Kenntnisse der deutschen Sprache

Das Nachzugsrecht des Ehegatten ist zweckgebunden und akzessorisch. Es wird zunächst nur zu dem in § 27 AufenthG genannten Zweck der Familienzusammenführung gewährt. Es ist von der Geltungsdauer des Aufenthaltstitels des Stammberechtigten abhängig und darf nicht über dessen Geltungsdauer hinaus erteilt oder verlängert werden. Ein Rechtsanspruch auf Zuzug zu einem Ausländer besteht, wenn die Voraussetzungen des § 30 AufenthG und außerdem die der §§ 5, 11 und des § 29 AufenthG - soweit auf die jeweilige Fallkonstellation anwendbar - erfüllt sind.

Das durch das Richtlinienumsetzungsgesetz im August 2007 eingeführte Erfordernis, dass der Ehegatte, der zu einem in Deutschland lebenden Ausländer nachziehen will, sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen können muss (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ), ist mit Art. 6 GG, Art. 8 EMRK und Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/86/EG (juris: EGRL 86/2003) vereinbar.

BVerwG, U. v. 30.03.2010 – 1 C 8/09 –, BVerwGE 136, 231=AuAS 2010, 170=NVwZ 2010, 964=InfAuslR 2010, 331=Buchholz 402.242 § 30 AufenthG Nr 2 =ZAR 2011, 27=EzAR-NF 34 Nr 25

Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem Beschluss vom 19.04.2011 (–1 C 6.10 –, juris) keine Entscheidung dazu treffen müssen, ob § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG mit höherrangigem Recht vereinbar ist.

Der derzeitige Stand der höchstrichterlichen Rspr. zu den Sprachanforderungen nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG lässt sich bisher nur dem o. a. Urteil des BVerwG vom 30.03.2010 – 1 C 8/09 –, a.a.O. entnehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in dem Nichtannahmebeschluss vom 25.03.2011 – 2 BvR 1413/10 auf die Verfassungsbeschwerde der Kläger des vorgenannten Verfahrens 1 C 8/09 nicht zur Verfassungsmäßigkeit der Sprachanforderungen geäußert.

Das Erfordernis, sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können, umschreibt das für einen Nachzugsanspruch erforderliche Sprachniveau. Der Ehegatte muss in der Lage sein, sich auf "zumindest rudimentäre Weise" in Deutsch zu verständigen(BTDrucks 16/5065 S. 174). Nach Nr. 30.1.2.1. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 (GMBl S. 878) – VV AufenthG - entspricht diese Anforderung der Definition des Sprachniveaus der Stufe A 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens des Europarats für Sprachen (GER). Hiervon gehen auch die Beteiligten aus. Diese beinhaltet als unterstes Sprachniveau folgende sprachliche Fähigkeiten:

"Kann vertraute, alltägliche Ausdrücke und ganz einfache Sätze verstehen und verwenden, die auf die Befriedigung konkreter Bedürfnisse zielen. Kann sich und andere vorstellen und anderen Leuten Fragen zu ihrer Person stellen - z.B. wo sie wohnen, was für Leute sie kennen oder was für Dinge sie haben - und kann auf Fragen dieser Art Antwort geben. Kann sich auf einfache Art verständigen, wenn die Gesprächspartnerinnen oder Gesprächspartner langsam und deutlich sprechen und bereit sind zu helfen."

Diese Umschreibung ist geeignet, die in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG geforderte Fähigkeit der Verständigung in deutscher Sprache auf einfache Art näher zu bestimmen. Sie macht insbesondere deutlich, dass an die sprachlichen Fähigkeiten keine überhöhten Forderungen gestellt werden dürfen.

Die Fähigkeit, sich auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können, umfasst auch Grundkenntnisse der deutschen Schriftsprache. Der Wortlaut des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ist insoweit zwar nicht eindeutig. Denn "Sprache" kann sich als Mittel der Kommunikation auch lediglich auf die gesprochene und gehörte Sprache beziehen (vgl. BVerwG, U. v 20.10.2005 – 5 C 17.05 –, Buchholz 130 § 11 StAG Nr. 2). Gleiches gilt für den Begriff "Verständigung". Dass beim Ehegattennachzug auch Grundkenntnisse der Schriftsprache gefordert werden, ergibt sich jedoch aus einem Vergleich der Regelung mit anderen Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes, die bestimmte Kenntnisse der deutschen Sprache verlangen. Dem ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber es klar zum Ausdruck bringt, wenn (ausnahmsweise) mündliche Kenntnisse genügen. So ist etwa für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AufenthG erforderlich, dass der Ausländer über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (übergangsweise nach § 104 Abs. 2 AufenthG oder dauerhaft nach § 9 Abs. 2 Satz 5 AufenthG) reicht es aus, wenn er sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen kann. Auch bei der Altfallregelung in § 104a AufenthG ist ausdrücklich klargestellt, dass der Ausländer nur über mündliche Kenntnisse verfügen muss. Dass § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nach dem Willen des Gesetzgebers auch Grundkenntnisse der Schriftsprache voraussetzt, ergibt sich zudem aus dem Umstand, dass er mit Einfügung dieser Vorschrift zugleich die bisherige Beschränkung auf mündliche Sprachkenntnisse bei § 28 Abs. 2 AufenthG aufgegeben und dies mit einer Angleichung an die Voraussetzungen des Erfordernisses einfacher Deutschkenntnisse beim Ehegattennachzug begründet hat (BTDrucks 16/5065 S. 171 f.). Die Erstreckung des Spracherfordernisses auf Grundkenntnisse der deutschen Schriftsprache entspricht auch Sinn und Zweck des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Mit der Anforderung, sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können, sollen die Betroffenen dazu angeregt werden, sich bereits vor ihrer Einreise einfache Deutschkenntnisse anzueignen, um dadurch ihre Integration im Bundesgebiet zu erleichtern. Daneben dient die Vorschrift ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs der Bekämpfung von Zwangsverheiratungen. Diese sollen - präventiv - zumindest erschwert werden. Außerdem soll der Spracherwerb - im Nachhinein - den Opfern ein eigenständiges Sozialleben in Deutschland ermöglichen (BTDrucks 16/5065 S. 173 f.). Eine zügige Integration in die hiesigen Verhältnisse setzt jedoch voraus, dass der Ausländer jedenfalls einfache Sätze in deutscher Sprache lesen und schreiben kann, da dieser Form der Kommunikation in vielen Bereichen eine große Bedeutung zukommt. Grundkenntnisse der Schriftsprache erleichtern Opfern von Zwangsverheiratungen zudem die Inanspruchnahme von Hilfsangeboten und eigenständige soziale Entfaltungsmöglichkeiten. Danach ist § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG unbeachtlich, wenn der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Regelung liegt der Gedanke zugrunde, dass auch kranken und behinderten Ausländern ein Ehegattennachzug möglich sein muss (BTDrucks 16/5065 S. 175).

BVerwG, U. v. 30.03.2010 – 1 C 8/09 –, BVerwGE 136, 231=AuAS 2010, 170=NVwZ 2010, 964=InfAuslR 2010, 331=Buchholz 402.242 § 30 AufenthG Nr 2 =ZAR 2011, 27=EzAR-NF 34 Nr 25

In dem vorgenannten vom BVerwG entschiedenen Verfahren war die Klägerin Analphabetin. Hierzu wird ausgeführt: Auch ihr Analphabetismus hat seine Ursache danach nicht in einer Krankheit oder Behinderung. Die mit einer Erstalphabetisierung im Erwachsenenalter allgemein verbundenen Schwierigkeiten reichen für eine Ausnahme nach dieser Vorschrift nicht aus.

Vereinbarkeit mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK

Für das Spracherfordernis beim Ehegattennachzug zu Ausländern ist der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 30. März 2010 (BVerwG, U. v. 30.03.2010 – 1 C 8.09 – BVerwGE 136, 231, Rn. 40 ff.) zu dem Ergebnis gekommen, dass die gesetzliche Regelung in der Regel zu einem ausgewogenen Interessenausgleich führt, der dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Rahmen von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK entspricht.
Die gesetzliche Regelung ist auch nicht deshalb wegen Verstoßes gegen Art. 6 GG verfassungswidrig, weil sie keine allgemeine Ausnahmeregelung zur Vermeidung einer unverhältnismäßigen Belastung enthält. Soweit dem nachzugswilligen Ehegatten aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen in angemessener Zeit der Erwerb einfacher Sprachkenntnisse nicht möglich und zugleich dem in Deutschland lebenden Ehepartner die Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft außerhalb des Bundesgebiets aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen objektiv nicht möglich oder aufgrund besonderer Umstände nicht zuzumuten ist, bedarf es nach nationalem Verfassungsrecht nicht zwingend der Erteilung eines Aufenthaltstitels aus familiären Gründen, sondern kann der verfassungsrechtlich gebotene Interessenausgleich einfachgesetzlich auch auf andere Weise, etwa durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels für einen vorübergehenden Aufenthalt zum Zwecke des Spracherwerbs (§ 16 Abs. 5 AufenthG) herbeigeführt werden. Damit wird die Regelung in Bezug auf den besonderen Schutz von Ehe und Familie dem objektiven Gewicht des Schutz- und Förderungsgebots des Art. 6 GG in seiner Ausprägung als wertentscheidende Grundsatznorm gerecht (BVerwG, U. v. 30.03.2010 – 1 C 8.09 – BVerwGE 136, 231, Rn. 46).
Das Bundesverfassungsgericht hat die verfassungsrechtliche Wertung des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt, dass die nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderliche Verpflichtung des Ehegatten eines in Deutschland lebenden Ausländers, sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können, nicht gegen Art. 6 Abs. 1 und 2 GG verstößt (BVerfG, B. v. 25.03.2011 – 2 BvR 1413/10 – NVwZ 2011, 870). Danach verfolgt der Gesetzgeber mit der Obliegenheit, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache vor Zuzug in das Bundesgebiet zu erwerben, ein legitimes Ziel, nämlich die Integration von Ausländern zu fördern und Zwangsverheiratungen zu verhindern. Es sei nicht ersichtlich, dass die Einschätzung des Gesetzgebers, das zur Erreichung dieses Ziels gewählte Instrumentarium sei Erfolg versprechend, evident ungeeignet sein könnte. Den Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers überschreite auch nicht die weitere Annahme, der Erwerb von Deutschkenntnissen vor der Einreise sei erforderlich, weil er häufiger und schneller zur Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse führe als ein Spracherwerb erst im Bundesgebiet. Gleiches gelte für die Einschätzung, bereits bei Einreise vorhandene Sprachkenntnisse erschwerten die Ausnutzung von Nötigungslagen, insbesondere könne sich ein Ehegatte im Falle einer Zwangslage an die zuständigen Behörden wenden und der Abhängigkeit von der "Schwiegerfamilie" leichter entgehen. Auch soweit das Bundesverwaltungsgericht zu der Beurteilung gelange, beim Ehegattennachzug zu einem Ausländer führe der geforderte Nachweis von Deutschkenntnissen in seiner konkreten gesetzlichen Ausgestaltung in der Regel zu einem angemessenen Interessenausgleich, sei dagegen von Verfassungs wegen nichts zu erinnern. Die mit dem Erwerb von Sprachkenntnissen typischerweise verbundene Belastung verzögerten häuslichen Zusammenlebens im Bundesgebiet werde sich zumeist in einem überschaubaren Zeitraum überwinden lassen, wofür insbesondere spreche, dass an die nachzuweisenden Sprachkenntnisse nur geringe Anforderungen gestellt werden.
Welcher zeitliche Rahmen für den Spracherwerb beim Ehegattennachzug zu eine Drittstaatsangehörigen zumutbar ist, hängt nicht nur von den mit der Nachzugsvoraussetzung verfolgten Zielen, sondern auch von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich beim Spracherwerb um eine Integrationsleistung handelt, die nicht nur im öffentlichen Interesse liegt, sondern dem Nachzugswilligen und seiner Familie nach der Einreise auch persönlich zugute kommt. Von daher liegt - auch mit Blick auf die nach Art. 8 der Familienzusammenführungsrichtlinie zulässigen Wartefristen - ein Zeitraum von etwa zwei bis drei Jahren in aller Regel, sofern nicht besonders schutzwürdige Umstände vorliegen, im Rahmen des Zumutbaren (BVerwG, U. v. 30.03.2010 – 1 C 8.09 – BVerwGE 136, 231, Rn. 46).
Hinzu komme, dass dem im Bundesgebiet lebenden ausländischen Ehepartner grundsätzlich Anstrengungen zumutbar seien, die familiäre Einheit durch Besuche oder nötigenfalls zur Gänze im Ausland herzustellen (BVerfG, B. v. 25.03.2011 – 2 BvR 1413/10 – NVwZ 2011, 870, Rn. 5 ff.).
Auch der High Court für England und Wales hält in seinem Urteil vom 16. Dezember 2011 ( EWHC 3370 (Admin) Rn. 115) die im Vereinigten Königreich Ende 2010 eingeführte gesetzliche Regelung, wonach der Ehegattennachzug vom erfolgreichen Absolvieren eines auf Verstehen und Sprechen beschränkten Sprachtests vor der Einreise abhängig ist - allerdings versehen mit einer Härteklausel ("exceptional compassionate circumstances") - für vereinbar mit Art. 8 EMRK.


Ausnahmen bei Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug zu Deutschen

Nach § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG sind die Regelungen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 AufenthG entsprechend anzuwenden. Damit setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Ehegattennachzug zu einem Deutschen – ebenso wie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug zu einem Ausländer – (u.a.) voraus, dass sich der nachzugswillige Ehegatte zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Soweit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beim Nachzug zum deutschen Ehepartner Einschränkungen gebietet, ist dem durch eine verfassungskonforme Auslegung von § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG Rechnung zu tragen, der nur eine entsprechende Anwendung von § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG anordnet (BVerwG, U. v. 04.09.2012 – 10 C 12/12 – BVerwGE 144, 141, Rn. 25).
Bei der Abwägung der gegenläufigen öffentlichen und privaten Belange ist zu berücksichtigen, dass ein Deutscher – anders als ein im Bundesgebiet lebender Ausländer – grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden darf, seine Ehe im Ausland zu führen oder auf ein eheliches Zusammenleben zu verzichten (BVerwG, U. v. 04.09.2012 – 10 C 12/12 – BVerwGE 144, 141, Rn. 26). Denn das Grundrecht des Art. 11 GG gewährt ihm das Recht zum Aufenthalt in Deutschland und erhöht deutlich das Gewicht der privaten Interessen am Ehegattennachzug zur Führung der ehelichen Gemeinschaft im Bundesgebiet. Einem deutschen Staatsangehörigen kann nur bei gewichtigen öffentlichen Belangen zugemutet werden, die Ehe für einige Zeit gar nicht oder nur im Ausland führen zu können. Sie dauerhaft im Ausland führen zu müssen, ist für ihn in jedem Fall unangemessen und unzumutbar.
Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 6 Abs. 1 GG ergibt sich zwar keine uneingeschränkte Verpflichtung für die Ausländerbehörde, dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Ihr lässt sich durchweg entnehmen, dass die Ehe mit einem deutschen Partner den ausländischen Staatsangehörigen nicht schlechthin vor einer Aufenthaltsbeendigung schützt (vgl. BVerfG, B. v. 18.07.1973 – 1 BvR 23/73 u.a. – BVerfGE 35, 382 ). Jedoch verschiebt sich die Gewichtung der widerstreitenden Belange bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu Gunsten des Schutzes der Ehe (vgl. Beschluss vom 18. Juli 1979 - 1 BvR 650/77 - BVerfGE 51, 386 ). Gleiches gilt für die Kammerrechtsprechung, wonach es mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG grundsätzlich vereinbar ist, den ausländischen Ehepartner eines Deutschen auf die Nachholung eines erforderlichen Visumverfahrens und damit eine zeitweilige Trennung zu verweisen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 2 BvR 2341/06 - InfAuslR 2008, 239 f.). Danach sind Nachzugshindernisse von eng begrenzter Zeitdauer auch beim Ehegattennachzug zu deutschen Staatsangehörigen nicht von vornherein verfassungswidrig.
Überschreitet jedoch das Spracherfordernis als Nachzugsvoraussetzung im Visumverfahren im Einzelfall das zumutbare Ausmaß der Beeinträchtigung der durch Art. 6 Abs. 1 GG qualifiziert geschützten Belange des ausländischen und deutschen Ehegatten, ist es geboten, gemäß § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG von der Anwendung des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vor der Einreise des ausländischen Ehegatten abzusehen (BVerwG, U. v. 04.09.2012 – 10 C 12/12 – BVerwGE 144, 141, Rn. 28).
Die Unzumutbarkeit kann sich u.a. daraus ergeben, dass es
• dem ausländischen Ehegatten aus besonderen persönlichen Gründen oder
• wegen der besonderen Umstände in seinem Heimatland nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die deutsche Sprache innerhalb angemessener Zeit zu erlernen.
In einem solchen Fall schlägt die grundsätzlich verhältnismäßige Nachzugsvoraussetzung in ein unverhältnismäßiges dauerhaftes Nachzugshindernis um. Die Grenze zwischen Regel- und Ausnahmefall ist nach der Überzeugung des Senats bei einer Nachzugsverzögerung von einem Jahr zu ziehen (BVerwG, U. v. 04.09.2012 – 10 C 12/12 – BVerwGE 144, 141, Rn. 28). Sind zumutbare Bemühungen zum Erwerb der Sprachkenntnisse ein Jahr lang erfolglos geblieben, darf dem Visumbegehren des Ehegatten eines Deutschen das Spracherfordernis nicht mehr entgegen gehalten werden. Entsprechendes gilt, wenn dem ausländischen Ehepartner Bemühungen zum Spracherwerb von vornherein nicht zumutbar sind, etwa weil
• Sprachkurse in dem betreffenden Land nicht angeboten werden oder
• deren Besuch mit einem hohen Sicherheitsrisiko verbunden ist
und auch sonstige erfolgversprechende Alternativen zum Spracherwerb nicht bestehen; in diesem Fall braucht die Jahresfrist nicht abgewartet zu werden (BVerwG, U. v. 04.09.2012 – 10 C 12/12 – BVerwGE 144, 141, Rn. 28).
Bei der Zumutbarkeitsprüfung sind insbesondere
• die Verfügbarkeit von Lernangeboten,
• deren Kosten,
• ihre Erreichbarkeit sowie
• persönliche Umstände
zu berücksichtigen, die der Wahrnehmung von Lernangeboten entgegenstehen können, etwa Krankheit oder Unabkömmlichkeit (BVerwG, U. v. 04.09.2012 – 10 C 12/12 – BVerwGE 144, 141, Rn. 28). Das erforderliche Bemühen zum Spracherwerb kann auch darin zum Ausdruck kommen, dass der Ausländer zwar die schriftlichen Anforderungen nicht erfüllt, wohl aber die mündlichen.
Führt die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall zu dem Ergebnis, dass vom Nachweis des Spracherfordernisses nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vor der Einreise abzusehen ist, ist bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen das Visum zum Ehegattennachzug nach § 6 Abs. 3 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu erteilen (BVerwG, U. v. 04.09.2012 – 10 C 12/12 – BVerwGE 144, 141, Rn. 29).
Es ist für einen Ausländer nicht zumutbar, seine Arbeitsstelle aufzugeben, um im Bundesgebiet einen Sprachkursus zu absolvieren, der ohnehin nicht innerhalb einer Frist zum rechtmäßigen Aufenthalt von 90 Tagen (innerhalb eines 180 Tage-Zeitraumes) absolviert werden kann. In einem solchen Fall ist ausnahmsweise von dem Erfordernis des Spracherwerbes der deutschen Sprache vor der Einreise abzusehen (OVG BB, U. v. 23.10.2012 – OVG 2 B 13.10 – juris, Rn. 30).
Darf der ausländische Ehepartner ohne den vorherigen Spracherwerb nachzuweisen in das Bundesgebiet einzureisen, so enthebt dies ihn allerdings nicht von Bemühungen, die gesetzlich geforderten Sprachkenntnisse dann nach der Einreise zu erwerben, um eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu erhalten. Der Verzicht auf den Spracherwerbsnachweis vor der Einreise lässt das öffentliche Interesse an Mindestsprachkenntnissen als Integrationsvoraussetzung nicht endgültig entfallen (s.a. den Rechtsgedanken des § 41 Abs. 3 AufenthV). Gelingt dem ausländischen Ehegatten der Spracherwerb nicht, ist der Aufenthalt jedenfalls auf andere Weise, etwa durch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 AufenthG zu ermöglichen, um die Ehe im Bundesgebiet führen zu können (BVerwG, U. v. 04.09.2012 – 10 C 12/12 – BVerwGE 144, 141, Rn. 29).
Eine mit dem Erwerb der nach § 28 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG erforderlichen Sprachkenntnisse verbundene unverhältnismäßige Verzögerung des Nachzugs kann nicht zum Absehen vom Visumverfahren führen, sondern nur in dessen Rahmen gegenüber der für die Erteilung des Visums zuständigen Auslandsvertretung geltend gemacht werden (OVG NRW, B. v. 17.01.2013 – 18 B 5/13 – juris, Rn. 6).
Die vorstehenden Erwägungen gelten gleichermaßen für den Ehegattennachzug zu einem Deutschen, der eine weitere Staatsangehörigkeit besitzt (BVerwG, U. v. 04.09.2012 – 10 C 12/12 – BVerwGE 144, 141, Rn. 30). Denn die weitere Staatsangehörigkeit führt nicht zu einer Beschränkung der Rechtswirkungen der deutschen, insbesondere des Rechts auf Aufenthalt in Deutschland nach Art. 11 GG. Der Senat weist darauf hin, dass die doppelte Staatsangehörigkeit eines deutschen Stammberechtigten – entgegen der Gesetzesbegründung der Bundesregierung vom 23. April 2007 zu § 28 AufenthG (BTDrucks 16/5065 S. 171) – auch keine besonderen Umstände begründet, um entgegen der gesetzlichen Regel den Ehegattennachzug von einer Sicherung des Lebensunterhalts abhängig zu machen (BVerwG, U. v. 04.09.2012 – 10 C 12/12 – BVerwGE 144, 141, Rn. 30).

Ausnahmeregelungen in Satz 3

Nr. 1

Der Anwendungsbereich dieser Ausnahmeregelung hat sich nachträglich durch Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 25 Abs. 2 AufenthG erweitert. War bislang neben dem Asylberechtigten nach Art. 16a GG, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 AufenthG erhielt, der Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 3 AsylVfG erfasst, so sind ab 1. Dezember 2013 auch subsidiär Schutzberechtigte nach § 4 Abs. 1 AsylVfG begünstigt. Nach dieser Norm ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
1. die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
Dies Ausländer, die nach § 60 Abs. 2,3 und 7 Satz 2 AufenthG die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots erfüllten, erhielten zuvor eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. In Bezug auf diese Personengruppe ist die Übergangsregelung in § 104 Abs. 9 AufenthG von Bedeutung. Diese Ausländer gelten als subsidiär Schutzberechtigte im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG und erhalten von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 zweite Alternative AufenthG, es sei denn, das Bundesamt hat die Ausländerbehörde über das Vorliegen von Ausschlusstatbeständen im Sinne des „§ 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst a bis d AufenthG in der vor dem 1. Dezember 2013 gültigen Fassung unterrichtet.

Nr. 2

Nach § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AufenthG ist § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG unbeachtlich, wenn der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen (BVerwG, U. v. 04.09.2012 – 10 C 12/12 – BVerwGE 144, 141, Rn. 25) .
Der Umstand, dass jemand in der lateinischen Schriftsprache nicht alphabetisiert worden ist und es für ihn mit erheblichen Mühen verbunden sein dürfte, einfache Kenntnisse insbesondere der deutschen Schriftsprache nachzuweisen, genügt nicht für die Annahme eines Ausnahmefalls nach § 30 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AufenthG (OVG BB, U. v. 23.10.2012 – OVG 2 B 13.10 – juris, Rn. 25).

Nr. 3

Die Integrationskursverordnung als solche beruht auf der Ermächtigungsgrundlage des § 43 Abs. 4 AufenthG. Durch diese Vorschrift wurde die Bundesregierung ermächtigt, nähere Einzelheiten des Integrationskurses, insbesondere die Grundstruktur, die Dauer, die Lerninhalte und die Durchführung der Kurse, die Vorgaben bezüglich der Auswahl und Zulassung der Kursträger sowie die Voraussetzungen und die Rahmenbedingungen für die ordnungsgemäße und erfolgreiche Teilnahme und ihre Bescheinigung einschließlich der Kostentragung (...) zu regeln.
Nach § 4 Abs. 2 IntV besteht ein Teilnahmeanspruch an einem Integrationskurs nicht bei erkennbar geringem Integrationsbedarf (§ 44 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes). Ein solcher ist in der Regel anzunehmen, wenn
1. ein Ausländer
a) einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss oder eine entsprechende Qualifikation besitzt, es sei denn, er kann wegen mangelnder Sprachkenntnisse innerhalb eines angemessenen Zeitraums keine seiner Qualifikation entsprechende Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet erlaubt aufnehmen, oder
b) eine Erwerbstätigkeit ausübt, die regelmäßig eine Qualifikation nach Buchstabe a erfordert, und
2. die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich der Ausländer ohne staatliche Hilfe in das wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Leben der Bundesrepublik Deutschland integrieren wird.
§ 4 Abs. 2 Satz 2 IntV lässt auch andere Fälle des erkennbar geringen Integrationsbedarfs neben den ausdrücklich aufgeführten Regelfällen zu. Die Vorschrift erschwert den Behörden lediglich bei Ausländern, die einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss oder eine entsprechende Qualifikation besitzen und die weiteren Voraussetzungen erfüllen, die Verneinung eines erkennbar geringen Integrationsbedarfs.
Besitzt der Ausländer einen Abschluss, der in Deutschland nicht ohne weiteres als Hochschul- oder Fachhochschulabschluss anerkannt wird, so kann es sich gleichwohl um eine „entsprechende Qualifikation" i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 lit. a) IntV handeln (VG München, U. v. 07.03.2013 – M 12 K 12.5497 – juris, Rn. 32). Diese Vorschrift ist ihrem Wortlaut sowie ihrem Sinn und Zweck nach nicht so auszulegen, dass eine Anerkennung im Sinne der Vorgaben der Kultusministerkonferenz möglich sein muss. Es geht nur um die Frage des Integrationsbedarfs, für die weitere Maßstäbe zu setzen sind als für die Anerkennung von Schul- und Hochschulabschlüssen – etwa zum Zwecke der Berufsausübung in Deutschland. Der Wortlaut des § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 lit. a) IntV spricht von „entsprechender Qualifikation" und nicht von einem „entsprechenden Abschluss" oder gar einer „anerkennungsfähigen Qualifikation".
Nach § 44 Abs. 3 AufenthG besteht der Anspruch auf Teilnahme am Integrationskurs nicht,
1. bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die eine schulische Ausbildung aufnehmen oder ihre bisherige Schullaufbahn in der Bundesrepublik Deutschland fortsetzen,
2. bei erkennbar geringem Integrationsbedarf oder
3. wenn der Ausländer bereits über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt

Nr. 4

Ein Ehegatte eines deutscher Staatsangehörigen kann sich auch nicht auf § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AufenthG berufen. Danach gilt das Spracherfordernis nicht, wenn der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf. Diese Ausnahmeregelung bezieht sich auf Stammberechtigte, d. h. nicht auf den nachziehenden Ehegatten, die nach § 41 AufenthV auch für längere Aufenthalte visumfrei einreisen und einen erforderlichen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen können (BVerwG, U. v. 04.09.2012 – 10 C 12/12 – BVerwGE 144, 141, Rn. 18; BTDrucks 16/5065 S. 175). Ihr kommt beim Ehegattennachzug zu einem Deutschen über den Verweis in § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG keine Bedeutung zu. Ein Deutscher benötigt keinen Aufenthaltstitel zur Einreise und zum Aufenthalt im Bundesgebiet. Dass er aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit visumfrei einreisen und sich hier aufhalten darf, ergibt sich nicht aus § 41 AufenthV. Bei einer Übertragung der Ausnahmeregelung auf deutsche Stammberechtigte würde das Spracherfordernis beim Nachzug zu einem Deutschen vollkommen leerlaufen, was dem Willen des Gesetzgebers, auch in diesen Fällen vom nachziehenden Ehegatten grundsätzlich den Nachweis einfacher Deutschkenntnisse zu verlangen (vgl. BVerwG, U. v. 04.09.2012 – 10 C 12/12 – BVerwGE 144, 141, Rn. 18 unter Hinweis auf BTDrucks 16/5065 S. 171), zuwiderlaufen würde.
Nach § 41 AufenthV werden folgende Ausländer erfasst:
(1) Staatsangehörige von Australien, Israel, Japan, Kanada, der Republik Korea, von Neuseeland und der Vereinigten Staaten von Amerika können auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ein erforderlicher Aufenthaltstitel kann im Bundesgebiet eingeholt werden.
(2) Dasselbe gilt für Staatsangehörige von Andorra, Honduras, Monaco und San Marino, die keine Erwerbstätigkeit mit Ausnahme der in § 17 Abs. 2 genannten Tätigkeiten ausüben wollen.

Nr. 5

Die Ausnahmeregelung tritt neben § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG, der bestimmt, dass die Sprachanforderungen nicht erfüllt werden müssen, wenn
der Ausländer, zu dem der Zuzug erfolgen soll, einen Aufenthaltstitel nach §§ 19 bis 21 AufenthG besitzt und die Ehe bereits bestand, als er seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat. Ausländer, die im Besitz einer Blauen Karte sind, unterfallen dieser Regelung, sodass § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 AufenthG als doppelte Normierung erscheint.
In § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG sollte nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtline der Europäischen Union vom 15.02.2012 (Drs. 17/8682, Nr. 14 lit. c) lediglich ein Buchstabe g angefügt werden, mit dem der Nachzug zu Inhabern einer Blauen Karte EU ermöglicht wird. Die Regelung über die Sprachanforderungen hielt man mit der Regelung des § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG hinreichend umgesetzt.
Erst aufgrund der Anhörung im Innenausschuss wurde nachträglich die Ausnahmeregelung der Nr. 5 eingeführt, um eine Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie 2009/50/EG gerecht zu werden. Dieser bestimmt aber, dass abweichend von Art. 4 Abs. 1 letzter Unterabsatz und Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/86/EG Integrationsvoraussetzungen und -maßnahmen nur zur Anwendung kommen, nachdem den betroffenen Personen die Familienzusammenführung gewährt wurde. Insoweit kommt die Familienzusammenführungsrichtlinie nach Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2009/50/EG nur unter Berücksichtigung der festgelegten Ausnahmeregelungen zur Anwendung. Damit werden Familienangehörige von Drittausländern, die im Besitz einer Blauen Karte EU sind, unabhängig davon, wann die Ehe geschlossen wurde, von den Sprachanforderungen befreit.


Verstoß gegen das Gleichheitsgebot

Ein mit der Verfassung unvereinbaren Gleichheitsverstoß wird nicht dadurch begründet, dass von dem nachzugswilligen Ehegatten eines Deutschen ein Sprachnachweis gefordert wird, nicht hingegen von den Ehegatten anderer sich in Deutschland aufhaltender Unionsbürger (BVerwG, U. v. 04.09.2012 – 10 C 12/12 – BVerwGE 144, 141, Rn. 33). Denn dieser Unterschied folgt aus dem Unionsrecht, das begünstigende Regelungen nur für diejenigen Unionsbürger gewährt, die unionsrechtlich privilegiert sind (vgl. EuGH, U. v. 05.05.Mai 2011 – C-434/09, McCarthy – NVwZ 2011, 867 und U. v. 15.11.2011 – C-256/11, Dereci u.a. – NVwZ 2012, 97; Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürger-Richtlinie). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt es keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar, wenn der nationale Gesetzgeber Regelungen des Unionsrechts nicht auf Familienangehörige von inländischen Unionsbürgern überträgt, die - wie der Ehemann der Klägerin - unionsrechtlich nicht privilegiert sind (vgl. BVerwG, U. v. 16.11.2010 – 1 C 17.09 – BVerwGE 138, 122 Rn. 15 m.w.N.). Dabei kann dahinstehen, ob angesichts der Verpflichtung zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und der dadurch bedingten Betroffenheit unterschiedlicher Rechtskreise überhaupt gleiche oder vergleichbare Sachverhalte im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen. Denn die aus dem Nebeneinander von (umgesetztem) Unionsrecht und rein nationalem Recht entstehende Ungleichbehandlung ist jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Ist eine Übertragung des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts auf Familienangehörige von inländischen Unionsbürgern, die unionsrechtlich nicht privilegiert sind, nicht geboten, liegen hinreichend gewichtige Gründe vor, dass in diesen Fällen die für alle unionsrechtlich nicht privilegierten Ausländer geltenden Bestimmungen des nationalen Aufenthaltsrechts zur Anwendung kommen. Im Übrigen berücksichtigt die gesetzliche Regelung in ihrer Auslegung durch den Senat das besondere Gewicht des privaten Interesses beim Ehegattennachzug zu Deutschen, weshalb das Spracherfordernis auf die Ehepartner von Deutschen nur mit Einschränkungen Anwendung findet.
Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt auch nicht vor, soweit Ehegatten, die aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen dürfen, einen erforderlichen Aufenthaltstitel innerhalb von drei Monaten nach der Einreise beantragen können (vgl. § 41 Abs. 3 AufenthV). Dadurch sind sie gegenüber anderen Ehegatten insoweit im Vorteil, als sie das Spracherfordernis nicht schon vor der Einreise, sondern erst bei der erstmaligen Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet erfüllen müssen(BVerwG, U. v. 04.09.2012 – 10 C 12/12 – BVerwGE 144, 141, Rn. 34). Diese Ungleichbehandlung ist verfassungsrechtlich hinreichend gerechtfertigt. Der Bundesrepublik steht hinsichtlich der Pflege ihrer Beziehungen zu auswärtigen Staaten ein weites außenpolitisches Ermessen zu. Dies schließt die aufenthaltsrechtliche Privilegierung von Angehörigen bestimmter Drittstaaten ein (vgl. U. v. 30.03.2010 – 1 C 8.09 – BVerwGE 136, 231, Rn. 59). Im Übrigen ist die Regelung von der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt, differenzierte Regelungen für unterschiedliche Gruppen nachzugswilliger Ausländer zu treffen, die in einem Gesamtabgleich untereinander teilweise vorteilhafte und teilweise nachteilige Regelungen beinhalten (BVerwG, U. v. 04.09.2012 – 10 C 12/12 – BVerwGE 144, 141, Rn. 34). So gewähren die Nachzugsregelungen den Ehegatten von Deutschen z.B. insoweit einen Vorteil gegenüber den Ehegatten aus visumrechtlich privilegierten Staaten, als § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG im Regelfall vom Erfordernis der Unterhaltssicherung befreit.
Ein Verstoß gegen den besonderen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG liegt nicht vor. Danach darf niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Dieses Differenzierungsverbot setzt einen kausalen Zusammenhang zwischen der Bevorzugung oder der Benachteiligung und den in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG genannten Merkmalen voraus; die Bevorzugung oder Benachteiligung muss mithin gerade wegen eines dieser Merkmale erfolgen (BVerwG, U. v. 30.03.2010 – 1 C 8.09 – BVerwGE 136, 231, Rn 54.)
Soweit nachziehende Ehegatten aufgrund ihrer visumfreien Einreise das Spracherfordernis erst nach der Einreise erfüllen müssen bzw. wegen ihrer Ehe mit einem visumrechtlich privilegierten Stammberechtigten nach § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AufenthG von der Nachweispflicht gänzlich ausgenommen sind, beruht dies auch nicht auf Gründen ihrer bzw. ihrer Ehegatten Heimat und Herkunft. Der Begriff "Heimat" bezieht sich nur auf die örtliche Herkunft nach Geburt oder Ansässigkeit, der Begriff "Herkunft" darüber hinaus auf die ständisch-soziale Abstammung und Verwurzelung (BVerwG, U. v. 30.03.2010 – 1 C 8.09 – BVerwGE 136, 231, Rn. 56 unter Hinweis auf BVerfG, B. v. 25.05.1956 – 1 BvR 83/56 – BVerfGE 5, 17 ). An diese beiden Kriterien knüpft weder § 41 AufenthV noch § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AufenthG an. Maßgeblich für die Privilegierungen ist die auf der Staatsangehörigkeit beruhende visumrechtliche Besserstellung des nachziehenden bzw. des stammberechtigten Ehegatten. Diese Anknüpfungspunkte gehören nicht zu den in Art. 3 Abs. 3 GG aufgezählten Merkmalen, die eine Mindestsicherung gegen Diskriminierungen erreichen sollen (vgl. BVerwG, U. v. 30.03.2010 – 1 C 8.09 – BVerwGE 136, 231, Rn. 56 unter Hinweis auf BVerfG, B. v. 20.03.1979 – 1 BvR 111/74 u.a. – BVerfGE 51, 1 und B. v. 09.02.1994 – 1 BvR 1687/92 – BVerfGE 90, 27 ).

Vereinbarkeit mit Art. 7 der Familienzusammenführungsrichtlinie

Auch das BVerwG geht davon aus, dass die Frage, ob das Erfordernis einfacher deutscher Sprachkenntnisse in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG mit Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie vereinbar ist, mit Rücksicht auf die inzwischen veränderte Auffassung der Europäischen Kommission (vgl. Stellungnahme vom 4. Mai 2011 (Sj.g 540657 im Verfahren C-155/11 PPU, Imran) dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung vorgelegt werden muss (BVerwG, B. v. 28.10.2011 – 1 C 9.10 – juris, Rn. 3).
Die Kommission hat in ihrer Stellungnahme in der Rs Imran zu dem Spracherfordernis Folgendes ausgeführt (Rn 23): „Einerseits kann auf der Grundlage des Art. 4 RL 2003/86/EG verlangt werden, dass ein "Integrationskriterium" erfüllt wird, bevor die Erlaubnis zu Einreise und Aufenthalt erteilt wird, auch entgegen der Anforderungen, die im Kapitel IV und im Art 16 niedergelegt sind. Dies bedeutet, dass die Möglichkeit besteht, das Recht auf Familienzusammenführung ausschließlich bei Kindern über 12 Jahre, die ihren Hauptwohnsitz nicht bei dem Zusammenführenden haben (also nicht für die anderen Kategorien), auf Grund von Integrationsproblemen einzuschränken (siehe zwölfter Erwägungsgrund). Andererseits gibt es die "Integrationsmaßnahmen" gemäß Art. 7 Abs. 2 RL 2003/86/EG, die nicht dazu führen können, dass das Recht für die betroffenen Familienmitglieder – in diesem Falle der Ehegattin des Zusammenführenden – gemäß Art 4 Abs. 1 Buchst a RL 2003/86/EG eingeschränkt wird."
Hatte sich die Kommission in ihrer Stellungnahme vom 4.5.2011 (Sj.g(2011)540657) in der Rs C-155/11 PPU, Imran, klar dagegen ausgesprochen, dass Integrationsmaßnahmen nach Art. 7 Abs. 2, 1. UAbs RL 2003/86/EG dazu führen dürfen, den Nachzug eines Ehegatten, bei dem die sonstigen Nachzugsvoraussetzungen vorliegen, zu beschränken, kann eine dahin gehende Klarstellung hingegen dem Grünbuch zur FamZuRL vom 15.11.2011 (KOM(2011) 735 endg) nicht entnommen werden. Auf Seite 5 des Grünbuchs vom 15.11.2011 führt die Kommission zu den zulässigen Integrationsmaßnahmen aus: „In ihrer derzeitigen Form enthält die Richtlinie keine genauen Hinweise darauf, was Integrationsmaßnahmen umfassen und wie sie umgesetzt werden sollen; einige Mitgliedstaaten machen von solchen Maßnahmen Gebrauch. In drei Mitgliedstaaten gelten sie als Bedingung für die Zulassung in das Hoheitsgebiet; die Familienangeh müssen sich Sprachprüfungen und Tests zur Überprüfung der Grundkenntnisse über die Aufnahmegesellschaft unterziehen oder sich vertraglich verpflichten, unmittelbar nach ihrer Einreise Kurse in Staatsbürgerkunde und ggfs Sprachkurse zu besuchen. Andere Mitgliedstaaten verlangen von Familienangeh erst bei der Einreise, bestimmten Verpflichtungen nachzukommen und bspw an Integrationskursen (hauptsächlich Sprachkursen) teilzunehmen."
In Kenntnis der Sprachprüfungen als Bedingung des Familiennachzugs in Deutschland und den Niederlanden wird die Praxis nicht für unzulässig erklärt, sondern nur festgestellt, dass diese der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität Rechnung tragen müssen: „Die Zulässigkeit von Integrationsmaßnahmen sollte – wie bereits im Evaluierungsbericht festgestellt – daran gemessen werden, ob sie Integration erleichtern und den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität Rechnung tragen. Bei Entscheidungen über den Antrag auf Familienzusammenführung sollte, soweit Prüfungen absolviert werden müssen, berücksichtigt werden, ob die zur Vorbereitung erforderlichen Voraussetzungen (übersetztes Lernmaterial, Kurse) vorhanden und entsprechende Einrichtungen zugänglich sind (Veranstaltungsort, Gebühren). Individuelle Gegebenheiten (wie nachgewiesenes Analphabetentum, Gesundheitsbeschwerden) sollten ebenfalls berücksichtigt werden."

Sonderregelung für türkische Staatsangehörige

Mit der Frage, ob einem türkischen Staatsangehörigen fehlende Deutschkenntnisse entgegengehalten werden können, hat das OVG Lüneburg berechtigte Bedenken geäußert, sie im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO offen gelassen.

Für einen etwaigen weiteren Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, d.h. hinsichtlich der Erfolgsaussichten des zweiten Hilfsantrages, weist der Senat zur Vermeidung weiterer Auseinandersetzungen darauf hin, dass nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (vgl. zuletzt U. v. 9.12.2010 - C 300 und 301/09 -), mit der der Anwendungsbereich der sog. Standstill-Klausel des Art. 13 ARB 1/80 ausgeweitet worden ist, in der Tat mutmaßlich nicht im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO klärungsfähige Zweifel daran bleiben, ob der Antragstellerin ihre fehlenden Deutschkenntnisse entgegengehalten werden dürfen, da das zuvor geltende Ausländerrecht eine solche (zwingende) Nachzugsvoraussetzung nicht kannte (vgl. auch Pfersich, ZAR 2011, 34 f., in Anmerkung zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.3.2010 - 1 C 8/09 -; Farahat, NVwZ 2011, 343, 345 f.)

NdsOVG, B. v. 15.03.2011 – 11 ME 59/11 –,InfAuslR 2011, 228 =AuAS 2011, 125