Besonderer Versagungsgrund bei Unterstützen von Terrorismus

Die Verwirklichung eines Ausweisungstatbestandes nach § 54 Nr. 5 oder 5a AufenthG stellt eine absolute Schranke für die Erteilung eines Aufenthaltstitels dar. Nach § 5 Abs. 4 AufenthG ist daher die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu versagen, wenn u.a. der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG vorliegt. Dieser setzt voraus, dass Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Vorläufer dieser Regelung war der durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz (Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus vom 9. Januar 2002, BGBl I S. 361) neu eingeführte Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG 1990. Durch Streichung des Attributs "international" im Aufenthaltsgesetz wollte der Gesetzgeber den nationalen wie den internationalen Terrorismus erfassen; der räumliche Anwendungsbereich der Vorschrift wurde demzufolge erweitert und erfasst alle terroristischen Aktivitäten unabhängig davon, wo sie stattfinden (BTDrucks 15/420 S. 70; vgl. auch BTDrucks 16/5065 S. 183 zu Nr. 42).

BVerwG, U. v. 30.04.2009 – 1 C 6/08 –, BVerwGE 134, 27 = NVwZ 2009,1162

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist in den Grundzügen geklärt, unter welchen Voraussetzungen von einer - völkerrechtlich geächteten - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln auszugehen ist (vgl. dazu BVerwG, U. v. 15.03.2005 – 1 C 26.03 –, BVerwGE 123, 114 ). Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden (U. v. 30.03.1999 –9 C 23.98 –, BVerwGE 109, 12 mit Hinweis auf BVerfGE 80, 315 ).

BVerwG, U. v. 30.04.2009 – 1 C 6/08 –, BVerwGE 134, 27 = NVwZ 2009,1162

In dem hier entschiedenen Fall ging das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Kläger (ein türkischer Staatsangehöriger) durch seine Mitgliedschaft in der Organisation AFID einer Vereinigung angehört hat, die den Terrorismus unterstützt hat. Demzufolge ist die von der AFID geplante Besetzung der Fatih-Moschee mit Sprengstoff und Waffen als terroristisch anzusehen. Das Gleiche gilt für den geplanten Anschlag auf das Atatürk-Mausoleum in Istanbul durch ein mit Sprengstoff beladenes Flugzeug, durch den die obersten Repräsentanten des türkischen Staates am türkischen Nationalfeiertag getötet werden sollten. Da der Kläger persönlich an den Anschlagsvorbereitungen in der Türkei beteiligt war, steht außer Frage, dass ihm diese Aktivitäten der Organisation zuzurechnen sind. Die Aktivitäten des Klägers aus dem Jahr 1998 begründeten auch im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung eine "gegenwärtige" Gefährlichkeit. Der erst im Gesetzgebungsverfahren eingefügte zweite Halbsatz des § 54 Nr. 5 AufenthG beruht auf der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses (BTDrucks 15/3479 S. 2 und 8). Allerdings ließ bereits die Begründung des Regierungsentwurfs zum Aufenthaltsgesetz erkennen, dass abgeschlossene Sachverhalte aus der Vergangenheit ohne gegenwärtige oder künftige Relevanz für die Entscheidung über die Erteilung eines Aufenthaltstitels außer Betracht bleiben sollten. Der Versagungsgrund solle nicht greifen, wenn eine Sicherheitsbeeinträchtigung nicht mehr zu erwarten sei; die Beurteilung obliege regelmäßig den Sicherheitsbehörden (BTDrucks 15/420 S. 70). Diese Regelung verlangt bei länger zurückliegenden Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen grundsätzlich eine gegenwartsbezogene Beurteilung des Ausländers und dessen Gefährlichkeit auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden. Allein der mit der Haftverbüßung und dem anschließenden Aufenthalt im Bundesgebiet verbundene Zeitablauf reicht nicht aus, um das in seiner Person zutage getretene extreme Gefahrenpotential als nicht mehr gegeben anzusehen. Für einen Persönlichkeitswandel, die Aufgabe der politischen Ziele oder zumindest eine Abkehr vom Einsatz terroristischer Mittel ist der Kläger darlegungspflichtig.

BVerwG, U. v. 30.04.2009 – 1 C 6/08 –, BVerwGE 134, 27 = NVwZ 2009, 1162

§ 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG findet aber im Rahmen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an einen anerkannten Asylbewerber oder Flüchtling nach § 25 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AufenthG keine Anwendung, weil die Vorschrift durch die spezielle Ausschlussregelung in § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG - die gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 auch für anerkannte Flüchtlinge gilt - verdrängt wird.

OVG RP, U. v. 24.03.2011 – 7 A 11435/10 –, InfAuslR 2011, 257 27

Denn die Ausschlussregelung in § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG für anerkannte Asylberechtigte, die gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auch für anerkannte Flüchtlinge gilt, ist im Verhältnis zu § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG als lex specialis anzusehen und schließt daher dessen Anwendung bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an die genannten Personengruppen aus.

OVG RP, U. v. 24.03.2011 – 7 A 11435/10 –, InfAuslR 2011, 257

Das OVG RP folgt damit im Ergebnis der in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung (vgl. SaarlOVG, B. v.10.11.2010 – 2 B 290/10 –, juris; VG Hamburg, U. v. 31.01.2006 – 10 K 2710/05 –, juris; Burr, in: GK-AufenthG, Stand Juni 2007, § 25 AufenthG Rn. 18; Hailbronner, AuslR, Stand Februar 2008, § 25 AufenthG Rn. 13; Fränkel, in: HK-AuslR, 2008, § 25 AufenthG Rn. 9; Huber, AufenthG, 2010, § 5 Rn. 28; anderer Ansicht: Bäuerle, in: GK-AufenthG, Stand Juni 2007, § 5 AufenthG Rn. 195 ff.; Wenger, in: Storr/Wenger u.a., Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 2. Auflage 2008, § 5 AufenthG Rn. 13; AVwV vom 26. Oktober 2009, GMBl. S. 878, Nr. 5.4.2 und Nr. 25.1.3). Für das Verhältnis von § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sind dem Wortlaut der Vorschriften keine eindeutigen Anhaltspunkte zu entnehmen. Aus der Formulierung in § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, wonach die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu versagen ist, wenn einer der Ausweisungsgründe des § 54 Nr. 5 bis 5b vorliegt, folgt lediglich, dass der Versagungsgrund für alle Arten auf Aufenthaltstiteln (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) und unabhängig davon gilt, ob auf die Erteilung des Aufenthaltstitels an sich ein Anspruch besteht oder ob diese nach Ermessen erfolgt. Die Regelung in § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG, die den Anspruch anerkannter Asylbewerber und Flüchtlinge nach Satz 1 ausschließt, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist, kann zwar als umfassende und abschließende Regelung der Berücksichtigung von Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Rahmen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an diese Gruppe von Ausländern verstanden werden. Eine ausdrückliche Regelung, dass § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG abweichend von § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG geltend solle, enthält die Vorschrift indes anders als etwa § 28 Abs. 1 Satz 2 AufenthG im Verhältnis zu § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht.

OVG RP, U. v. 24.03.2011 – 7 A 11435/10 –, InfAuslR 2011, 257

Für die Nichtanwendbarkeit des § 5 Abs. 4 AufenthG im Rahmen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an anerkannte Asylbewerber und Flüchtlinge nach § 25 Abs. 1 bzw. 2 AufenthG spricht, dass damit Ergebnisse vermieden werden können, die im Widerspruch zu Art. 24 Abs. 1 QualfRL stehen Nach Art. 24 Abs. 1 QualfRL stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Art. 21 Abs. 3 aus, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen. Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, das heißt die als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt (vgl. § 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG) und damit auch Flüchtling im Sinne der Qualifikationsrichtlinie sind (vgl. Art. 2c und d QualfRL), ist demnach grundsätzlich ein Aufenthaltstitel auszustellen.

Von diesem Grundsatz bestehen nach Art. 24 Abs. 1 QualfRL zwei Ausnahmen:

  1. Zum einen bei zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung und
  2. zum anderen in Fällen des § 21 Abs. 3 QualfRL.

Nach Art. 21 Abs. 3 QualfRL können die Mitgliedsstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet, das heißt

(a), wenn es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass der Ausländer eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, indem er sich aufhält, oder

(b), wenn er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaates darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.

Es ist zwar davon auszugehen, dass vielfach in Fällen der Terrorismusunterstützung im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG zugleich auch der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5a AufenthG durch eine Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gegeben ist. In diesen Fällen greift die Ausnahmeregelung des Art. 24 Abs. 1 i.V.m. Art. 21 Abs. 3 und 2a QualfRL ein (vgl. BayVGH, B. v. 10.07.2009 – 10 ZB 09.950, Rn. 15 f. und 24 f.), sodass die Versagung eines Aufenthaltstitels nach § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht im Widerspruch zu Art. 24 Abs. 1 QualfRL steht. Dies gilt jedoch nicht in allen Fällen der Terrorismusunterstützung im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG. Vielmehr stellt nicht jede Unterstützung einer Vereinigung, die ihrerseits den Terrorismus unterstützt, eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar. Andernfalls hätte es der Regelung des § 54 Nr. 5 AufenthG neben § 54 Nr. 5a AufenthG auch nicht bedurft. In den Fällen, in denen der anerkannte Flüchtling durch seine Unterstützungstätigkeit weder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt noch wegen schwerer Straftaten verurteilt worden ist und auch keine "zwingenden Gründe" der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung vorliegen, was einen besonders hohen Schweregrad der Beeinträchtigung voraussetzt (vgl. EuGH, U. v. 23.11.2010 – C-145/09 –, InfAuslR 2011, 45 - Tsakouridis -, Rn. 41), liegt demnach keine der in Art. 24 Abs. 1 QualfRL vorgesehenen Ausnahmen vor. In diesen Fällen würde daher eine auf § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützte Versagung der Aufenthaltserlaubnis mit den Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie, die bis zum 10. Oktober 2006 umzusetzen war (vgl. Art. 38 QualfRL), nicht in Einklang stehen. Die Nichtanwendung des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an anerkannte Asylberechtigte und Flüchtlinge nach § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG vermeidet einen solchen Widerspruch zur Qualifikationsrichtlinie. Das Vorliegen des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG führt dann nämlich nicht zwingend zur Versagung der Aufenthaltserlaubnis. Vielmehr entfällt der Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 Satz 2 (i.V.m. Abs. 2 Satz 2) AufenthG nur, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist. Anerkannte Asylberechtigte und Flüchtlinge genießen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 besonderen Ausweisungsschutz, sodass sie bei Vorliegen des Regelausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und nur nach Ermessen ausgewiesen werden können (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 und 5 AufenthG). Bei dieser Ermessensausübung können auch die Ausweisungsfolge des Anspruchsausschlusses nach § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und damit mittelbar die Vorgaben des Art. 24 Abs. 1 QualfRL für die Vorenthaltung eines Aufenthaltstitels berücksichtigt werden.

OVG RP, U. v. 24.03.2011 – 7 A 11435/10 –, InfAuslR 2011, 257