Aufenthaltsrechte für Familienangehörige

Allgemeines

Art. 7 ARB 1/80 privilegiert Familienangehörige eines dem regulären Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Arbeitnehmers. Abgestuft nach der Dauer des ordnungsgemäßen Wohnsitzes im Inland haben sie gemäß Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 freien Zugang zum Arbeitsmarkt und daraus folgend auch Anspruch auf ein Aufenthaltsrecht. Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 betrifft den Zugang zum Arbeitsmarkt der Kinder, die eine Berufsausbildung im Inland abgeschlossen haben.

Art. 7 ARB 1/80 stellt keine abschließende Spezialregelung für Familienangehörige dar. Art. 6 ARB 1/80 und Art. 7 ARB 1/80 sind nebeneinander anwendbar.

Rn 3.2 AAH-ARB 1/80

Für Art. 7 ARB 1/80 gelten die vom EuGH zu Art. 6 ARB 1/80 entwickelten Grundsätze:

  • Art. 7 ARB 1/80 kommt unmittelbare Wirkung zu. Erfüllt ein türkischer Staatsanhöriger die Voraussetzungen dieser Vorschrift, so kann er die Rechte daraus unmittelbar in Anspruch nehmen.
  • Aus dem Recht aus Beschäftigung folgt unmittelbar ein Anspruch auf ein Aufenthaltsrecht.

EuGH, U. v. 05.10.1994 – C-355/93 –, Eroglu, Slg. I 1994, 5113 = InfAuslR 1994, 385

 

Begriff des Familienangehörigen

Der Begriff des "Familienangehörigen" ist in Art. 7 ARB 1/80 nicht näher bestimmt. Er ist als gemeinschaftsrechtlicher Begriff einheitlich auszulegen, um seine homogene Anwendungen in den Mitgliedstaaten sicherzustellen.

EuGH, U. v. 30.09.2004 – C-275/02 –, Ayaz

Der EuGH führt in der Rechtssache Ayaz Folgendes dazu aus:

"41 Zum einen soll, wie der Gerichtshof schon entschieden hat, die durch Art. 7 Satz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 eingeführte Regelung günstige Voraussetzungen für die Familienzusammenführung im Aufnahmemitgliedsstaat schaffen, indem den Familienangehörigen zunächst gestattet wird, bei dem Wanderarbeitnehmer zu leben, und ihre Stellung nach einer gewissen Zeit durch die Verleihung des Rechts gestärkt wird, in diesem Staat eine Beschäftigung aufzunehmen …
42 Zum anderen wird der gleiche Zweck durch die Verordnung Nummer 1612/68… verfolgt, insbesondere durch Ihren Art. 10 Abs. 1.
44 Der Gerichtshof hat seit dem Urteil vom 06. Juni 1995 (Bozkurt, Slg. 1995, I-1475, Rn. 14, 19 und 20) in ständiger Rechtsprechung aus dem Wortlaut der Art. 12 des Assoziierungsabkommens und 36 des Zusatzprotokolls sowie aus dem Zweck des Beschlusses Nr. 1/80, der auf die schrittweise Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer in Anlehnung an die Art. 48 EWG, 49 EWG und 50 EWG die der spricht Vertrag gerichtet ist, hergeleitet, dass die im Rahmen dieser Artikel geltenden Grundsätze soweit wie möglich auf die türkischen Arbeitnehmer, die die im Beschluss Nr. 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragen werden müssen. Daraus folgt, dass bei der Bestimmung Familienangehöriger in Art. 7 Satz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 auf die dem gleichen Begriff im Bereich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft die gebender Auslegung abzustellen ist, sich insbesondere auf die Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1612/68 zuerkannte Bedeutung…“

Der EuGH hat in der Rechtssache Ayaz (Rn. 46) weiter ausgeführt, dass Art. 7 Satz 1 ARB/180 keine Anhaltspunkte enthält, dass die Bedeutung des Begriffes "Familienangehöriger" des Arbeitnehmers auf dessen Blutsverwandte beschränkt wäre.

Bei Anwendung der vorzitierten Rechtsprechung ist zu beachten, dass der Kreis der Begünstigten im Gemeinschaftsrecht seit dem 01.05.2006 erweitert wurde. Denn nach Art. 38 Abs. 1 RL 2004/38/EG wurde Art. 10 VO 1612/EWG mit Wirkung zum 30.04.2006 aufgehoben. Aus Absatz 3 des Art. 38 RL 2004/38/EG ergeben sich, dass Bezugnahmen auf die aufgehobenen Bestimmungen oder Richtlinien als Bezugnahmen auf die vorliegende Richtlinie gelten. Dabei stellt sich die Frage, ob diese Änderung des Unionsbürgerrechts Einfluss auf dem Begriff des "Familienangehörigen“, der Rechte aus Artikel sieben ARB 1/80 ableiten möchte, Einfluss hat. Dies hätte zur Folge, dass dabei die Definition des Familienangehörigen nach Art. 2 Nr. 2 RL 2003/38/EG maßgeblich ist. Danach ist Familienangehöriger

  • der Ehegatte,
  • der Lebenspartner, mit dem der Unionsbürger auf der Grundlage der Rechtsvorschriften einen eines Mitgliedstaates eine eingetragene Partnerschaft eingegangen ist, sofern nach den Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats die eingetragene Partnerschaft der Ehe gleich gestellt ist,
  • der Verwandte in gerader absteigender Linie des Unionsbürgers und des Ehegatten oder des Lebenspartners, der das einundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder dem von diesen Unterhalt gewährt wird, und
  • der Verwandte in gerader aufsteigender Linie des Unionsbürgers und des Ehegatten oder des Lebenspartners.

 

Die Einbeziehung des Lebenspartners in den Familienbegriff ist in der Bundesrepublik Deutschland ohne Bedeutung, da es an einer derartigen Gleichstellung insbesondere im Bereich des Steuer- und Erbrechts fehlt.

Nach der Rechtsprechung des EuGH bleiben die gemäß Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 als Familienangehöriger erworbene Beschäftigungs- und Aufenthaltsrechte des Ehegatten eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers auch nach Scheidung der Ehe erhalten.

EuGH, U. v. 22.12.2010 – C-303/08 -, Bozkurt

Die Frage, ob Kinder nach der Eheschließung weiterhin in der Lage sind, die Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 zu erwerben ist Gegenstand der Vorlage in der Rechtssache Pehlivian (C-484/07). Die Generalanwältin hält die Statusänderung für nicht relevant, sofern die häuslicheLebensgemeinschaft mit den Eltern aufrechterhalten wird.

Bei Kindern, die älter als 21 Jahre sind, hängt die Eigenschaft als Familienangehöriger davon ab, ob ihnen tatsächlich Unterhalt gewährt wird. Die Frage, ob eine Unterhaltsgewährung neben dem familiären Zusammenleben erforderlich ist, wird der EuGH in der Rechtssache Pehlivian (C-484/07) klären.

Eine solche Unterhaltsgewährung liegt vor, wenn dem Verwandten tatsächlich Leistungen zukommen, die vom Ansatz her als Mittel der Bestreitung des Lebensunterhalts angesehen werden können. Dazu gehört eine fortgesetzte regelmäßige Unterstützung mit einem Umfang, der es ermöglicht, zumindest einen Teil des Lebensunterhalts regelmäßig zu decken. Maßstab ist dabei das Lebenshaltungsniveau in dem EU-Mitgliedstaat, in dem sich der Familienangehörige ständig aufhält. Es ist nicht erforderlich, dass derjenige, dem Unterhalt gewährt wird, einen Anspruch auf Unterhaltsgewährung hat oder seinen Unterhalt nicht selbst bestreiten könnte. Auf die Gründe für die Unterstützung kommt es ebenfalls nicht an. Die Inanspruchnahme von Sozialleistungen allein spricht nicht gegen die Unterhaltsgewährung.

Begriff Unterhaltsgewährung wurde vom EuGH erstmals in der Rechtssache Lebon konkretisiert.

EuGH, U. v. 18.06.1987 - Rs. 316/85 - Lebon, Slg. 1987, 2811

Mit dieser Entscheidung hat der EuGH klargestellt, dass die Eigenschaft eines unterhaltbeziehenden Familienangehörigen weder von einem Unterhaltsanspruch noch von sonstigen Gründen der Inanspruchnahme dieser Unterstützung abhängig ist. Stellt der Familienangehörige, dem Unterhalt gewährt wird, einen Antrag auf Sozialhilfe, da der gewährte Unterhalt des Existenzminimum nicht abdeckt, ändert dies nichts an der Eigenschaft als unterhaltbeziehender Familienangehöriger i.S.d. Art. 10 bzw. Art. 11 VO 1612/68. Der EuGH begründet diese Entscheidung mit der Überlegung, dass eine andere Sichtweise darauf hinausliefe, dass die Gewährung des Existenzminimums dem Betroffenen die Eigenschaft als Familienangeh, dem Unterhalt gewährt wird, nehmen und folglich entweder zur Streichung des Existenzminimums selbst führen oder sogar den Verlust des Aufenthaltsrechts rechtfertigen könnte. Eine solche Lösung würde es in der Praxis dem Familienangehörigen, dem Unterhalt gewährt wird, verbieten, die Gewährung des Existenzminimums zu beantragen und dadurch die dem Wanderarbeiter zuerkannte Gleichbehandlung beeinträchtigen. "Die Eigenschaft des Familienangehörigen, dem Unterhalt gewährt wird, ist somit ungeachtet der Gewährung des Existenzminimums zu beurteilen".

Um zu ermitteln, ob den Kindern der erforderliche Unterhalt gewährt wird, muss der grprüft werden, ob sie in Anbetracht ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage nicht in der Lage sind, ihre Grundbedürfnisse selbst zu decken. Der EuGH führt in der Rechtssache Jia

EuGH, U. v. 09.01.2007 – C-1/05 -, Jia

dazu aus:

“…dass unter "Unterhalt gewähren" zu verstehen ist, dass das Familienmitglied eines in einem anderen Mitgliedstaat im Sinne des Art. 43 EG niedergelassenen Gemeinschaftsangehörigen der materiellen Unterstützung durch diesen Gemeinschaftsangehörigen oder dessen Ehegatten bedarf, um seine Grundbedürfnisse in seinem Herkunftsstaat in dem Zeitpunkt zu decken, in dem er beantragt dem Gemeinschaftsangehörigen zu folgen … die bloße Verpflichtungserklärung des Gemeinschaftsangehörigen oder seines Ehegatten, diesem Familienmitglied Unterhalt zu gewähren, (ist) nicht als Nachweis dafür anzusehen, dass dieses tatsächlich unterhaltsbedürftig ist“.

Genehmigung zum Nachzug zu einem Arbeitnehmer

Art. 7 ARB 1/80 begründet kein eigenständiges Nachzugsrecht. Mit dieser Vorschrift sollen günstige Voraussetzungen für die Familienzusammenführung im Aufnahmemitgliedstaat geschaffen werden.

Der Anspruch auf ein Nachzugsrecht muss dem Familienangehörigen aufgrund anderer Rechtsvorschriften zustehen, grundsätzlich kann Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erst im Rahmen eines Verlängerungsanspruchs Anwendung finden. Nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Kadiman

EuGH, U. v. 17.04.1997 – C-351/95 -, Kadiman, Slg. I 1997, 2133 = InfAuslR 1997, 281

muss der Familienangehörige gerade zum Zweck des Familiennachzugs eine Genehmigung erhalten haben, um Rechte aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 beanspruchen zu können (BayVGH, U. v. 04.02.1998 – M 8 K 96.2610 – InfAuslR, 1998, 154). Insoweit besteht ein entscheidender Unterschied zu einem Anspruch aus Art. 6 ARB 1/80, bei dem es gerade nicht darauf ankommt, zu welchem Zweck erstmalig ein Aufenthaltsrecht gewährt wurde. Ein türkischer Staatsangehöriger, dem die Einreise zum Zwecke des Studiums ermöglicht wurde, kann auch dann nicht die Voraussetzungen des Art. 7 Satz. 1 ARB 1/80 erfüllen, wenn er mit seinen Eltern in häuslicher Gemeinschaft lebt. Dieser Auslegung steht auch nicht die Entscheidung des EuGH in der Rechtsssache Eroglu

EuGH, U. v. 05.10.1994 – C-355/93 –, Eroglu, Slg. I 1994, 5113 = InfAuslR 1994, 385

entgegen. Denn in dieser Entscheidung ging es um die Auslegung des Art. 7 S. 2 ARB 1/80, der seinem Wortlaut nach – anders als Art 7 S. 1 ARB 1/80 – gerade keine Genehmigung zum Nachzug voraussetzt.

Ein Anspruch aus Art. 7 S. 1 ARB 1/80 kann auch dann gegeben sein, wenn zuvor keine Genehmigung zum Zwecke der Familienzusammenführung erteilt wurde. Dies ist der Fall bei

  • Geburt eines Kindes im Bundesgebiet, EuGH, U. v. 07.07.2005 – C-373/03 –, Aydinli
  • Genehmigungsfreiem Zuzug eines Kindes in das Bundesgebiet; in diesem Fall wird die nach nationalem Recht genehmigungsfreie Einreise zum Zwecke der Familienzusammenführung der Genehmigung dann gleichgesetzt, wenn die Behörde den Aufenthalt nicht nachträglich zeitlich beschränkt hat. Eine genehmigungsfreie Einreise unter 16 Jahre alter türkischer Kinder war nach dem bis….. gültigen§ 2 DVAuslG vom ….. möglich. Inzwischen volljährige Kinder, die damals genehmigungsfrei eingereist waren und deren Aufenthalt nicht nach § 3 Abs. 5 AuslG 1990 nachträglich zeitlich beschränkt wurde, können daher einen Anspruch unmittelbar aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 ableiten.Außerdem können sich Kinder, die später eingereist sind, aufgrund des Art. 13 ARB 1/80 darauf berufen, dass ihre Einreise ohne Visum möglich war.

  • Der Anspruch aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 ist bei einer erst im Bundesgebiet geschlossenen Ehe in den Fällen des § 39 Nr. 3 – 5 AufenthV oder des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht von einer vorher einzuholenden Genehmigung zum Zuzug abhängig.

  • Besitzt der Ehegatte bereits einen Aufenthaltstitel und er muss daher keine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Familienzusammenführung einholen.

 

Ein Anspruch aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 setzt auch voraus, dass der die Rechtsstellung vermittelnde Familienangehörige türkischer Staatsangehöriger ist. Verliert der die Rechtsstellung vermittelnde türkische Arbeitnehmer die türkische Staatsangehörigkeit – z.B. durch Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit - bereits bevor die Dreijahresfrist abgelaufen ist, so kann der Familienangehörige keine Rechte mehr von ihm ableiten. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 (Die Familienangehörigen ...eines türkischen Arbeitnehmers...), als auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift. Zielsetzung ist es, den Nachzug von Familienangehörigen der im Bundesgebiet in gefestigter Position beschäftigten türkischen Arbeitnehmer zu erleichtern, indem ihnen bevorzugt die Eingliederung in den deutschen Arbeitsmarkt ermöglicht wird (Hess VGH, B. v. 23.07.2007 – 11 UZ 601/07 –, InfAuslR 2008, 7). Ansprüche aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80, die bereits vor der Einbürgerung des Stammberechtigten entstanden sind, bleiben bestehen.

Ordnungsgemäßer WohnsitzArt. 7 S.1 ARB 1/80 erfordert einen mindestens dreijährigen bzw. fünfjährigen ununterbrochenen ordnungsgemäßen Wohnsitz im Aufnahmeland.In der Rechtssache Kadiman führt der EuGH dazu aus:

EuGH, U. v. 17.04.1997 – C-351/95 –, Kadiman, Slg. I 1997, 2133 = InfAuslR 1997, 281

 

„Rn. 41...daß sich die Familienzusammenführung, die der Grund für die Einreise des Betroffenen in den fraglichen Mitgliedstaat war, während einer bestimmten Zeit im tatsächlichen Zusammenleben des Betroffenen mit dem Arbeitnehmer in häuslicher Gemeinschaft manifestiert."

Kurzfristige Unterbrechungen der Lebensgemeinschaft ohne die Absicht, den gemeinsamen Wohnsitz aufzugeben, sind wie der EuGH ebenfalls in der Rechtssache Kadiman klar gestellt hat, unschädlich:

„Rn. 47 Aus dem Geist und Regelungszweck dieser Vorschrift folgt somit, daß der Familienangehörige grundsätzlich seinen Wohnsitz während dieser drei Jahre bei dem türkischen Arbeitnehmer haben muß.

Rn.48 Diese Auslegung bedeutet jedoch nicht, daß sich der Betroffene nicht aus berechtigten Gründen für einen angemessenen Zeitraum vom gemeinsamen Wohnsitz entfernen dürfte, z.B. um Urlaub zu machen oder seine Familie im Heimatland zu besuchen. ..

Rn. 54 ...Für die Zwecke der Berechnung des dreijährigen ordnungsgemäßen Wohnsitzes im Sinne dieser Vorschrift ist jedoch ein unfreiwilliger Aufenthalt von weniger als sechs Monaten in seinem Heimatland zu berücksichtigen..."

Dies gilt auch für Zeiten, in denen der Betroffene nicht im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis war, wenn die zuständige Ausländerbehörde die Ordnungsmäßigkeit des Wohnsitzes im Aufnahmemitgliedstaat nicht in Frage gestellt hat, sondern vielmehr eine neue Aufenthaltserlaubnis erteilt hat.

EuGH, U. v. 17.04.1997 – C-351/95 –, Kadiman, Slg. I 1997, 2133 = InfAuslR 1997, 281

Nach Aufhebung der familiären Lebensgemeinschaft bzw. Wegfall des ordnungsgemäßen Wohnsitzes entfällt nicht die bereits erworbene Rechtsposition wie der EuGH in der Rechtssache Bozkurt

(EuGH, U. v. 22.12.2010 – C-303/08 – Bozkurt -)

unter Hinweis auf die Rechtssache Ergat klargestellt hat

(EuGH, U. v. 16.03.2000 – C-329/97 –, Ergat, InfAuslR 2000, 217).

Um einen Rechtsanspruch aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 zu erlangen, ist es nicht erforderlich, dass der Familienangehörige erwerbstätig wird. Dieser Vorschrift kommt im Rahmen der Familienzusammenführung eine eigenständige Bedeutung zu. Der Zweck des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 ist es, die Familienzusammenführung im Aufnahmemitgliedstaat zu fördern, die Beschäftigung und den Aufenthalt des dem regulären Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Arbeitnehmer dadurch zu erleichtern, dass die Familienangehörigen zu ihm ziehen und sich bei ihm im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten dürfen, und dann später das Recht erhalten, in diesem Staat selbst eine Beschäftigung aufzunehmen

(EuGH, U. v. 22.06.2000 – C-65/98 –, Eyüp.InfAuslR 2000, 329 unter Hinweis auf die Rechtssache Kadiman).

Im Unterschied zu Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 legt Art .7 Satz 1 ARB 1/80 dem Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers nicht die Verpflichtung auf, während einer bestimmten Dauer eine Beschäftigung im Lohn – oder Gehaltsverhältnis auszuüben. Ein Rechtsanspruch aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 setzt nur voraus, dass der Betroffene während einer Anfangszeit von drei Jahren seinen Wohnsitz tatsächlich bei dem Arbeitnehmer hat, von dem er sein Recht ableitet

(EuGH, U. v. 07.07.2005 – C-373/03 –, Aydinili).

Der EuGH führt in der Rechtssache Aydinli weiter aus, dass ein Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers, der die Genehmigung erhalten hat zum Zwecke der Familienzusammenführung zu diesem Arbeitnehmer zu ziehen, oder der im Aufnahmemitgliedstaat geboren ist und stets dort gelebt hat, die Rechtsposition nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erworben hat, diesen Anspruch nicht verliert, weil er zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.