Gesetz:
Aufenthaltsverordnung (AufenthV)
Paragraph:
§ 39 Verlängerung eines Aufenthalts im Bundesgebiet für längerfristige Zwecke
Autor:
OK-MNet
Stand:
MNet in: OK-MNet-AufenthV (31.03.2022)

 

I. Anwendungsbereich

Nach § 39 Satz 1 Nr. 2 AufenthV kann über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern lassen, wenn er

  • vom Erfordernis des Aufenthaltstitels befreit ist und
  • die Befreiung nicht auf einen Teil des Bundesgebiets oder auf einen Aufenthalt bis zu längstens sechs Monaten

beschränkt ist.

Nach § 39 Satz 1 Nr. 2 AufenthV ist der Ausländer nicht von der Visumpflicht befreit, wenn er sich im Asylverfahren gestattet im Bundesgebiet aufhielt oder geduldet war.

OVG RP, B. v. 13.01.2021 – 7 D 11208/20 – juris, Rn. 21

Auch Positivstaater, die nach der EU-VisumVO vor der Einreise keinen Aufenthaltstitel einholen müssen, sowie Ausländer, die sich nach Art. 21 SDÜ für 90 Tage visumfrei im Bundesgebiet aufhalten dürfen, fallen nicht unter die Regelung des § 39 Satz 1 Nr. 2 AufenthV. Der Befreiungsgrund scheidet aus, weil die vorgenannten Ausländer lediglich für einen Aufenthalt von 90 Tagen und nicht - wie von der Vorschrift gefordert - zumindest für sechs Monate vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit sind.

VG Gelsenkirchen, Bv. 11.10.2011 – 16 L 742/11 – juris, Rn. 19

Ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht sui generis aus Art. 20 AEUV fällt nicht in den Anwendungsbereich des § 39 Satz 1 Nr. 2 AufenthV. Mit dem Entstehen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sui generis ist der Ausländer auf Dauer vom Erfordernis des Aufenthaltstitels befreit. Damit fehlt es gerade an einer (demnächst) endenden Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels.

OVG NRW, B. v. 08.02.2022 – 18 B 951/20 – juris, Rn. 15 f.
OVG RP, B. v. 13.01.2021 - 7 D 11208/20 - juris, Rn. 21 f.

Nummer 2 entspricht § 9 Abs. 5 Nr. 1 DVAuslG.

„Sie betrifft z.B. Personen, die zuvor als Familienangehörige eines Unionsbürgers, als Ortskräfte ausländischer Missionen oder aus anderen Gründen keines Aufenthaltstitels bedurften.“

Vgl. BR-Drs. 731/04, S. 182

 

II. Maßgeblicher Zeitpunkt

Im Anwendungsbereich der Norm sind zwei Zeitpunkte zu beachten:

  • Der Zeitpunkt der Einreise und
  • der Zeitpunkt der Beantragung des Aufenthaltstitels.

Entscheidende Voraussetzung des§ 39 Satz 1 Nr. 2 AufenthV ist, dass der Betreffende zunächst vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit ist, diese Befreiung indes (demnächst) endet und damit die Titelpflicht entsteht.

OVG NRW, B. v. 08.02.2022 – 18 B 951/20 – juris, Rn. 10

Der Antrag ist (spätestens) mit Ablauf des letzten Tages zu stellen, an dem die Befreiung noch gilt.

OVG NRW, B. v. 08.02.2022 – 18 B 951/20 – juris, Rn. 12

Im Übrigen findet § 39 Satz 1 Nr. 2 AufenthV keine Anwendung, wenn der Betroffene nicht schon im Zeitpunkt der Einreise vom Titelerfordernis befreit gewesen ist.

OVG NRW, B. v. 08.02.2022 – 18 B 951/20 – juris, Rn. 17

Dies ergibt ein Vergleich mit der Vorgängernorm des § 9 Abs. 5 Nr. 1 DVAuslG, die folgenden Wortlaut hatte:

„(5) Ein Ausländer kann die Aufenthaltsgenehmigung nach der Einreise einholen, wenn er

    1. im Zeitpunkt der Einreise vom Erfordernis der Aufenthaltsgenehmigung befreit und die Befreiung nicht auf einen Teil des Bundesgebiets oder auf einen Aufenthalt bis zu längstens sechs Monaten beschränkt war oder
    2. erlaubt eingereist ist und sich seit mehr als sechs Monaten rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.“

Diese Regelung stellte somit zum einen auf den Zeitpunkt der Einreise ab.

OVG NRW, B. v. 08.02.2022 – 18 B 951/20 – juris, Rn. 17

Im Zusammenspiel mit § 9 Abs. 6 Satz 1 DVAuslG ergibt sich jedoch zum anderen, dass auch der Zeitpunkt des Endes der Befreiung von Bedeutung war:

„(6) Die Aufenthaltsgenehmigung ist in den Fällen der Absätze 1 und 3 innerhalb von drei Monaten nach der Einreise und in den Fällen der Absätze 4 und 5 bis zum Ablauf der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts ohne Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen. Die Antragsfristen enden vorzeitig, wenn

    1. der Aufenthalt des Ausländers nach § 3 Abs. 5 des Ausländergesetzes zeitlich beschränkt wird oder
    2. der Ausländer ausgewiesen wird.“

Diese Regelung legt fest, dass die Aufenthaltsgenehmigung bis zum Ablauf der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts ohne Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen ist.

Diese Rechtslage wollte der Gesetzgeber durch den Erlass von § 39 Satz 1 Nr. 2 AufenthV nicht verändern. In der entsprechenden Gesetzesbegründung heißt es ausdrücklich:

„Nummer 2 [gemeint ist § 39 Satz 1 Nr. 2 AufenthV] entspricht § 9 Abs. 5 Nr. 1 DVAuslG.“

Vgl. BR-Drs. 731/04, S. 182

Damit dürfte es im Fall des § 39 Satz 1 Nr. 2 AufenthV (zumindest auch) auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Einreise ankommen. Dem steht die Formulierung im Präsens („befreit ist“, „beschränkt ist“) nicht zwingend entgegen, da diese eine zusätzliche Berücksichtigung eines in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkts nicht ausschließt.

OVG NRW, B. v. 08.02.2022 – 18 B 951/20 – juris, Rn. 19