1.3 Studienaufenthalt

Wird eine Aufenthaltserlaubnis zu einem Studium erteilt, so stellt sich häufig die Frage, ob und bis wann ein Studienplatzwechsel möglich ist. Nach § 16 Abs. 2 S. 1 AufenthG soll während eines durch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 AufenthG ermöglichten Aufenthalts keine Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck erteilt werden, sofern nicht ein gesetzlicher Anspruch besteht. Der Begriff des Aufenthaltszwecks in § 16 Abs. 2 S. 1 AufenthG knüpft indes an das konkret betriebene Studium und nicht etwa an den abstrakten Aufenthaltszweck "Studium" an, sodass deshalb schon bei einer Änderung der Fachrichtung (Studiengang und gegebenenfalls Studienfächer) ein anderer Aufenthaltszweck im Sinne von § 16 Abs. 2 S. 1 AufenthG vorliegt (vgl. OVG RP, B. v. 12.05.2015 – 7 B 10364/15.OVG – juris, Rn. 4; B. v. 10.12.2008 – 7 B 11227/08.OVG – NVwZ-RR 2009, 305 [306] sowie OVG NRW, B. v. 21.11.2011 – 18 B 1220/11 – AuAS 2012, 62 m.w.N.).

Eine bloße Schwerpunktverlagerung, bei der die betreffenden Studiengänge bis zum Wechsel identisch sind oder die im zunächst durchgeführten Studiengang absolvierten Semester auf den anderen Studiengang zumindest überwiegend angerechnet werden, ist nicht als Zweckwechsel anzusehen.

OVG RP, B. v. 12.05.2015 – 7 B 10364/15.OVG – juris, Rn. 5; B. v. 10.12.2008 – 7 B 11227/08.OVG – NVwZ-RR 2009, 305 [306]; vgl. ferner die Nrn. 16.2.6.1 und 16.2.6.2 der AVwV-AufenthG

Ein Ausnahmefall nach § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist durch einen atypischen Geschehensablauf gekennzeichnet, der so bedeutsam ist, dass er das ansonsten ausschlaggebende Gewicht des gesetzlichen Regelversagungsgrundes beseitigt. Zwar wird in der Praxis ein Fachrichtungswechsel innerhalb der ersten 18 Monate nach Beginn des Studiums zugelassen (so auch Nr. 16.2.5 S. 1 AVwV-AufenthG). Die generelle Gewährung einer achtzehnmonatigen "Orientierungsphase" kann mit Blick auf die in § 16 Abs. 2 S. 1 AufenthG angeordnete Versagung einer Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck im Regelfall nämlich als Berücksichtigung eines generellen Ausnahmefalles angesehen werden.

OVG RP, B. v. 12.05.2015 – 7 B 10364/15.OVG – juris, Rn. 5; B. v. 10.12.2008 – 7 B 11227/08.OVG – NVwZ-RR 2009, 305 [306] m.w.N.

Hingegen besteht ein Ausnahmefall, der die in § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorgesehene Regelfallversagung einer Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck ausschließt, nicht allein schon dann, wenn das neue Studium innerhalb einer Gesamtaufenthaltsdauer von zehn Jahren abgeschlossen werden kann. Zwar kann gemäß Nr. 16.2.5 Satz 2 AVwV-AufenthG ein Wechsel des Studiengangs nach – wie hier – mehr als 18 Monaten nach Beginn des Studiums im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung zugelassen werden, wenn das Studium innerhalb einer angemessenen Zeit abgeschlossen werden kann, wovon gemäß Nr. 16.2.5 Satz 3 AVwV-AufenthG in der Regel nicht auszugehen ist, wenn das Studium unter Berücksichtigung der bisherigen Studienleistungen und des hierfür aufgewendeten Zeitbedarfs innerhalb einer Gesamtaufenthaltsdauer von zehn Jahren nicht abgeschlossen werden kann.

Gemäß § 16 Abs. 1 S. 5 HS 2 AufenthG kann die Aufenthaltserlaubnis für ein Studium (nur dann) verlängert werden, wenn der Aufenthaltszweck noch nicht erreicht ist und in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann. Gesetzlich nicht geregelt ist, was unter einem angemessenen Zeitraum zu verstehen ist. Von Bedeutung ist hierfür in erster Linie, ob das Studium in einer – am staatlichen Interesse an einer effektiven Entwicklungshilfe gemessenen – vertretbaren und in diesem Sinne angemessenen Zeit beendet sein wird.

BayVGH, U. v. 05.05.2010 – 19 BV 09.3103 – juris, Rn. 49 m.w.N.

Entscheidend ist, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und der Normalzeitdauer für die Absolvierung des jeweiligen Studiums noch mit einem ordnungsgemäßen Abschluss gerechnet werden kann.

NdsOVG, B. v. 07.04.2006 – 9 ME 257/05 – juris, Rn. 2

Anhaltspunkte für die Beurteilung der Angemessenheit ergeben sich aus der für den jeweiligen Studiengang vorgesehenen Regelstudienzeit sowie der durchschnittlichen Studiendauer (vgl. Nr. 16.1.1.6.2 AVwV-AufenthG). Der Zeitraum bis zum voraussichtlichen Abschluss des Studiums ist jedenfalls dann regelmäßig nicht mehr angemessen, wenn zu diesem Zeitpunkt die Regelstudienzeit erheblich überschritten ist.

NdsOVG, B. v. 07.04.2006 – 9 ME 257/05 – juris, Rn.3; SaalOVG, B. v. 16.02.2011 – 2 B 352/10 – juris, Rn. 8

Das gleiche gilt, wenn das Studium voraussichtlich nicht innerhalb einer Frist von zehn Jahren erfolgreich abgeschlossen werden kann.

 SächsOVG, B. v. 21.01.2011 – 3 B 178/10 – juris, Rn. 6 unter Hinweis auf Nr. 16.1.1.7 AVwV-AufenthG

Rechtfertigende Gründe für eine zeitliche Verzögerung des Studienfortschritts können sich vor allem aus durch ärztliche Atteste nachgewiesenen Erkrankungen ergeben.

 BayVGH, U. v. 05.05.2010 – 19 BV 09.3103 – juris, Rn. 56 m.w.N.

Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit kann es auch dann geboten sein, trotz Überschreitung der regelmäßig zu erwartenden Studiendauer einen weiteren Aufenthalt zu ermöglichen, wenn die nachgewiesenen Ursachen der bisherigen Verzögerung weggefallen und etwa auf Grund einer inzwischen eingetretenen deutlichen Leistungssteigerung weitere Studienverzögerungen nicht zu erwarten sind und mit einem erfolgreichen Studienabschluss in absehbarer Zeit gerechnet werden kann.

BremOVG, B. v. 17.09.2010 – 1 B 169/10 – juris, Rn. 2, SächsOVG, B. v. 21.01.2011 – 3 B 178/10 – juris, Rn. 6

Außerdem muss der Lebensunterhalt gesichert sein. Nach § 2 Abs. 3 Satz 5 AufenthG gilt der Lebensunterhalt für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16 AufenthG als gesichert, wenn der Ausländer über monatliche Mittel in Höhe des monatlichen Bedarfs verfügt, der nach den §§ 13 und 13a BAföG zu bestimmen ist. Der Nachweis hinreichender Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Ersterteilung kann durch ein Sperrkonto erbracht werden, auf das der zwölffache Monatsbetrag des vom Bundesministerium des Innern im Bundesanzeiger veröffentlichten Betrages eingezahlt ist (16.0.8.1 f. AVwV-AufenthG). Daneben muss nach Art. 7 Abs. 1 lit. b der Studentenrichtlinie ein Nachweis über die notwendigen Mittel zur Begleichung der von der Hochschule berechneten Studiengebühren erbracht werden.

Neben dem Studium dürfen ausländische Studenten 120 ganze oder 240 halbe Tage im Jahr arbeiten, ohne hierfür die Zustimmung der Ausländerbehörde zu benötigen. (Rechtsgrundlage: § 16 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Studentische Nebentätigkeiten an Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen sind sogar ohne zeitliche Begrenzung möglich. Dazu zählen auch hochschulbezogene Tätigkeiten in hochschulnahen Organisationen (z.B. in Wohnheimen des Deutschen Studentenwerks, in der Beratungsarbeit der Hochschulgemeinden, der Allgemeinen Studierendenausschüsse (AStA) und der World University Service), wenn sie im fachlichen Zusammenhang mit dem Studium stehen. Die Ausländerbehörde sollte über die Tätigkeit informiert werden.

Wenn mehr als die Hälfte der üblichen Arbeitszeit (in der Regel 8 Stunden) gearbeitet wird, gilt dies als ganzer Arbeitstag (d.h. auch 6-Stunden-Tage gelten als volle Arbeitstage). Wenn bis zur Hälfte der üblichen Arbeitszeit (in der Regel 4 Stunden) gearbeitet wird, gilt dies als halber Arbeitstag. Pausen zählen nicht zur Arbeitszeit.

Auf das eingeräumte Beschäftigungsrecht werden nur die Tage angerechnet, an denen die ausländischen Studierenden der Beschäftigung tatsächlich nachgehen. Bezahlte oder unbezahlte Urlaubs- und Krankheitstage werden demzufolge nicht auf die 120 Tage zustimmungsfreier Beschäftigung angerechnet.

Wer mehr als 120 ganze oder 240 halbe Tage im Jahr (außerhalb der Hochschule oder einer wissenschaftlichen Einrichtung) arbeiten will, braucht eine Genehmigung der Ausländerbehörde, die prüfen muss, ob eine Genehmigung der zuständigen Bundesagentur für Arbeit einzuholen ist.

Mit der neuen Studentenrichtlinie vom 11.05.2016 (RL 2016/801/EU) wird eine Änderung der Beschäftigungsregelung notwendig. Der Art. 24 RL 2016/801/EU erweitert die Beschäftigungsmöglichkeit auf 15 Stunden pro Woche. Damit sind auch dreimal wöchentlich 5 Stunden Beschäftigung möglich, was zurzeit 150 ganzen Tagen entspricht.

Hinsichtlich des Ehegattennachzugs ist zu differenzieren:

Wenn die Ehe bereits bestand, als die Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Studiums (gem. § 16 Abs. 1 AufenthG) erteilt wurde, hat der/die Ehepartner/in das Recht auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn der/die Ehepartner/in vorhat, länger als ein Jahr in Deutschland zu bleiben (siehe § 30 Abs. 1 Nr. 3e AufenthG) und die sonstigen Voraussetzungen (beide Ehepartner haben das 18 Lebensjahr vollendet und der/die nachziehende Ehepartner/in verfügt über deutsche Sprachkenntnisse einfacher Art) erfüllt.

Ist die Eheschließung erst erfolgt, nachdem dem/der Student/in die Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde, kann dem/der Ehepartner/in eine Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn der/die nachziehende Ehepartner/in die allgemeinen Voraussetzungen (s.o.) erfüllt und der/die Student/in bereits seit zwei Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist. Eine Verlängerung dieser Aufenthaltserlaubnis beziehungsweise die spätere Erteilung einer Niederlassungserlaubnis darf zudem nicht ausgeschlossen sein (vgl. § 30 Abs. 1 Nr. 3d AufenthG).