> End
Die Vorschrift stimmte in vollem Umfang mit dem Gesetzentwurf vom 07.02.2003.
Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Zuwanderungsgesetz - BT-Drucks. 15/420 v. 07.02.2003
überein und ist in weiteren Gesetzgebungsverfahren, insbesondere durch das Änderungsgesetz 2007, nicht geändert worden.
Die Ausreisefreiheit ist für Deutsche nicht durch Art. 11 GG gewährleistet (BVerfG, U. v. 16. 1. 1957 – 1 BvR 253/56 – BVerfGE 6, 32). Sie gehört vielmehr zur allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG, die für Deutsche wie Ausländer gleichermaßen gilt und den dort genannten Beschränkungen unterliegt. Ausreisefreiheit auch für Ausländer ist außerdem unter ähnlichen Einschränkungen garantiert durch Art. 13 Abs. 2 UN-Menschenrechtdeklaration, Art. 12 Abs. 2 IPbpR und Art. 2 Abs. 3 Zusatzprotokoll Nr. 4 zur EMRK. Im Einklang hiermit stehen die Förderung der Ausreise nach Abs. 1 und das Ausreiseverbot des Abs. 2. Zusätzlich ist die Ausreisefreiheit im Lichte des Art. 21 AEUV (Allgemeines Freizügigkeitsrecht) zu betrachten (vgl. zudem Art. 4 RL 2004/38/EG, Recht auf Ausreise; vgl Rn 14). Das gilt auch für Deutsche, die dieses europäische Recht mit der Ausreise in Anspruch nehmen.
Im Gegensatz zum Begriff der ausländerrechtlichen Einreise (s. § 13 Rn. 2) ist der Begriff der Ausreise nicht legal definiert. Wann von einer Ausreise zu sprechen ist, ist in Abhängigkeit nach Sinn und Zweck der jeweiligen zugrunde liegenden Norm festzustellen. In strafrechtlicher Hinsicht (s. § 95 Rn. 41f.) ist die Ausreise jedenfalls dann schon vollendet, wenn der Ausländer die Grenzlinie zum Nachbarstaat überschritten hat (vgl. schon BayObLG, NJW 1992, 3116), unabhängig davon, ob an dieser Stelle eine Grenzübergangsstelle vorhanden ist oder nicht. Die Strafvorschrift bezweckt den Schutz vor dem tatsächlichen Verlassen Deutschlands (so auch Westphal/Stoppa, Ausländerrecht für die Polizei, 3. Aufl., S. 615). In Bezug auf z.B. verwaltungsrechtliche Erlöschensfragen eines Aufenthaltstitels oder einer Duldung ist erforderlich, dass nach dem Überschreiten der Grenzlinie eine vollendete Einreise in den Nachbarstaat stattgefunden hat. Das entspricht auch der völkerrechtlichen Auffassung, jedenfalls dann keinem Ausländer die Wiedereinreise in den Ausreisestaat zu verweigern, wenn dieser über eine Grenzübergangsstelle versuchte auszureisen, die Einreise in den Zielstaat aber verweigert wurde. Andernfalls würde eine Zurückweisung im Wiedereinreisestaat zu der unerträglichen Situation führen, dass der Ausländer zwischen zwei Staaten pendelt.
Abs. 1 soll für alle Maßnahmen zur Förderung der Ausreise eine gemeinsame Grundlage darstellen, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Maßnahme selbstständig oder zusammen mit einem anderen Verwaltungsakt ergeht. Die Bestimmung ist im Zusammenhang mit der ges Beschränkung und den weiteren Beschränkungsmöglichkeiten des § 61 zu sehen. Dem Gesetzentwurf (2004) zufolge sollte sie die Möglichkeit der Beschränkung einer Duldung (§ 56 Abs. 3 AuslG) ersetzen (s.o. Rn. 1). Sie hat trotz Aufrechterhaltung des Instituts der Duldung (vgl. § 60 a) ihre Funktion nicht eingebüßt. Für die Duldung ist weder in § 60 a noch in § 12 die Zulässigkeit von Auflagen oder anderen Nebenbestimmungen vorgesehen, wohl aber in § 61 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 1a.Die nach § 46 Abs. 1 möglichen Maßnahmen, Bedingungen und Auflagen müssen aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken dienen, dürfen nicht in Widerspruch zum Zweck einer Duldung stehen (VG Stuttgart, U .v. 21.10.2009 - 11 K 3204/09, juris).
Bei der Maßnahme zur Förderung der Ausreise muss es sich um eine konkrete Regelung eines Einzelfalls i.S.d. § 35 VwVfG handeln. Keine Ordnungsverfügung mit Regelungsgehalt ist z.B. in dem rechtlichen Hinweis auf eine Ausreiseverpflichtung und die Folgen einer Nichterfüllung oder in einer Ausreiseaufforderung zu sehen, mit der keine konkreten Anordnungen verbunden sind. Diese Maßnahmen sind nicht identisch mit der Abschiebung und deren Androhung, sondern sollen diese möglichst erübrigen.
Eine Verfügung zur Förderung der Ausreise kann nur gegenüber einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer (vgl. § 58 Abs. 2) getroffen werden. Die Maßnahme soll dazu dienen, den Ausländer zur Ausreise zu veranlassen und damit eine Abschiebung (§ 58 Abs. 1) zu vermeiden. Als milderes Mittel muss sie ihrer Art und ihrer Wirkung nach erforderlich und geeignet zugleich sein. Sie muss vor allem mit den auch für Ausländer geltenden verfassungsrechtlich und europarechtlich Gewährleistungen im Einklang stehen, so mit der Garantie eines ehelichen und familiären Zusammenlebens (Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG) und der Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK).
Nach Auffassung des EGMR (vgl. dazu EGMR, U. v. 18. 10. 2006 – Nr 46410/99 – Üner/Niederlande, Rn. 57 f.) muss man akzeptieren, dass die Gesamtheit der sozialen Bindungen zwischen den niedergelassenen Einwanderern und der Gemeinschaft, in der sie leben, fester Bestandteil des „Privatlebens“ i.S.d. Art. 8 sind. Unabhängig also vom Bestehen oder Nichtbestehen eines „Familienlebens“ ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die Ausweisung eines niedergelassenen Einwanderers einen Eingriff in sein Recht auf Achtung seines Privatlebens darstellt. Das BVerfG misst dem Recht auf Achtung des Privatlebens als Summe der persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts eine wachsende Bedeutung zu (BVerfG, U. v. 10. 5. 2007 – 2 BvR 304/07 –). Danach ist die Prüfung der jeweils aktuellen Verhältnisse des Ausländers zum Zeitpunkt der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung in das gerichtliche Verfahren verlagert; die Auffassung, auf den Zeitpunkt der behördlichen Ausweisungsverfügung abzustellen, wurde durch das BVerwG aufgegeben (BVerwG, U. v. 15. 11. 2007 – 1 C 45.06 – juris).
In Betracht kommen nur Maßnahmen, die nicht bereits nach §§ 54 a, 61 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 getroffen werden können und die sich nicht wegen der ges räumlichen Beschränkung des Aufenthalts vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer nach § 61 Abs. 1 Satz 1 erübrigen (hierzu VG Münster, B. v. 01.03.2010 – 8 K 2134/08 – Rn 3, juris, das die Frage, ob die Ermächtigung hierzu (allein) auf § 46 Abs. 1 oder (auch) auf § 61 Abs. 1 Satz 2 beruht oder der Anwendungsbereich einer der beiden Vorschriften nach den Grundsätzen der Spezialität oder Subsidiarität zurücktritt, offen lässt; vgl dazu z.B. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, II-§ 61 Rn. 10 f.; Hailbronner, Ausländerrecht, Band 2, § 46, Rn. 3 f. und § 61, Rn. 10 f. Es können z.B. Anordnungen getroffen werden, sich regelmäßig bei der Ausländerbehörde zu melden (außerhalb der gesetzlichen Fälle des § 54 a), angekündigte eigene Vorbereitungen (z.B. Erwerb von Flugscheinen) nachzuweisen, ungültig gewordene Bescheinigungen (z.B. nach § 81 Abs. 5) bei der Ausländerbehörde abzugeben, auf einem Sperrkonto der Ausländerbehörde ratenweise Abschiebungskosten anzusparen oder eine Rückkehrberatung in Anspruch zu nehmen, Wechsel des Aufenthaltsortes oder Beschäftigung mitzuteilen, Untersagung der Erwerbstätigkeit (BayVGH, B. v. 21.12.2006 - 24 CS 06.2958 - Rn. 26 u. B. v. 05.06.2007 - 24 CS 07.1014 -, juris; VG Ansbach, B. v. 30.07.2007 - AN 19 S 07.01438 -, juris, VG München, B. v. 12.03.2007 - M 4 S 07.557 - Rn. 26, juris) etc., vgl. auch Nr. 46.1.4 AVwV. Sinn und Zweck einer auf § 46 Abs. 1, § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG gestützten Meldeauflage kann nur sein, die Sicherstellung der räumlichen Aufenthaltsbeschränkung und der Wohnsitzauflage zu erreichen. Fehlende Bemühungen um Identitätspapiere oder Rückreisedokumente rechtfertigen den Erlass und die Aufrechterhaltung einer Meldeauflage nicht, VG Stuttgart, Rn. 4).
Werden dem Ausländer nach förmlichem Abschluss des Asylverfahrens und nach Erlöschen seiner Aufenthaltsgestattung Duldungen erteilt, ist hinsichtlich des Fortbestandes der Zuweisungsentscheidung danach zu differenzieren, aus welchen Gründen die Duldung erteilt wird. Die Zuweisungsentscheidung wird gegenstandslos, wenn nach Abschluss des Asylverfahrens der Aufenthalt des Ausländers auf absehbare Zeit nicht beendet werden soll bzw. darf. Dann wird der weitere Aufenthalt nach ausländerrechtlichen Vorschriften geregelt und ist das Aufenthaltsgesetz auch für die Wohnsitzbestimmung des Ausländers maßgeblich (§§ 46 Abs. 1, 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Demgegenüber bleibt die Zuweisungsentscheidung wirksam, wenn dem erfolglosen Asylbewerber nach Abschluss des Asylverfahrens lediglich zum Zwecke der Abschiebung für die notwendige Dauer der aufenthaltsrechtlichen Abwicklung Duldungen erteilt werden, die damit asylverfahrensabhängig sind (VG Saarland, U. v. 22.20.2010 - 2 K 1824/09 - Rn 28, juris).
> Back
Ein Ausreiseverbot kann gegen Ausländer entsprechend den Bestimmungen für Deutsche erlassen werden. Ein Eingriff ist nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG aufgrund eines grundrechtseinschränkenden Gesetzes – unter Berücksichtigung der europarechtlichen Dimension – möglich. Dieses Gesetz stellt für Deutsche das PassG (§ 10 Abs. 1 PassG) dar. Für Drittausländer und für Freizügigkeitsberechtigte (s. § 11 Abs. 1 FreizügG/EU) gilt § 46 Abs. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 PassG analog.
§ 10 Abs. 1 Satz 1 PassG schreibt ein Ausreiseverbot zwingend in den Fällen der Passversagung (§ 7 Abs. 1 PassG), des Passentzugs (§ 8 PassG) und der Einschränkung der Berechtigung zum Verlassen des Bundesgebiets mit Personalausweis (§ 6 Abs. 7 PAuswG) vor. Die tatsächlichen Voraussetzungen für diese Maßnahmen sind im Katalog des § 7 Abs. 1 PassG aufgezählt. § 10 Abs. 1 Satz 2 PassG ermöglicht ein Ausreiseverbot, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für die Passversagung vorliegen, oder wenn ein zum Grenzübertritt gültiger Pass oder Passersatz fehlt. Eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmungen hat zur Folge, dass dem Ausländer die Ausreise bei Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 7 Abs. 1, 8 PassG und § 6 Abs. 7 PAuswG untersagt werden kann, aber nicht muss; denn Abs. 1 Satz 1 ermöglicht lediglich eine Entscheidung nach Ermessen, obwohl sie z.T. (§ 7 Abs. 1 PassG) an Tatbestände anknüpft, die zwingend Maßnahmen vorschreiben (ebenso Hailbronner, § 46 AufenthG, Rn. 10). Die Tatbestände decken sich z.T. mit den Ausweisungsgründen des § 55 und zwingen deshalb zur Auseinandersetzung mit der Möglichkeit, den Ausländer auszuweisen statt zwangsweise im Inland zu halten.
Ein Ausreiseverbot kann danach bei Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit oder sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland erlassen werden (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG; als eine Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland können unter besonderen Umständen auch Handlungen gewertet werden, die geeignet sind, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden, VG Stuttgart, B. v. 04.04.2009 – 11 K 1297/09 –, juris). Die Gefährdung der Sicherheit (dazu § 54) oder anderer erheblicher deutscher Interessen (dazu § 47) muss durch die Ausreise, nicht wie nach § 54 durch den Verbleib im Bundesgebiet eintreten. Passentziehung und Ausreiseverbot kann bei Verdacht der beabsichtigten Teilnahme am bewaffneten Dschihad nach Besuch eines terroristischen Ausbildungslagers in Betracht kommen (OVG BB, B. v. 07.03.2011 – OVG 5 S 22.10, OVG 5 M 34.10 –, juris). Der Maßstab für eine Ausreiseuntersagung aufgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 1 („sonstige erhebliche Belange“) ist eng (vgl. BVerwG, U. v. 29.08.1968 – I C 67.67 –, DÖV 1969, 74 u. BVerwG, B. v. 17. 9. 1998, „es müsse sich um Belange handeln, die so erheblich seien, dass sie der freiheitlichen Entwicklung in der Bundesrepublik aus zwingenden staatspolitischen Gründen vorangestellt werden müssten“.) auszulegen und an den Nrn. 1–9 auszurichten. Lediglich eine Gefährdung des Ansehens Deutschlands im Ausland reicht ggf. nicht. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass im Hinblick auf das belastete historische Erbe der Bundesrepublik Deutschland radikalen Umtrieben von Personen, die im Bundesgebiet leben, im Ausland ein besonderes Gewicht beigemessen wird (VG Ansbach, B. v. 07.06.2004 – AN 5 S 04.00980 –, juris). Eine erhebliche Beeinträchtigung der auswärtigen Beziehungen ist in Nr. 7.4.3 der VwVPassG („Sonstige erhebliche Belange“ sind nach der Rechtssprechung des BVerfG (U. v. 16. 1. 1957) Belange, die in ihrer Erheblichkeit den beiden anderen Tatbeständen wenn auch nicht gleich-, so doch nahe kommen müssen. Darunter fallen auch die Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung der auswärtigen Beziehungen sowie ein das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schädigendes Verhalten im Ausland) gefordert. Zu diesen Belangen zählt jedenfalls das Interesse der Bundesrepublik Deutschland, ihre Staatsangehörigen an der Begehung strafbarer Handlungen im Ausland zu hindern (VGH BW, B. v. 04.04.2009 – 1 S 808/09 –, juris). Das Vorliegen eines ein Ausreiseverbot nach § 46 Abs. 2 Satz 1 AufenthG rechtfertigenden Passversagungsgrundes setzt daher voraus, dass der Ausländerbehörde konkrete und belegbare Tatsachen zu Verfügung stehen, die die Begründetheit ihrer Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Die Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind. Dies schließt die bloße Möglichkeit, die Vermutung oder den durch konkrete Tatsachen nicht belegbaren Verdacht zur ausreichenden Begründung der Annahme einer Gefahrenlage aus (VG Aachen, B. v. 14.04.2009 - 8 L 164/09 - Rn. 20, juris; vgl. Medert/Süßmuth, Paß- und Personlausweiswesen, Band 2, 2. Aufl., Erl. zu § 7 PassG Rn 4; OVG Bremen, U. v. 02.09.2008 - 1 A 161/06 -, juris).
Die Grenzbehörde ist nicht nur zeitlich die erste Behörde, der es obliegt, bei der Einreise von außen eindringende Gefahren für die Bundesrepublik Deutschland zu verhindern, sondern ist auch die Behörde, die als letzte die Möglichkeit hat, Gefahren noch bei der Ausreise abzuwehren. Der Grenzbehörde kommt damit eine Schlüsselrolle im Gefüge der deutschen Sicherheitsbehörden zu. In Betracht kommen insbesondere der Verrat von Staatsgeheimnissen oder eine andere Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten aber auch die Gefährdung erheblicher Belange durch das Auftreten deutscher gewaltbereiter Fußballfans („Hooligans“) bei internationalen Fußballspielen im Ausland.
Die Ausreiseuntersagung gegen EU-Bürger hält im Falle der Wiedereinführung von Grenzkontrollen eines Nachbarlandes zur Bundesrepublik Deutschland schon deshalb rechtlich nicht Stand (zudem ist die europarechtlich geschützte Ausreisefreiheit zu beachten, vgl. Rn 2), wenn damit allein verhindert werden soll, dass das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland beschädigt und damit erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden. Eine solche Maßnahme dient nicht der Abwendung einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland (insoweit muss es sich um eine im Inland wirksam werdende Bedrohung handeln). Ihre Anordnung im Rahmen der vorübergehend wieder eingeführten Grenzkontrollen an einer Binnengrenze verstößt daher gegen die Bestimmungen der Art. 23f SGK (VG Stuttgart, B. v. 04.04.2009 – 11 K 1297/09 –, juris). Gegenüber Freizügigkeitsberechtigten läuft bei Ausreiseabsicht in einen Staat der EU, des EWR oder in die Schweiz Abs. 2 Satz 2 weitestgehend leer, da im Rahmen des europäischen Freizügigkeitsrechts ein Einreise- und Aufenthaltsrecht jedenfalls für bis zu drei Monate besteht, das für den berechtigten Personenkreis die visumfreie Einreise mit einem gültigen Personalausweis vorsieht.
Die erforderliche Wahrscheinlichkeit der Gefährdung bestimmt sich nach Art und Schwere der zu erwartenden Beeinträchtigung (vgl. OVG Bremen, B. v. 28. 6. 2000 – 1 B 240/00 – NordÖR 2001, 107; VGH BW, B. v. 14. 6. 2000 – 1 S 1271/00 – NJW 2000, 3658). Die Behörden haben unter Berücksichtigung des Interventionsminimums diejenige Maßnahme zu wählen, die als zwecktaugliche Maßnahme den Betroffenen am geringsten beeinträchtigt. In diesem Zuge sind vor einer Ausreiseuntersagen Maßnahmen der sog. Gefährderanschreiben oder -ansprache sowie die Meldeauflage zu prüfen (zu den Anforderungen polizeilicher Gefährderanschreiben OVG Lüneburg U. v. 22. 9. 2005 – 11 LC 51/04 – und polizeilichen Meldeauflagen OVG BB, U. v. 21.03.2006 – OVG 1 B 7.04 –, juris; OVG Lüneburg, B. v. 14. 6. 2006 – 11 ME 172/06 –; zur Einschränkung des Geltungsbereichs des Reisepasses und Personalausweises VG Stuttgart, B. v. 28. 9. 2005 – 11 K 3162/05 – sowie 11 K 3167/05 – und VGH Bremen, U. v. 2. 9. 2009 – 1 A 161/06 –; kritisch Schucht zur Meldeauflage, NVwZ 2011, 709-713). Im Rahmen der Ermessensausübung bei der Prüfung einer Ausreiseuntersagung von gewaltbereiten Fußballfans sind an den Tatsachenbegriff hinreichend konkrete Anhaltspunkte, insbesondere aus der jüngeren Vergangenheit (VGH BW, U. v. 7. 12. 2004 – 1 S 2218/03 – juris (z.B. aktuelle vergangenheitsbezogene Eintragungen aus der Datei „Gewalttäter Sport“, Aussagen der Fanbetreuer oder fankundigen Beamten etc.)), gebunden.
Zusätzlich muss eine aktuelle Gefährdungslage feststellbar sein (z.B. alkoholisiertes, aggressives Auftreten, Mitführen gefährlicher oder verbotener Gegenstände etc.). Maßgeblich ist die Erkenntnismöglichkeit des konkret handelnden Beamten zum Zeitpunkt des Einschreitens, VG Stuttgart, B. v. 04.04.2009 – 11 K 1296/09 – Rn. 8, juris. Angesichts des hohen Rangs der grundgesetzlich garantierten Reisefreiheit können szenetypische Kleidungsstücke (dunkle Kleidung mit Kapuze oder Schal) eine Ausreiseuntersagung allein nicht rechtfertigen (VG Stuttgart, B. v. 04.04.2009 – 11 K 1296/09 – Rn. 12, juris). Aus der bloßen Teilnahme an einer Fahrt zu einer Demonstration können keine Tatsachen im hier geforderten Sinne geschlossen werden (VG Stuttgart, B. v. 31.03.2009 – 11 K 1182/09 – Rn. 27, juris). Abschließend muss eine positive Gefahrenprognose unter Prüfung der Verhältnismäßigkeit zu dem Ergebnis führen, dass das Ausmaß zu erwartender Schäden in Bezug auf die Bedeutung des stattfindenden Ereignisses (z.B. Welt- oder Europameisterschaft) im Verhältnis zu den persönlichen Nachteilen durch die Reisebeschränkung überwiegt. Im Zweifel ist der Nachteil für den Antragsteller geringer, als der Nachteil für den Antragsgegner im Falle der Ausreise trotz Vorliegens von Ausreiseuntersagungsgründen (Fehn, Polizei&Wissenschaft 1/2000). Ein mehr als ein Jahr zurück liegender Verdacht auf Landfriedensbruchs (§§ 125, 125a StGB) reicht, wenn das Verfahren nach § 170 II StPO mangels hinreichenden Nachweises für die Täterschaft eingestellt worden war, für die Prognose nach § 10 I S. 2 PassG nicht aus (VG Stuttgart, U. v. 17.08.2009 – 11 K 237/09 – Rn. 18, 30, juris). Eine „bestimmte Tatsache“ i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG (PaßG 1986) kann nicht schon darin gesehen werden, dass der Betreffende im Datenbestand INPOL als „Gewalttäter links“ ausgeschrieben ist. Ohne genaue Kenntnis des der Eintragung des Betroffenen in dem Datenbestand INPOL zugrundeliegenden Geschehens ist eine realistische Gefahrenprognose nicht möglich (VG Stuttgart, B. v. 04.04.2009 – 11 K 1293/09 – Rn. 12, juris).
Ob sich ein Ausländer der Strafverfolgung oder -vollstreckung oder Maßregeln der Besserung und Sicherung in Deutschland durch Ausreise entziehen will (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 PassG), muss ebenfalls mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden. Bloße Vermutungen können schon vom Tatbestand her eine Ausreisesperre nicht rechtfertigen. Der Wille muss ausdrücklich oder stillschweigend geäußert sein oder sich aus dem Verhalten des Ausländers sicher ergeben (OVG NRW, B. v. 26.08.1993 – 25 A 1200/93 –, juris).
Der Wille zur Zuwiderhandlung gegen Vorschriften des BtMG über Einfuhr, Ausfuhr, Durchfuhr oder Inverkehrbringen von Betäubungsmitteln (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 PassG) braucht nicht auf eine entgeltliche oder gewerbsmäßige Begehung gerichtet zu sein. Der bloße Verbrauch genügt nicht; er kann aber z.B. auf eine eigene Einfuhr zurückgehen und deshalb, wenn er gewollt ist, zum Ausreiseverbot führen. Es kann sich auch um andere als die in § 55 Abs. 2 Nr. 4 erfassten harten Drogen handeln.
Der Wille zur Entziehung von steuerlichen Verpflichtungen, zu zoll-, monopol- oder außenwirtschaftsrechtlichen Zuwiderhandlungen oder schwerwiegende Verstößen gegen Einfuhr-, Ausfuhr- oder Durchfuhrverbote oder -beschränkungen (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG) kann nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. auch § 7 Abs. 2 Satz 1 PassG) ein Ausreiseverbot nur rechtfertigen, wenn es den bevorstehenden Schaden verhindern kann. Dasselbe gilt für den Willen, sich einer gesetzlichen (nicht einer sonstigen) Unterhaltspflicht zu entziehen (§ 7 Abs. 1 Nr. 5 PassG).
Der Wille zur Begehung bestimmter Gesetzesverstöße als Wehr- oder Zivildienstpflichtiger, nämlich das Verlassen Deutschlands ohne Erlaubnis nach WPflG oder ZDG (§ 7 Abs. 1 Nrn. 7 bis 9 PassG), taugt grds. als Anlass für ein Ausreiseverbot. Besonders sorgfältig muss aber untersucht werden, ob der Ausländer überhaupt der deutschen Wehrpflicht unterliegt (vgl. § 2 WPflG). Der Wille muss auch hier deutlich geäußert oder sonst kundgetan sein. Anhaltspunkte für einen dahingehenden Entschluss können aus entsprechenden Vorbereitungen hergeleitet werden.
Auch bei Vorliegen der Voraussetzungen ist das Ausreiseverbot nicht zwingend vorgeschrieben, sondern in das Ermessen der Ausländer- oder Grenzbehörden gestellt. Dabei ist vor allem festzustellen, ob es im Einzelfall öffentliche Interessen zu dienen geeignet ist und gewichtige private Interessen nicht entgegenstehen. Die freiheitsbeschränkenden Folgen für den Ausländer müssen sorgfältig mit dem Vorteil für die Bundesrepublik Deutschland abgewogen werden, damit das Verbot nicht unverhältnismäßig wirkt (Hailbronner, § 46 AufenthG, Rn. 25). Soweit zugleich ein Ausweisungsgrund verwirklicht ist oder sonst eine Beendigung des Aufenthalts in Frage kommt, gebührt dieser Möglichkeit u.U. im öffentlichen Interesse der Vorrang. Vorrang genießt auch das deutsche Interesse daran, dass ein Ausländer ohne ausreichende Dokumente und Erlaubnisse nicht in einen anderen EU- oder EWR-Staat oder in einen Staat, mit dem ein zur Rücknahme unerlaubt eingereister Ausländer verpflichtendes Rückübernahmeabkommen besteht, einreist.
Mit der gegenüber Deutschen fehlenden Möglichkeit des Ausreiseverbots wegen Nichtbesitzes der erforderlichen Papiere (i.d.R. gültiger und anerkannter Pass und erforderliches Visum) für die Einreise in einen anderen Staat soll im außenpolitischen Interesse der Bundesrepublik Deutschland der unerlaubten Einreise in andere Staaten vorgebeugt werden. Das Bestreben, damit ausländischen Staaten zu einer ähnlichen Verfahrensweise anzuregen, ist gewichtig, kann aber im Einzelfall hinter andere Überlegungen zurückgestellt werden, wenn der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet deutschen Interessen noch stärker zuwiderläuft. Dabei ist sowohl auf die Gründe und die Verantwortung für den Nichtbesitz von Einreisedokumenten und -erlaubnissen abzustellen als auch auf die voraussichtliche Dauer bis zur Beschaffung entsprechender Papiere.
Zuständig für die Anordnung einer Maßnahme zur Förderung der Ausreise und für den Erlass eines Ausreiseverbots sind die Ausländerbehörde (§ 71 Abs. 1 Satz 1) oder die Grenzbehörde, falls das Ausreiseverbot an der Grenze zu erlassen ist (§ 71 Abs. 3 Nr. 4). Eine Schriftform ist nach § 77 nicht vorgeschrieben, aber anzuraten i.S.e. effektiven Rechtsschutzes. So sind insbesondere bei der Ausreiseuntersagung von Ausländer an der Grenze die sofortige Vollziehung und eine Rechtsbehelfsbelehrung schriftlich zu erteilen (OVG SH, B. v. 10. 12. 2007 – 4 O 63/07, 14 A 139/07 –, das die mündliche Erteilung und Begründung der Ausreiseuntersagung eines Deutschen für zulässig hielt).
Nach Wegfall der Gründe für den Erlass ist das Ausreiseverbot aufzuheben. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ausreiseverbot rechtmäßig ist, ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen (VG Aachen, U. v. 26.08.2009 - 8 K 637/09 -, Rn 31, juris; VG Freiburg, U. v. 19.06.2008 - 1 K 2155/07 - Rn 19, juris). Damit sind die Voraussetzungen für den Widerruf bei nachträglicher Rechtswidrigkeit (§ 49 Abs. 1 (L)VwVfG) abgeändert. Trotz der zwingenden Formulierung kann nach dem allgemeinen Grundsatz der doppelten Deckung (vgl. § 49 Abs. 1 (L)VwVfG) von einer Aufhebung abgesehen werden, wenn ein anderer Grund für ein Ausreiseverbot inzwischen vorliegt und nach pflichtgemäßem Ermessen zum Anlass für die Fortdauer des Verbots genommen werden soll.
Gegen die Förderungsverfügung und das Ausreiseverbot kann Anfechtungswiderspruch und -klage erhoben werden (§§ 42, 68 VwGO). Diese haben aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs.1 VwGO; anders bei Ausreiseuntersagung gegen Deutsche, vgl. § 14 PassG, Nr 10.1.1 PassVwV), sofern nicht der Sofortvollzug z.B. im Hinblick auf die fehlende Durchsetzbarkeit des Ausreiseverbots nach erfolgter Ausreise behördlich angeordnet ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO).
Die Begründung des Sofortvollzugs darf sich nicht in allgemeinen Wendungen erschöpfen, sondern muss auf den Einzelfall eingehen (vgl. § 80 Abs. 3 VwGO). Die konkrete Begründungspflicht ist vor allem deswegen genau zu beachten, weil einerseits viele Gründe für den Sofortvollzug aller Verfügungen nach § 46 sprechen, gleichwohl der Gesetzgeber aber von dem Ausschluss des Suspensiveffekts abgesehen hat (vgl. § 84 Abs. 1).
Anders könnte sich die Rechtslage allerdings dann darstellen, wenn in den Ordnungsverfügungen Maßnahmen im Zuge der Vollstreckung gesehen werden könnten, für die nach Landesrecht der Sofortvollzug gesetzlich angeordnet werden kann (§ 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Dies erscheint aber kaum möglich, weil die Ordnungsverfügungen nach § 46 bundesrechtlich gezielt als eigenständige Verwaltungsakte angelegt und nicht als Vollstreckungsakte bezeichnet sind. Schließlich spricht auch der auf die Wohnauflage nach § 61 Abs. 1 beschränkte Ausschluss des Suspensiveffekts in § 84 Abs. 1 Nr. 2 gegen eine pauschale Einbeziehung aller Maßnahmen zur Förderung und Durchsetzung der Ausreisepflicht in die Ermächtigungsnorm des § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO.
Zum Zwecke der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist ein Stoppantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig.
> Top