutschen Strafrecht, auch wenn er ausländerrechtlich als noch nicht eingereist gilt. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der Ausländer an einer so genannten „Vorgeschobenen Grenzkontrollstelle“ (deutsche Grenzkontrollstelle auf dem Hoheitsgebiet eines fremden Staates) Delikte begeht, insbesondere gemäß § 95 Absatz 3 i.V.m. § 95 Absatz 1 Nummer 3.
13.3 Allgemeine Hinweise zum Grenzübertritt und zur Einreiseverweigerung nach dem Schengener Grenzkodex
13.3.1 Grenzübertritt
Nach Artikel 4 Absatz 1 Schengener Grenzkodex dürfen die Außengrenzen nur an den Grenzübergangsstellen und während der festgesetzten Verkehrsstunden überschritten werden. Die Verkehrsstunden sind an den Grenzübergangsstellen, die nicht rund um die Uhr geöffnet sind, deutlich anzugeben. Ausnahmen hierzu sind in Artikel 4 Absatz 2 Schengener Grenzkodex geregelt. Nach Artikel 4 Absatz 3 Schengener Grenzkodex sehen die Mitgliedstaaten nach nationalem Recht wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen für das unbefugte Überschreiten der Außengrenzen außerhalb der Grenzübergangsstellen oder der festgesetzten Verkehrsstunden vor. Nach § 98 Absatz 3 Nummer 3 handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig außerhalb einer zugelassenen Grenzübergangsstelle oder außerhalb der festgesetzten Verkehrsstunden einreist. Nach § 98 Absatz 4 kann der Versuch der Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Die Ordnungswidrigkeit kann nach § 98 Absatz 5 mit einer Geldbuße bis zu 3 000 Euro geahndet werden. Die Binnengrenzen der Schengen-Staaten dürfen nach Artikel 20 Schengener Grenzkodex unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Personen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden.
13.3.2 Einreiseverweigerung nach Artikel 13 Schengener Grenzkodex
13.3.2.1 Nach Artikel 13 Absatz 1 Schengener Grenzkodex wird einem Drittstaatsangehörigen, der nicht alle Einreisevoraussetzungen des Artikels 5 Absatz 1 Schengener Grenzkodex erfüllt und der nicht zu dem in Artikel 5 Absatz 4 Schengener Grenzkodex genannten Personenkreis gehört, die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten verweigert. Das SDÜ und die zu seiner Ausführung und Fortschreibung erlassenen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften erfassen den Begriff der unerlaubten Einreise nicht. Erfasst ist hier lediglich die Einreiseverweigerung im Falle der Nichterfüllung der Voraussetzungen des Artikels 5 Absatz 1 Schengener Grenzkodex sowie die Pflicht, das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien unverzüglich zu verlassen, wenn die Voraussetzungen für einen kurzen Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllt sind (vgl. Artikel 23 Absatz 1 SDÜ).
13.3.2.2 Verfahren
13.3.2.2.1 Die Einreiseverweigerung erfolgt mittels einer begründeten Entscheidung unter Angabe der Gründe für die Einreiseverweigerung. Die Entscheidung wird von einer nach nationalem Recht zuständigen Behörde erlassen und tritt unmittelbar in Kraft. Die begründete Entscheidung mit genauer Angabe der Gründe für die Einreiseverweigerung wird mit dem Standardformular nach Anhang V Teil B Schengener Grenzkodex erteilt, das von der nach nationalem Recht zur Einreiseverweigerung berechtigten Behörde ausgefüllt wird. Das ausgefüllte Standardformular wird dem betreffenden Drittstaatsangehörigen ausgehändigt, der den Empfang der Entscheidung auf dem Standardformular bestätigt (vgl. Artikel 13 Absatz 2 Schengener Grenzkodex).
13.3.2.2.2 Nach Artikel 13 Absatz 2 Schengener Grenzkodex steht Personen, denen die Einreise verweigert wird, ein Rechtsmittel zu. Das Verfahren für die Einlegung des Rechtsmittels bestimmt sich nach nationalem Recht. Dem Drittstaatsangehörigen werden auch schriftliche Angaben zu Kontaktstellen gemacht, die ihn über eine rechtliche Vertretung unterrichten können, die entsprechend dem nationalen Recht in seinem Namen vorgehen kann. Die Einlegung eines solchen Rechtsmittels hat keine aufschiebende Wirkung und ist als Rechtsbehelfsbelehrung in dem auszuhändigenden Standardformular angegeben.
13.3.2.2.3 Die Modalitäten der Einreiseverweigerung an der Grenze wie Streichungen, Stempelungen usw. sind in Anhang V Teil A Schengener Grenzkodex aufgeführt.
13.3.2.2.4 Wird im Rechtsmittelverfahren festgestellt, dass die Entscheidung über die Einreiseverweigerung unbegründet war, so hat der betreffende Drittstaatsangehörige unbeschadet einer nach nationalem Recht gewährten Entschädigung einen Anspruch auf Berichtigung des ungültig gemachten Einreisestempels und anderer Streichungen und Vermerke durch den Mitgliedstaat, der ihm die Einreise verweigert hat.