II. Länderübergreifende Umverteilung

Begehrt ein Ausländer einen Umzug in ein anderes Bundesland, so ist die für die bisherige Duldungserteilung zuständige Behörde für die Änderung der Wohnsitzauflage zuständig (VG Darmstadt, B. v. 28.06.2010 – 5 L 634/10.DA.A – juris). Dem Ausländer ist es versagt, eine „Zweitduldung" zu beanspruchen. Eine solche „Zweitduldung" scheitert nicht erst an der Regelung des § 61 Abs. 1 Satz 1, wonach die Duldung grundsätzlich nur Gültigkeit für ein Bundesland hat und die gesetzlich angeordnete Aufenthaltsbeschränkung auf ein Bundesland durch eine Zweitduldung unterlaufen werden würde (so OVG NRW, B. v. 29.11.2005 – 19 B 2364/03 – InfAuslR 2006, 64 [66]). Da mit der Duldung die Entscheidung der Behörde, die Abschiebung auszusetzen, bescheinigt wird (vgl. die Überschrift von § 60 a AufenthG), würde eine zugelassene zweite Duldung die Frage aufwerfen, wer für die Entscheidung, den Aufenthalt des Geduldeten zu beenden, zuständig ist und wer die Verantwortung für Abschiebungsmaßnahmen trüge. Ein solches Nebeneinander birgt schwer lösbare Kompetenzkonflikte und verletzt die im Rechtsstaat bestehende Verpflichtung, Zuständigkeiten grundsätzlich eindeutig zu regeln (so VG Darmstadt, B. v. 28.06.2010 – 5 L 634/10.DA.A – juris).

Eine Nebenbestimmung, mit der ein Umzug in ein anderes Bundesland ermöglicht wird, verstößt nicht gegen § 61 Abs. 1 Satz 1, wonach der Aufenthalt des geduldeten Ausländers auf „das Gebiet des Landes" beschränkt ist. Diese Regelung, die schon in § 56 Abs. 3 Satz 1 AuslG vom 09.07.1990 (BGBl. I S. 1354), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.07.2004 (BGBl. I S. 1842) – im Folgenden: AuslG – einen Vorläufer hat und nach dort aus der zum AuslG 1965 ergangenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift vom 07.07.1967 (GMBl. S. 231) übernommen wurde (siehe dort zu § 17 Nr. 4), hat Ordnungsfunktion und soll es ermöglichen, das Untertauchen eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers zu erschweren und die Erfüllung der Ausreisepflicht besser zu überwachen. Außerdem sollen vollziehbar Ausreisepflichtige gegenüber Asylbewerbern nicht besser gestellt werden (vgl. amtl. Begr. zu § 61, BT-Drs. 15/420, S. 92). Die bloße Ordnungsfunktion der Vorschrift schließt einen Wohnortwechsel in ein anderes Bundesland jedenfalls dann nicht aus, wenn die betroffenen Behörden zustimmen oder wenn im Weigerungsfalle die Zustimmung der ggf. beizuladenden Ausländerbehörde des Wunschwohnortes durch das Gericht ersetzt wird (so VG Darmstadt, B. v. 28.06.2010 – 5 L 634/10.DA.A – juris). Die Ordnungsfunktion hat insbesondere dann zurückzutreten, wenn höherrangiges Recht, etwa die aus Art. 6 Abs. 1 GG folgenden Verbürgungen des Schutzes von Ehe und Familie, dies gebietet.

Ein die Ländergrenzen überschreitender Wohnortwechsel ist auch nach der neuen Verwaltungsvorschrift zum AufenthG vom 26.10.2009 (GMBl. 2009, 878) nicht ausgeschlossen. Dort heißt es zu § 61 AufenthG:

61.1.1.1 Der Aufenthalt des vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers ist kraft Gesetzes auf das Gebiet des Landes beschränkt. Eine engere Beschränkung des Aufenthalts, insbesondere auf den Bezirk der Ausländerbehörde, kann über § 61 Absatz 1 Satz 2 erfolgen. Eine länderübergreifende Änderung der räumlichen Beschränkung – insbesondere wenn diese mit einer Verlegung des Wohnortes verbunden ist – oder eine sonstige Änderung durch eine andere Ausländerbehörde, die die Maßnahme nicht angeordnet hat, ist unbeschadet landesrechtlicher Zuständigkeitsregelungen nur im Einvernehmen mit den beteiligten Ausländerbehörden der betreffenden Länder zulässig. Der Umzug in ein anderes Bundesland darf nur im Einvernehmen mit der Ausländerbehörde des betroffenen Landes ermöglicht werden.

Erteilt die Ausländerbehörde des aufnehmenden Bundeslandes im Einvernehmen mit der bisher zuständigen Ausländerbehörde eine neue Duldung, erlischt die bisherige Duldung gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG, sodass der Ausländer zu keiner Zeit im Besitze zweier Duldungen wäre (vgl. hierzu VG Darmstadt, B. v. 28.06.2010 – 5 L 634/10.DA.A – juris; OVG NRW, B. v. 29.11.2005 – 19 B 2364/03 – InfAuslR 2006, 64 [66]; VG Bremen, U. v. 08.01.2007 – 4 K 2885/04 – juris, Rn. 53).