I. Entstehungsgeschichte

II. Allgemeines

III. Unterrichtungspflichten

IV. Zusammenarbeit

V. Datenübermittlung an AsylbLG-Behörden

VI. Mitteilung bei opferschutzrelevanten Aufenthaltstiteln an
Staatsanwaltschaft und Strafgerichte

VII. Mitteilung von Scheinadoptionen

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I. Entstehungsgeschichte

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Die Vorschrift entsprach zunächst dem Gesetzentwurf (BT-Drucks. 15/420 S. 32), aufgrund des Vermittlungsverfahrens (BT-Drucks. 15/3479 S. 11) wurde nur in Abs. 1 Nr. 2 das Wort „Bundesanstalt“ durch „Bundesagentur“ ersetzt. Sodann wurde Abs. 1 mit Wirkung vom 18. 3. 2005 an die Veränderungen des SGB II und III angepasst (Art. 1 Nr. 14 Änderungsgesetz v. 14. 3. 2005, BGBl. I 721). Mit dem AuslRÄndG 2007 (Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der EU v. 19. 8. 2007 (BGBl. I 1970) wurde Abs. 5 eingeführt. Durch das Gesetz zur Ergänzung des Rechts auf Anfechtung der Vaterschaft vom 13. 3. 2008 (BGBl. I 313) wurde Abs. 5 eingeführt. Mit dem RichtlinienumsetzungG 2011 (BT-Drucks. 17/5470 S. 14, 51) wurden redaktionelle Folgeänderungen durch Einfügung von „oder 4b“ in Abs. 4 S. 1 Nr. 1 und durch „§ 59 Absatz 7“ in Nr. 2 vorgenommen.

II. Allgemeines

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Die Vorschrift übernahm die Regelungen des § 79 AuslG (davor § 90 a AuslG 1965) über Mitteilungen nicht nur zum Zwecke der Bekämpfung der illegalen Beschäftigung von Ausländern, sondern regelt erweiternd die Unterrichtung bei Verstößen gegen das Arbeitserlaubnisrecht sowie das Sozialrecht. Die Gesetzesüberschrift ist insofern zu eng, als nicht nur die Ausländerbehörde, sondern alle mit der Ausführung des AufenthG betrauten Behörden zur Unterrichtung verpflichtet sind. Anderen als den hier genannten Stellen können entsprechende Daten nur nach anderen Bestimmungen übermittelt werden. Damit erfolgt keine bereichsspezifische Regelung für Übermittlungen an andere öffentliche oder private sowie ausländische Stellen (vgl. Weichert, a.a.O., § 90 Rn. 2).

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Eintragungen in den Pass sind grds. Reingriffe in das autonome Recht des Ausstellers. Diese sind aber nach den Gepflogenheiten im Rechtsverkehr völkerrechtlich zu dulden, soweit diese erforderlich und üblich sind. Insbesondere soweit sie zur Dokumentation des Aufenthaltsrechts notwendig sind und den Inhaber bei einer Rückkehr in den Heimatstaat oder sonst nicht gefährden (vgl. hierzu weiter § 3 Rn. 7). Unzulässige Übermittlungen (ders. Rn. 4; HK-AusR/Hilbrans, § 90, Rn. 4) liegen jedoch vor, wenn Eintragungen im Pass oder Visum vorgenommen werden, die nicht in völkerrechtlich gewohnter Weise unmittelbar mit Einreise und Aufenthalt zu tun haben und eine Wertung der Behörde in Form einer Aktennotiz darstellen: z.B. Vermerke wie „Abschiebungshindernis selbst zu vertreten“ (OVG Schleswig-Holstein, NVwZ-Beil I 2000, 34 ff.; Petri, a.a.O., § 90 Rn. 3), „nach Schwarzfahrt ausländische geprüft“, „angetroffen mit Datum, Uhrzeit“ (aber: beachte europarechtliche Vorgaben in Art. 10, 11 SGK), „ausgewiesen“, „abgeschoben“. Wohl aber: „Annulliert“ oder „Aufgehoben“ über eine gesetzlichen Ermächtigung (vgl. Art 34 Abs. 5 VK).

III. Unterrichtungspflichten

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Unter Unterrichtung ist Datenübermittlung zu verstehen. Zur Übermittlung nach Abs. 1 sind außer den Ausländerbehörden auch andere mit der Ausführung des AufenthG (und der darauf beruhenden Rechtsverordnung) betraute Behörden. Konkrete Anhaltspunkte im Einzelfall sind nur gegeben, wenn personenbezogene Hinweise vorliegen. Nachweise und Belege sind nicht erforderlich; bloße Verdachtsmomente und allgemeine Hinweise genügen aber nicht. Die Daten sind an die zuständigen Sozialleistungsträger und die Bundesagentur für Arbeit sowie die zuständigen Verfolgungs- und Ahndungsbehörden von sich aus (Spontanübermittlung) zu übermitteln oder auf Ersuchen im Einzelfall. Beschäftigung ist i.S.d. § 2 Abs. 2 zu verstehen. Als Tätigkeit ist jede andere Art der Betätigung anzusehen, die nicht durch einen Aufenthaltstitel gedeckt ist.

IV. Zusammenarbeit

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Die mit der Ausführung des AufenthG betrauten Behörde sind verpflichtet, mit den anderen in § 2 Abs. 2 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannten Behörden zusammenzuarbeiten, insbesondere mit der Bundesagentur für Arbeit (vgl. auch Nr. 90.2.1 AVwV). Zusammenarbeit besteht vor allem in gegenseitiger Unterrichtung und Amtshilfe sowie in der Abstimmung der jeweiligen Aktivitäten zur Überprüfung verdächtiger Verhaltensweisen. Abs. 2 enthält damit lediglich aufgabenbezogene Formen der Zusammenarbeit und keine Befugnisse. Diese richten sich nach den jeweils für die genannten Stellen geltenden Vorschriften (vgl. auch § 308 Abs. 1 S. 1 SGB III und Kritik von Weichert, a.a.O., § 90 Rn. 17).

V. Datenübermittlung an AsylbLG-Behörden

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Vor allem die Ausländerbehörde und die Arbeitsagenturen haben die in Abs. 3 genannten Daten den nach § 10 AsylbLG zuständigen Behörden (i.d.R. den Sozialämtern) mitzuteilen. Die Leistungsgewährung setzt die Kenntnis und Bewertung einer Vielzahl von Sachverhalten und Maßnahmen im Bereich des Aufenthaltsrechts und der Zulassung der Beschäftigung voraus. Weichert erblickt hierin eine Einschränkung der eigenverantwortlichen Wahrnehmung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Weichert, a.a.O., § 90 Rn. 12).

VI. Mitteilung bei opferschutzrelevanten Aufenthaltstiteln an Staatsanwaltschaft und Strafgerichte

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Abs. 4 wurde 2007 neu eingefügt und 2011 ergänzt (s.o. Rn. 1) und schafft eine Regelung für die Datenübermittlung der Ausländerbehörde an StA und Strafgerichte. Abs. 4 ergänzt damit § 72 Abs. 6 sowie § 87 Abs. 6. Er schafft eine Rechtsgrundlage für die Mitteilung der Ausländerbehörde an die StA und Strafgerichte, ob eine der vorgesehenen aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen getroffen wurde. Der Zuständigkeitsübergang der Ausländerbehörde nach Nr. 3 ist den StA und Strafgerichten mitzuteilen, damit deren Mitteilungen auch bei einem Zuständigkeitsübergang die richtige Behörde erreichen. Die Mitteilung muss durch die neu zuständige Behörde erfolgen, damit diese ihre Erreichbarkeiten und ein neues Aktenzeichen mitteilen kann, dem die Mitteilungen zuzuordnen sind. Die Folgeänderung zu § 25 Abs. 4 b schafft – analog der Regelung zu § 25 Abs. 4 a – eine Rechtsgrundlage für die Mitteilung der Ausländerbehörde an die StA und Strafgerichte, ob ein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 4 b erteilt oder versagt wurde beziehungsweise ein Zuständigkeitsübergang nach Nr. 3 stattgefunden hat (BT-Drucks. 17/5470 S. 51).

VIII. Mitteilung von Scheinadoptionen

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Das Gesetz zur Ergänzung des Rechts auf Anfechtung der Vaterschaft vom 13. 3. 2008 (BGBl. I 313) sieht mehrere Verfahrensstufen vor, auf denen dem Verdacht einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung nachgegangen wird.

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Nach Abs. 5 sind die Ausländerbehörde und die Auslandsvertretungen verpflichtet, die für die Anfechtung zuständigen Behörde unverzüglich zu unterrichten, wenn sie Kenntnis erlangen von „konkreten Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ein behördliches Anfechtungsrecht nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB vorliegen“, d.h. der Verdacht einer zweckwidrigen Vaterschaftsanerkennung gegeben ist. Die Regelung tritt neben die Unterrichtungspflicht für andere Behörde nach § 87 Abs. 2 Nr. 4 (s. hierzu § 87 Rn. 23 ff.).

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Die Anknüpfung der Mitteilungspflicht an „konkrete Tatsachen“ rekurriert auf das Strafprozess- und Ordnungswidrigkeitenrecht, in dem ein Anfangsverdacht für eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit die Aufnahme von Ermittlungen rechtfertigt. Es müssen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass der Anerkennende weder der biologische noch der soziale Vater ist und ausschließlich ausländerrechtliche Vorteile angestrebt werden. Bloße Vermutungen oder Hypothesen reichen für die Annahme eines mitteilungspflichtigen Verdachts nicht aus. Ein solcher Verdacht mag etwa bei einer Häufung von Anerkenntnissen desselben Mannes oder der Leistung einer Geldzahlung für das Anerkenntnis begründet sein.

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Die Anfechtung der Vaterschaft durch die anfechtungsberechtigte Behörde, diese wird nach § 1600 Abs. 6 BGB durch Rechtsverordnung bestimmt, ist nach § 1600 Abs. 3 BGB nur zulässig, wenn zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder des Todes bestanden hat und durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise und den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen wurden.

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Für das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung kommt es darauf an, ob der Vater zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächlich Verantwortung trägt oder getragen hat (§ 1600 Abs. 4 S. 1 BGB), wobei dies nach dem im Gesetz enthaltenen Regelbeispiel vor allem dann anzunehmen sein soll, wenn der Vater mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat (§ 1600 Abs. 4 S. 2 BGB). In diesem Punkt scheint sich der Gesetzgeber auf sicherem Boden zu bewegen, denn die hier verwendete Definition der sozial-familiären Beziehung ist die gleiche, die bislang auch schon für das Anfechtungsrecht des biologischen Vaters gegolten hat, welches ebenfalls davon abhängig ist, dass zwischen rechtlichem Vater und Kind keine sozial-familiäre Beziehung besteht (§ 1600 Abs. 2 BGB). Die Gesetzesbegründung hebt daher auch hervor, die Praxis könne sich „bei der Anfechtung von Scheinvaterschaften durch eine Behörde an der sich entwickelnden Auslegung dieses Merkmals in Rechtsprechung und Literatur orientieren.“ (BT-Drucks. 16/3291 S. 15).

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