I. Entstehungsgeschichte

II. Allgemeines

III. Datenerhebung

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I. Entstehungsgeschichte

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Die Vorschrift entspricht dem Gesetzentwurf (BT-Drucks. 15/420 S. 31). Das AuslG1965 kannte noch keine speziellen Regelungen vor Dateneingriffen Informationelle Eingriffe wurden noch nicht als solche erkannt und waren höchstens in Rechtsverordnungen enthalten (zur Entstehungsgeschichte ausführlich Weichert, in: Huber, AufenthG, S. 616, Rn 24 m.w.N.). Mit den bis Ende 2004 geltenden Normen des AuslG (§§ 75-80) wurden erstmals die nach dem Volkszählungsurteil notwendigen bereichsspezifischen Datenschutzvorschriften eingefügt (Hailbronner, AuslR, § 86 Rn. 1). Eine abschließende Regelung erfolgt im Abschnitt 4 Datenschutz indes nicht. § 86 Abs. 1 entspricht § 75 Abs. 1 AuslG. § 75 Abs. 2, 3 AuslG ist mit Blick auf die Auffangnormen im BDSG/der LDSG ersatzlos entfallen. Weitere Ausformungen sind zudem im AufenthG in §§ 49, 49a und b, 73, 73a, 82 Abs. 5 und 99 enthalten (Franßen-de la Cerda, AktAR, A 1.0.1, Rn. 1).

II. Allgemeines

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Der Gesetzgeber versucht, mit den Regelungen der §§ 86 bis 91 e der verfassungsrechtlichen Forderung nach einer bereichsspezifischen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für die zwangsweise Erhebung personenbezogener Daten (= Beschaffen von Daten über den Betroffenen; § 3 Abs. 3 BDSG) und deren Verarbeitung (= Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen personenbezogener Daten; § 3 Abs. 4 BDSG; BVerfG, U. v. 15. 12. 1983 – 1 BvR 209/83 ua – BVerfGE 65, 1. BT-Drucks. 11/6321, S. 82) nachzukommen. Das allgemeine Datenschutzrecht gilt nur subsidiär (§ 1 Abs. 3 S. 1 BDSG; OVG Hamburg vom 21.03.2007, NJW 2008, 96. Das BDSG gilt nur als Auffanggesetz mit lückenfüllender Funktion, so Ordemann/Schomerus/Gola, BDSG, § 1 Anm. 7.2). Dabei ist zugrunde zu legen, dass sich die im Bundesgebiet befindlichen Ausländer (für Freizügigkeitsberechtigte gelten über § 11 Abs. 1 FreizügG/EU die §§ 86-88, 90-91 ebenfalls. Ausführlich bei Hailbronner, a.a.O., Rn. 16 f.) auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ebenso berufen können wie Deutsche (BT-Drucks. 11/5828, S. 13). Zudem ergibt sich diese Geltung für Ausländer aus Art. 8 EMRK und Art. 8 GRC (Weichert, a.a.O., S. 609, Rn. 1 m.w.N.). Das vom BVerfG näher beschriebene Grundrecht umfasst die Befugnis des Einzelnen, grds. selbst über Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (BVerfG, U. v. 15. 12. 1983 – 1 BvR 209/83 ua – BVerfGE 65, 1). Einschränkungen sind nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig und bedürfen einer verfassungsrechtlich zulässigen und hinreichend klar bestimmten gesetzlichen Grundlage (Weichert, a.a.O., S. 609, Rn. 1). Der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigungsgrundlage bereichsspezifisch, präzise und normklar festgelegt werden (Franßen-de la Cerda, a.a.O., Rn. 8). Regelmäßig wird ein überwiegendes Allgemeininteresse nur an Daten mit Sozialbezug bestehen unter Ausschluss unzumutbarer intimer Angaben und von Selbstbezichtigungen (BVerfG, U. v. 15. 12. 1983, a.a.O.). Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten sind - unabhängig von der Bedeutung des Datums oder ob die Daten sensibel oder privat sind (insoweit ist die Verknüpfungs- und Datenverwendungsmöglichkeit ausschlaggebend, vgl. BVerfG a.a.O.; BVerfG, U. v. 11.03.2008 – 1 BvR 2074/05 –, 1254/07, BVerfGE 120, 378, 398 f. sowie BVerfGE 118, 168, 185) - nur zulässig, soweit das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat (§ 4 Abs. 1 BDSG). Es gilt der Grundsatz der Datensparsamkeit und Datenvermeidung sowie des Verbots der Verbevorratung: Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten und die Auswahl und Gestaltung von Datenverarbeitungssystemen sind an dem Ziel auszurichten, so wenig personenbezogene Daten wie möglich zu erheben, zu verarbeiten oder zu nutzen. Insbesondere sind personenbezogene Daten zu anonymisieren oder zu pseudonymisieren (pseudonymisieren ist das Ersetzen des Namens und anderer Identifikationsmerkmale durch ein Kennzeichen zu dem Zweck, die Bestimmung des Betroffenen auszuschließen oder wesentlich zu erschweren (§ 3 Abs. 6a BDSG), soweit dies nach dem Verwendungszweck möglich ist und keinen im Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck unverhältnismäßigen Aufwand erfordert (§ 3a BDSG). Eine Erstellung von Persönlichkeitsprofilen ist unzulässig (BVerfGE 27, 6. Zur Ablehnung der Einführung von einheitlichen Personenkennziffern für Ausländer ausführlich bei Weichert, a.a.O., Rn. 4).

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Die Verpflichtungen zur Datenübermittlung sind in §§ 62 ff AufenthV geregelt. Daten über Ausländer werden beim Ausländerzentralregister (AZR) beim BVA in einem allgemeinen Datenbestand und einer Visadatei gespeichert und von dort an öffentlichen Stellen übermittelt (dazu Bäumler in: Hassemer/Starzacher, S. 66; Heyden, ZAR 1995, 153; Streit, ZAR 2002, 237). Soweit keine speziellen Regeln gelten (wie §§ 7, 8 AsylVfG und §§ 6, 15, 32 AZRG), sind ergänzend die Bestimmungen des BDSG und der Ländergesetze über Berichtigung, Löschung, Sperrung und Auskunft von Daten heranzuziehen. Auf europäischer Ebene existieren das SIS (Art. 92–119 SDÜ) und EUROPOL sowie das Dublin-System i.V.m. EURODAC (dazu Schröder, ZAR 2001, 71); zu beachten sind die Datenschutzrechtsakte der EG (RL 94/46/EG v. 24.10.1995, ABl.EG L 281 v. 23.11.1995, S. 31 ff.; VO (EG) Nr. 1882/2003 v. 29.09.2003, ABl.EG L 284/1 v 31.10.2003; ausf. bei Hailbronner, a.a.O., Rn. 20 f und Franßen-de la Cerda, a.a.O., Rn. 14 f). Die Vorgaben der europäischen Datenschutzbestimmungen bilden unionsweit einen verbindlichen Maßstab zur Auslegung der datenschutzrelevanten Bestimmungen des nationalen Rechts (Petri, GK-AufenthG, 49. Akt, Vor §§ 86 ff. Rn. 22). Ein umfangreicher Datenaustausch ist auch nach dem VK im Rahmen der Visaerteilung für kurzfristige Aufenthalte vorgesehen (vgl. zur Visaerteilung § 6).

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Im Einzelnen ergeben sich bereichsspezifische Regelungen aus dem VK i.V.m. dem VIS in folgenden Fällen:

  • Art. 8 Abs. 2, 3 VK (Datenübermittlung bei Vertretungsvereinbarungen)
  • Art. 13 Abs. 4 VK i.V.m. Art. 9 Abs. 5 VIS (Biometrische Identifikatoren)
  • Art. 19 Abs. 2 S. 2 VK (Eingabe in das VIS)
  • Art. 21 Abs. 2 (VIS-Abfrage)
  • Art. 22 VK (Konsultation zentraler Behörden der Mitgliedstaaten)
  • Art. 24 Abs. 3, 25 Abs. 5, 26 Abs. 6, 27 Abs. 5, 28 Abs. 3, 29 Abs. 3 VK i.V.m. Art. 10 Abs. 1 VIS (Dateneingabe bei Visumerteilung)
  • Art. 32 Abs. 5 i.V.m. Art. 12 VIS (Eingabe bei Visumverweigerung)
  • Art. 33 VII VK i.V.m. Art. 14 VIS (Verlängerung von Visa)
  • Art. 34 Abs. 8 VK i.V.m. Art. 13 VIS (Annullierung/Aufhebung von Visa)
  • Für Art. 35, 36 VK (Erteilung von Visa an der Grenze) sind keine ausdrücklichen Datenschutzvorschriften formuliert; es sind die allgemeinen Regeln für die Erteilung von Visa zu beachten – soweit sie für die Ausnahmesituation an der Grenze analog in Betracht kommen (das gilt u.a. für Zuständigkeit, Antragserfordernisse, Lichtbildvorlage, VIS-Abfrage, Gebühren, Bestimmungen der Visa-Erleichterungsabkommen, Anforderungen an die Visierfähigkeit des Reisedokuments, Regeln über das Ausfüllen und Anbringen des Visums sowie räumliche Beschränkungen; vgl. insbesondere. Art. 10 Abs. 1, Abs. 3, 21 VK).
  • Art. 44 VK (Verschlüsselung und elektronische Datenübermittlung)

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Jede personenbezogene informationelle Maßnahme unterliegt der strikten Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und der Zweckbindung (§ 14 Abs. 1 S. 1 BDSG; Zweckwechsel ist nur unter den in §§ 14 Abs. 2, 4a BDSG beschriebenen Fällen möglich). Dafür haben die informationsverarbeitenden Stellen selbst eigenverantwortlich Sorge zu tragen. Sie unterliegen einer „informationellen Gewaltenteilung“ (Weichert, a.a.O., Rn 6). Die Behörden unterliegen der Verpflichtung den betroffenen Ausländer über die Datenschutzbestimmungen aufzuklären und zu belehren. Dazu sind auf die erhebende Stelle, die Zweckbindung der Verarbeitung, die Rechtsgrundlage und die voraussichtlichen Empfänger zu benennen (§ 4 Abs. 3 BDSG), andernfalls ist die Erhebung und Nutzung unzulässig. Organisatorisch und verfahrensrechtlich sind Vorkehrungen zu treffen, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden. Dazu gehören auch besondere Datensicherungsmaßnahmen und die sachangemessene Wahrnehmung der Datenlöschungspflichten (dazu gehören auch Weitergabe- und Verwertungsverbote, Beteiligung des unabhängigen Datenschutzbeauftragten (vgl. BVerfGE 65, 1, 46 und SächsVerfGH v. 14.05.1996, SächsVBL 1996, 160, 180); vgl. § 9 S. 1 i.V.m. der Anlage zu § 9 BDSG). Insbesondere zählen hierzu die Zutritts-, Zugangs-, Zugriffs-, Weitergabe,- Eingabe-, Auftrags- und Verfügbarkeitskontrolle. Verfassungsrechtlich bestimmt sich die Frage nach einem unzulässigen Dateneingriff an dem Gewicht und der Schwere des Eingriffs. Im Einzelnen ist zu prüfen, ob die Informationen Persönlichkeitsrelevanz aufweisen und ob der Betroffene selbst den Anlass für die Erhebung geschaffen hat. Nicht entscheidend ist die Frage nach dem Ziel der Maßnahme und der Grad der Zweckdienlichkeit, wohl aber die nach den drohenden Nachteilen für den Betroffenen (vgl. Franßen-de la Cerda, a.a.O., Rn. 7).

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Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit findet seine Ausprägung in der Frage nach dem Übermaßverbot mit folgenden Anforderungen (ebenda, Rn. 12):

  • Verfolgen legitimer öffentliche Zwecke,
  • Zweckdienlichkeit (Geeignetheit),
  • Erforderlichkeit (Interventionsminimum),
  • Angemessenheit (nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der den Eingriff rechtfertigenden Gründe; der Eingriff hat das Individualinteresse, das durch einen Grundrechtseingriff begrenzt wird, den Allgemeininteressen, denen der Eingriff dient, angemessen zuzuordnen).

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Die Verfassungsverträglichkeit der §§ 86 ff. wird in Frage gestellt (Weichert, a.a.O., Rn. 30 f. mit Verweis auf Franz, Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit des AuslG 1990, S. 23 f. HK-AuslR/Hilbrans, a.a.O., § 86 Rn. 1). Im Schrifttum wird insbesondere der Entzug des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung beklagt, das Verbot der Schlechterstellung, das Gebot der Rechtsangleichung und das Willkürverbot angeführt. Ebenso ist die Grenzziehung zur unzulässigen Datensammlung auf Vorrat unscharf beschrieben (vgl. Weichert, a.a.O., Rn. 30). Die einschränkende Auslegung des EuGH in der Rs. „Huber“ (der EuGH hatte mit U. v. 16.11.2008 in der Rs. C-524/06 „Heinz Huber / BR Deutschland“ entschieden, dass die Daten von Unionsbürger nicht mehr wie bei sonstigen Drittausländern umfassend erfasst, gespeichert und weitergegeben werden dürfen. Es dürfen nur solche personenbezogene Daten enthalten sein, die zur Anwendung aufenthaltsrechtlicher Vorschriften für Unionsbürger (RL 2004/38/EG) unbedingt erforderlich sind. Die Verarbeitung und Speicherung solcher Daten von Unionsbürgern zu statistischen Zwecken oder zur Bekämpfung der Kriminalität verstößt gegen das Gemeinschaftsrecht, s. Nachricht in MNet v. 08.04.2008) zur Frage des Verbotes der Diskriminierung von EU-Bürgern bzgl. der Verarbeitung personenbezogener Daten spiegelt sich in § 11 Abs. 1 FreizügG/EU und in §§ 86 ff. nicht wider; macht die Normen im AufenthG aber praktisch zu unanwendbarem Recht (Gutmann, ZAR 1999, 229ff.; vgl. Rn. 9).

III. Datenerhebung

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Erheben ist das Beschaffen von Daten über eine natürliche Person (§ 3 Abs. 3 BDSG). Zur Datenerhebung i.S.d. § 3 Abs. 1 BDSG sind alle mit der Ausführung des AufenthG betrauten Behörde berechtigt, also neben den Ausländer- und Grenzbehörden auch die Auslandsvertretung, die Bundespolizei und die Polizeien der Länder.

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Der Zweck der Datenerhebung ist weit gespannt, weil nur durch eine Generalklausel beschrieben; auch § 87 Abs. 1 führt ihn nicht näher aus. Damit wird S. 1 für sich genommen nicht den Anforderungen des Volkszählungsurteils an die Bestimmtheit des Erhebungszwecks (BVerfG, U. v. 15. 12. 1983 – 1 BvR 209/83 ua – BVerfGE 65, 1) gerecht (Heldmann/Weichert, § 75 Rn. 10; Huber, InfAuslR 1990, 41; Schriever-Steinberg, ZAR 1991, 66; Stief in: Barwig, AuslR, S. 281; a.A. Franßen-de la Cerda, a.a.O., § 86 Rn. 5 ff.). § 86 i.V.m. § 54 Nr. 6 genügt den Anforderungen, die nach der Rechtsprechung des BVerfG an eine Ermächtigungsgrundlage zur Datenerhebung aufgrund des damit verbundenen Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zu stellen sind. Die Ermächtigung muss danach insbesondere den rechtsstaatlichen Anforderungen der Bestimmtheit und Klarheit genügen (vgl. BVerfG, U. v. 11.03.2008 – 1 BvR 2074/05, BVerfGE 120, 378 [407]. Das ist der Fall. § 54 Nr. 6 bestimmt in hinreichend deutlicher Weise den Gegenstand und den Zweck der Befragung. Die Vorschrift legt fest, dass sich die Befragung auf Verbindungen zu Personen oder Organisationen beziehen kann, die der Unterstützung des Terrorismus verdächtig sind, und zieht damit zugleich dem Umfang der Datenerhebung Grenzen (VG Hamburg, U. v. 04.11.2009 – 4 K 2847/07 –, juris). Die früher in § 75 Abs. 2 und Abs. 3 AuslG enthaltenen näheren Bestimmungen über die Datenerhebung bei dem Betroffenen sowie bei öffentlichen und anderen Stellen im In- und Ausland sind nicht übernommen, weil sie im Wesentlichen dem Regelungsgehalt des § 13 BDSG aF entsprechen (BT-Drucks. 15/420 S. 97). Die folgenden allgemeinen Erläuterungen nehmen darauf Bedacht. Erfolgt eine Datenerhebung nicht direkt beim Betroffenen, sondern über andere behördliche oder private Stellen, liegt zugleich eine Datenübermittlung vor, die nur bei zulässiger Datenerhebung rechtmäßig sein kann (vgl. Weichert, a.a.O., § 86, Rn. 3; § 87, § 8 AsylVfG, §§ 15, 28 BDSG). Keine Datenerhebung erfolgt, wenn personenbezogene Daten unaufgefordert „aufgedrängt“ werden, so im Falle der ungewollten Preisgabe von privaten Informanten; wohl aber bei automatisierten Abfragen nach AZRG.

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Erhebungsberechtigt sind die zuständige Behörde i.S.d. § 71. Der Zweck der Erhebung besteht in der Erfüllung der diesen Behörde obliegenden Aufgaben (zur Rechtmäßigkeit einer Sicherheitsanfrage nach § 73 Abs. 2, 3 VG Münster, U. v. 08.10.2009 – 8 K 1498/08 –, juris aus Anlass der Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis). Diese sind weit gefasst und mit allen Maßnahmen und Entscheidungen identisch, die sich aus dem AufenthG und den darauf beruhenden Rechtsverordnung ergeben (vgl. auch Nr. 86.1.3.2 AVwV). Diese müssen konkret zur Erledigung anstehen. Erhebung und Sammlung von Daten auf Vorrat ist unzulässig.

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Die in erster Linie vorgesehene Erhebung bei dem Betroffenen selbst (personenbezogene Daten sind beim Betroffenen zu erheben, vgl. § 4 Abs. 2 S. 1 BDSG) ist unproblematisch. Bedenken ergeben sich, soweit ohne dessen Mitwirkung Daten bei anderen Stellen eingeholt werden können. Dabei ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass er benachrichtigt wird, um seine schutzwürdigen Interessen darzutun (vgl. auch Bäumler, NVwZ 1995, 239). Als Behörde und Stellen, bei denen Daten erhoben werden können, kommt praktisch jede in Betracht. Krankenkassen, Kirchen und Kindergärten sind ebenso erfasst wie Notare, Bezirksschornsteinfegermeister und diplomatische und konsularische Vertretungen ausländischer Staaten in der Bundesrepublik Deutschland, ausländischer Geheimdienste. Der beschränkte Katalog der mitteilungspflichtigen Stellen in § 71 AufenthV ist hier nicht, auch nicht entsprechend zur Definition heranzuziehen. Die Anfrage und Erhebung von privaten Verwaltungshelfern (z.B. Detektiven) ist unzulässig, soweit nicht ausdrücklich durch gesetzliche Ermächtigung erlaubt (Kluth, ZAR 2007, 250). Eine heimliche Erhebung mit besonderen technischen oder personellen Mitteln ist grds. unzulässig (OVG Hamburg, ZAR 2007, 248 mit Anm. v. Kluth, ZAR 2007, 250, der kritisiert, dass durch die Entscheidung die Frage einer Übertragung derartiger Ermittlungsmaßnahmen auf Private nicht hinreichend diskutiert worden sei. Außerdem hält er die vom Gericht formulierten Anforderungen für nicht streng genug, da auch weiterhin ein Anreiz bestehe, illegale Ermittlungsergebnisse zu erzielen, um diese sodann durch bestätigende eigene Maßnahmen „reinzuwaschen“; Vahle, DVP 2008, 257-262). Die Anfragen bei anderen Stellen sind aktenkundig zu machen (Weichert, a.a.O., § 86, Rn. 32).

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Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener); § 3 Abs. 1 BDSG. Dazu gehören z.B. Namen, Geburtsdatum, und -ort, Familienstand und Verwandschaftsverhältnisse, Staatsangehörigkeit, Anschriften, Aufenthaltsort, Vorstrafen, gesundheitliche Daten, Mitgliedschaften in Vereinen und Organisationen, Angaben zur Erwerbstätigkeit und zum Arbeitgeber, Personalien und Aufenthaltstitel von Familienangehörigen, Voraufenthalt, Passbesitz und Rückkehrberechtigung, biometrische Merkmale.

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Die Erforderlichkeit zur Aufgabenerfüllung muss einzelfallbezogen für jedes Einzeldatum begründet werden und nur dann erfüllt, wenn die Daten zur Vorbereitung einer konkreten ausländerrechtlichen Maßnahme erhoben wurden. Nützlichkeit ist allein kein Kriterium. Die Erhebung mittels ganzer Akten ist unzulässig, da Verstoß gegen das Übermaßverbot, soweit nicht ausnahmsweise im Einzelfall alle Daten aus der Akte benötigt werden (Kunkel, ZAR, 1991, 77). Sind mit personenbezogenen Daten, die nach § 15 Abs. 1 BDSG übermittelt werden dürfen, weitere personenbezogene Daten des Betroffenen oder eines Dritten so verbunden, dass eine Trennung nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist, so ist die Übermittlung auch dieser Daten zulässig, soweit nicht berechtigte Interessen des Betroffenen oder eines Dritten an deren Geheimhaltung offensichtlich überwiegen; eine Nutzung dieser Daten ist unzulässig (§ 15 Abs. 5 BDSG).

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Nach § 86 Abs. 1 S. 2 können sog. sensitive Daten (besondere Arten personenbezogener Daten sind Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben nach § 3 Abs. 9 BDSG im Rahmen der doppelten (Einzelfall-)Prüfung der Verhältnismäßigkeit erhoben werden (VG Hamburg, U. v. 04.11.2009 – 4 K 2847/07 –, juris). Abs. 1 S. 2 setzt Art. 8 Abs. 4 RL 95/46/EG v. 24.10.1995 (RL 95/46/EG v. 24.10.1995, a.a.O.) um. Eine unzulässige Datenerhebung führt ganz generell zu einer weiteren rechtswidrigen Datennutzung. Neben einem ges vorgesehenen Löschungsanspruchs, führt die Unzulässigkeit nicht zwangsläufig zur Unverwertbarkeit (OVG Hamburg, a.a.O. Weitergehend HK-AuslR/Hilbrans, a.a.O., § 86, Rn. 18; aber: BVerfG, U. v. 03.03.2004 – 1 BvR 2378/98 –, BVerfGE 109, 279, 320; BVerfG U. v. 12.04.2005, – 2 BvR 1027/02 –, BVerfGE 113, 29, 61).

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