Gesetz:
Aufenthaltsverordnung (AufenthV)
Paragraph:
§ 39 Verlängerung eines Aufenthalts im Bundesgebiet für längerfristige Zwecke
Autor:
OK-MNet
Stand:
MNet in: OK-MNet-AufenthV (03.04.2022)

I. Normzweck

Nach § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV kann ein Ausländer über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern lassen, wenn er

  • ein nationales Visum nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 AufenthG oder
  • eine Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 AufenthG

besitzt. Über § 4 Abs. 1 Satz 3 AufenthG findet die Regelung auch auf die Blaue Karte EU (§ 18b Abs. 2 AufenthG), die ICT-Karte (§ 19 AufenthG) und die Mobile-ICT-Karte (§ 19b AufenthG) Anwendung. Auf die Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG findet die Regelung grundsätzlich keine Anwendung. Zur Ausnahme siehe unten.

Die fehlende Erfüllung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG bei der ursprünglichen Einreise steht in den Fällen des § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV einem Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels nicht entgegen. Die Gesetzesmaterialien zu § 39 AufenthV führen hierzu aus:

„Nummer 1 legt abweichend von der bisherigen Regelung des § 9 Abs. 5 Nr. 2 DVAuslG fest, dass ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Inland beantragen kann, wenn er einen in der Vorschrift genannten Aufenthaltstitel besitzt. Darauf, ob der Ausländer ursprünglich erlaubt eingereist ist, kommt es nicht mehr an. Dies hat ins­ besondere für Ausländer Bedeutung, die einen Aufenthaltstitel zu humanitären Zwecken besitzen (z. B. Bürgerkriegsflüchtlinge). Inhaber eines nationalen Visums besitzen damit einen Aufenthaltstitel, der bereits im Ausland für einen Daueraufenthalt ausgestellt wurde; folgerichtig muss die Erteilung eines Aufenthaltstitels möglich sein. Personen, die lediglich ein Sehengen-Visum besitzen oder die für Kurzaufenthalte visumfrei sind, wie etwa Touristen, können nur im Falle eines Anspruchs den Aufenthaltstitel im Inland einholen. Dies ist in Nummer 3 geregelt. Hiervon betroffen sind etwa Touristen, die während ihres Kurzaufenthaltes heiraten und daraufhin einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis erwerben.“

BR-Drs. 731/04 S. 182

Der Zweck des Visumverfahrens als "wichtiges Steuerungsinstrument der Zuwanderung" ist, vorab – also schon vor der Einreise des Ausländers – zu klären, ob der Ausländer das Bundesgebiet betreten darf, also zu verhindern, dass ein Ausländer durch eine bereits erfolgte Einreise vollendete Tatsachen oder jedenfalls "tatsächlichen Druck" schafft. Dieser Zweck ist aber bereits erfüllt, wenn dem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist, weil dann sein Aufenthaltsrecht schon geprüft worden und nur noch über sein weiteres Verbleiben im Bundesgebiet zu befinden ist.

BayVGH, U. v. 17.08.2020 – 10 B 18.1223 – Rn. 33

 

II. Maßgeblicher Zeitpunkt

Aus § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in Verbindung mit § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV folgt, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis einen zum Zeitpunkt der Antragstellung gültigen Aufenthaltstitel voraussetzt (vgl. § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG: „zu bestimmen, dass der Aufenthaltstitel … nach der Einreise eingeholt werden kann“ und § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV: „besitzt“), wenn nicht eine Ausnahmeregelung die Antragstellung im Inland zulässt. Für letzteres ist hier nichts ersichtlich.

BayVGH, B. v. 15.09.2021 – 10 C 21.2212 –, Rn. 15

Entscheidend für die Anwendung des § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV ist insoweit der Zeitpunkt der Antragstellung.

BayVGH, U. v. 17.08.2020 – 10 B 18.1223 – Rn. 31

Insoweit kommt es – abweichend vom Regelfall bei einer Verpflichtungsklage – nicht entscheidend darauf an, dass der Ausländer (auch noch) im Zeitpunkt der behördlichen oder der gerichtlichen Entscheidung im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist. Denn § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV bedeutet im Grunde die "Klarstellung einer Selbstverständlichkeit", dass ein Ausländer vor Ablauf seiner bestehenden Aufenthaltserlaubnis deren Verlängerung und – soweit es nicht im Einzelfall ausgeschlossen ist – auch eine Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Aufenthaltszweck bei der Ausländerbehörde im Inland beantragen kann, ohne auszureisen und ein Visumverfahren durchlaufen zu müssen. Es ist, wenn nicht der Regelfall, so doch sehr häufig der Fall, dass auch bei einem rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrag die Behörde erst nach Ablauf der Geltungsdauer der vorherigen Aufenthaltserlaubnis entscheidet (was der gesetzgeberische Hintergrund für die Regelung des § 81 Abs. 4 AufenthG ist). Wenn man auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung oder gar einen noch späteren Zeitpunkt wie den der gerichtlichen Entscheidung abstellen würde, würde nachträglich aber eine Erteilung nicht mehr möglich und der Antragsteller in diesen Fällen auf das Visumverfahren zu verweisen sein. Die Fiktion der Fortgeltung nach § 81 Abs. 4 AufenthG würde hier nicht weiterhelfen, weil diese kein "Besitz" einer Aufenthaltserlaubnis ist und außerdem mit der Entscheidung der Ausländerbehörde (nicht des Gerichts) endet. Nach seiner Antragstellung hat der Ausländer keinen Einfluss mehr auf die Entscheidung der Behörde und insbesondere auf deren Zeitpunkt, so dass es vom Zufall abhängen würde, ob trotz rechtzeitiger Antragstellung doch noch ein Visumverfahren durchzuführen wäre.

BayVGH, U. v. 17.08.2020 – 10 B 18.1223 – Rn. 32

 

III. Anwendbarkeit auf Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG

§ 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV findet auch für den Fall Anwendung, dass dem Ausländer nach Rücknahme eines Asylantrages zunächst eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt wurde und dieser nunmehr die Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG begehrt.

BVerwG, U. v. 26.05.2020 – 1 C 12/19 – BVerwGE 168, 159-178, Rn. 53 f.
OVG S-A, B. v. 24.11.2020 – 2 L 104/18 – Rn. 51
BayVGH, U. v. 07.12.2021 – 10 BV 21.1821 – Rn. 31

Die fehlende Erfüllung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG bei der ursprünglichen Einreise steht in den Fällen des § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV daher einem Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels nicht entgegen (BR-Drs. 731/04 S. 182).

BayVGH, U. v. 17.08.2020 – 10 B 18.1223 – Rn. 38

Macht die Ausländerbehörde von der ihr im Zuge der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG eröffneten Möglichkeit eines Absehens von der Verweisung des Ausländers auf das Visumverfahren Gebrauch und erteilt sie diesem nicht allein eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG, sondern legalisiert sie dessen Aufenthalt, so verbleibt für eine einschränkende Anwendung des § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV mit dem Ziel, das Erfordernis der Zuzugssteuerung nicht zu entwerten, kein Raum.

BVerwG, U. v. 26.05.2020 – 1 C 12/19 – BVerwGE 168, 159-178, Rn. 55

Der Wortlaut der Norm liefert für ein solches einschränkendes Normverständnis keinen Anhaltspunkt. Danach darf der Ausländer einen Aufenthaltstitel vom Inland auch dann einholen, wenn er eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, ohne dass insoweit bestimmte Aufenthaltszwecke ausgenommen wären.

BVerwG, U. v. 26.05.2020 – 1 C 12/19 – BVerwGE 168, 159-178, Rn. 56

Für ein weites Verständnis des § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV streitet auch die Systematik der Norm. Eine Konkretisierung des zu beantragenden Aufenthaltstitels ist § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV im Gegensatz etwa zu § 39 Satz 1 Nr. 3 und 7 bis 11 AufenthV nicht zu entnehmen.

BVerwG, U. v. 26.05.2020 – 1 C 12/19 – BVerwGE 168, 159-178, Rn. 57

Sinn und Zweck des § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV stützen dieses Verständnis. Danach soll derjenige, der im Bundesgebiet bereits rechtmäßig aufhältig ist, regelmäßig nicht mehr auf ein Visumverfahren verwiesen werden. Eine abweichende Behandlung von Inhabern einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG drängt sich nicht auf, zumal diesen eine Ausreise voraussetzungsgemäß aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist.

BVerwG, U. v. 26.05.2020 – 1 C 12/19 – BVerwGE 168, 159-178, Rn. 58

Der Verordnungsbegründung sind ebenfalls Anhaltspunkte für ein einschränkendes Normverständnis nicht zu entnehmen. § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV macht das Einholen des Aufenthaltstitels vom Bundesgebiet aus allein von der "Ansässigkeit" des Ausländers im Bundesgebiet und dem Besitz eines der in der Vorschrift genannten Aufenthaltstitels abhängig. Unerheblich ist, ob der Ausländer ursprünglich erlaubt eingereist ist. Dabei standen dem Verordnungsgeber explizit Inhaber humanitärer Aufenthaltstitel vor Augen (BR-Drs. 731/04 S. 182). Dafür, dass die Norm planwidrig zu weit gefasst und damit einer teleologischen Reduktion zugänglich wäre, ist bei diesem Befund nichts ersichtlich.

BVerwG, U. v. 26.05.2020 – 1 C 12/19 – BVerwGE 168, 159-178, Rn. 59

 

IV Anwendbarkeit bei einer Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG

In Rechtsprechung und Schrifttum wird die Frage, ob auch die Fortbestehensfiktion, der bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über die Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels eine allein rechtswahrende, nicht hingegen auch rechtsbegründende Funktion zukommt, den Tatbestand des § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV ausfüllt, unterschiedlich beurteilt.

Die Fortbestehensfiktion besitzt nur eine Überbrückungsfunktion. Sie kann den Tatbestand des §§ 39 Satz 1 Nr. 1 Aufenthaltsverordnung nicht ausfüllen.

OVG S-H, B. v. 09.02.2016 - 4 MB 6/16 - Rn 13
HessVGH, B. v. 28.10.2019 – 7 B 1729/19 – Rn. 17

Ein Ausländer kann einen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis oder auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Aufenthaltszweck ohne die Durchführung eines Visumverfahrens im Bundesgebiet beantragen, wenn er zu diesem Zeitpunkt im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist; erforderlich ist dabei der tatsächliche "Besitz" einer Aufenthaltserlaubnis im Zeitpunkt der Antragstellung, die Fortgeltungsfiktion nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG genügt nicht.

BayVGH, U. v. 17.08.2020 – 10 B 18.1223 – Rn. 31

Aus § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i. V. m. § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV folgt, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis einen zum Zeitpunkt der Antragstellung gültigen Aufenthaltstitel voraussetzt (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 18.09.2020 - 10 CE 20.1914 -, juris Rn. 31), wenn nicht eine Ausnahmeregelung die Antragstellung im Inland zulässt.

VGH BW, B. v. 02.03.2021 – 11 S 120/21 – Rn. 23

Aus § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in Verbindung mit § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV folgt, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis einen zum Zeitpunkt der Antragstellung gültigen Aufenthaltstitel voraussetzt (vgl. § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG: „zu bestimmen, dass der Aufenthaltstitel … nach der Einreise eingeholt werden kann“ u. § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV: „besitzt“, vgl. BayVGH, B.v. 18.9.2020 − 10 CE 20.1914 u.a. − juris Rn. 31), wenn nicht eine Ausnahmeregelung die Antragstellung im Inland zulässt.

BayVGH, B. v. 15.09.2021 – 10 C 21.2212 – Rn. 15

Das BVerwG hat eine Ausnahme angenommen: Jedenfalls in einer Konstellation wie der vorliegenden, in der ungeachtet des Vorliegens der Erteilungsvoraussetzungen und des Fehlens von Versagungsgründen zwar nicht die Neuerteilung der beantragten, wohl aber die Verlängerung der vormaligen Aufenthaltserlaubnis durch die Ausländerbehörde zugesichert worden ist, ist der Ausländer so zu behandeln, als wäre er weiterhin im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 AufenthV im Besitz der als fortgeltend fingierten Aufenthaltserlaubnis. In einer solchen Fallgestaltung rechtfertigt es allein der Umstand, dass die Ausländerbehörde über einen fristgerecht gestellten Antrag ohne zureichenden Grund nicht entscheidet, nicht, dem Ausländer den Nichtbesitz einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV entgegenzuhalten.

BVerwG, U. v. 26.05.2020 – 1 C 12/19 – BVerwGE 168, 159-178, Rn. 62

 

V. Sonderfall: § 26 BeschV

Eine Ausnahme vom Visumserfordernis nach § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV liegt bei einer Aufnahme einer Beschäftigung auf der Grundlage des § 26 Abs. 2 Satz 2 BeschV nicht vor. Denn die hierdurch ermöglichte Fortsetzung eines bestehenden Aufenthaltes, wenn zunächst ein Aufenthaltstitel zu einem anderen Zweck erteilt worden ist und nunmehr die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu Erwerbszwecken erstrebt wird, setzt voraus, dass der Gesetzgeber einen Zweckwechsel ohne vorherige Ausreise nicht durch eine besondere Regelung ausgeschlossen hat. Ein solcher Ausschluss für den Wechsel des Aufenthaltszwecks ergibt sich hier aber gerade aus § 26 Abs. 2 Satz 2 BeschV.

HessVGH, B.v. 28.10.2019 – 7 B 1729/19 – juris Rn. 16, 18 m.w.N.;
SächsOVG, B.v. 11.10.2021 – 3 B 275/21 – juris Rn. 27

Denn diese Regelung, welche u.a. Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina durch eine Vorrangprüfung im Rahmen des Zustimmungsverfahrens der Bundesagentur für Arbeit privilegiert, setzt zwingend voraus, dass im Herkunftsstaat ein zweckentsprechendes nationales Visum beantragt wird. Die Begründung zur erstmaligen Aufnahme des § 26 Abs. 2 in die Beschäftigungsverordnung führte hierzu folgendes aus (BR-Drs. 447/15, S. 11):

„Zwingende Voraussetzung ist, dass das zweckentsprechende Visum im Herkunftsstaat des Bewerbers bei einer deutschen Auslandsvertretung beantragt wird.“

Indem die seinerzeitige Begründung von dem zweckentsprechenden Visum spricht, geht hieraus hervor, dass ein Verwaltungsverfahren, gerichtet auf einen Aufenthaltstitel nach § 19c Abs. 1 AufenthG (bzw. vormals § 18 Abs. 3 AufenthG a.F.), i.V.m. § 26 Abs. 2 BeschV, grundsätzlich aus dem Inland nicht betrieben können werden soll. Dies bestätigt auch die Ergänzung des § 26 Abs. 2 Satz 2 BeschV in der derzeit geltenden Fassung seit dem 01.01.2021, in der die „erstmalige Zustimmung“ unter den Vorbehalt der Antragstellung in einem der Westbalkanstaaten gestellt wurde. Dies folgt ohne weiteres aus der Begründung (BR-Drs. 490/20, S. 6):

„Darüber hinaus wird durch die Einfügung des Wortes „erstmalige“ klargestellt, dass der Wechsel des Arbeitgebers bei einem in Deutschland bereits bestehenden Beschäftigungsverhältnis ohne erneutes Visumverfahren bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung in einem der sechs Westbalkanstaaten zulässig ist.“

Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Antragsteller nach § 19c Abs. 1 AufenthG (vormals § 18 Abs. 2, Abs. 3 AufenthG a.F.) im Inland scheidet daher aus.

HessVGH, B. v. 28.10.2019 – 7 B 1729/19 – juris, Rn. 16, 18 m.w.N.;
SächsOVG, B. v. 11.10.2021 – 3 B 275/21 – juris, Rn. 27

Die derzeit geltende Formulierung wurde ausweislich der Verordnungsbegründung gewählt, um klarzustellen, dass bei bereits aufgrund der Westbalkanregelung im Inland aufhältigen Ausländern im Falle des Wechsels des Arbeitgebers und damit bei der Beantragung einer weiteren Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 19c Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 39 Abs. 1 AufenthG und § 26 Abs. 2 BeschV kein erneutes Visumverfahren aus dem Ausland durchgeführt werden muss.

VG Karlsruhe, U. v. 01.02.2021 – 2 K 7474/19 – juris, Rn. 80
anders noch VG Cottbus, B. v. 25.04.2019 - 3 L 700/18 - juris, Rn. 15

Nur sofern der Antragstellung die frühere Erteilung eines „zweckentsprechenden“ nationalen Visums, also zu gleichen Aufenthaltszwecken, vorausging, soll die „erneute“ Antragstellung, einschließlich Visumsverfahren, im Ausland entbehrlich sein

VG Karlsruhe, U. v. 01.02.2021 – 2 K 7474/19 – juris, Rn. 80
VG München, B. v. 04.09.2020 - M 9 S 20.3274 - juris, Rn. 22
HessVGH, B. v. 18.10.2019 - 7 B 1729/19 - jurisn Rn. 18

Aus der Gesetzesbegründung geht hervor, dass das „zweckentsprechende Visum“ im Herkunftsstaat des Bewerbers bei einer deutschen Auslandsvertretung beantragt werden muss (vgl. BR-Drs. 447/15, S. 11).

VG Würzburg, B. v. 22.12.2021 – W 7 S 21.1296 – juris, Rn. 39

Die Regelung verfolgt den Zweck, Personen ohne Aufenthaltstitel aus den Westbalkanstaaten ein formalisiertes vom Ausland zu betreibendes Verfahren zur Arbeitsmigration zu eröffnen, um sie von der Stellung von Anträgen auf Asyl- oder Flüchtlingsschutz abzuhalten. Dieser Zweck kann jedoch nur erreicht werden, wenn die Vorschrift grundsätzlich auch diejenigen Ausländer erfasst, die legal in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind und deren befristetes Aufenthaltsrecht abgelaufen ist. Denn auch in diesen Fällen soll die Regelung der Gefahr begegnen, dass der Ausländer einen Asylantrag stellt, um seinen Aufenthalt in Deutschland verlängern zu können.

VG Karlsruhe, U. v. 01.02.2021 – 2 K 7474/19 – juris, Rn. 81
VG Stuttgart, B. v. 18.04.2019 - 16 K 1382/19 - juris, Rn. 26
VG Berlin, Urt. v. 13.03.2019 - 4 K 73.18 V - juris, Rn. 27

Im Falle eines vormals Freizügigkeitsberechtigten, dessen Freizügigkeitsrecht zwischenzeitlich erloschen ist, ist die gleiche Ausgangslage gegeben wie im Falle der Einreise ohne Aufenthaltstitel. In Ermangelung eines Aufenthaltstitels wären diese Personen gleichermaßen versucht, humanitäre Gründe für ihren Aufenthalt geltend zu machen. Dieser Folge will § 26 Abs. 2 BeschV möglichst umfassend vorbeugen. Hinzu kommt der aus der Vorschrift ersichtliche Gesetzeszweck, die Prüfung durch die Bundesagentur für Arbeit grundsätzlich durchzuführen, bevor der Ausländer in das Inland eingereist ist, um die grundlegenden arbeitsmarktpolitischen Voraussetzungen zu prüfen, ohne dass von dem Aufenthalt des Ausländers in der Bundesrepublik „faktische Vorwirkungen“ ausgehen wie etwa die Aufnahme einer anderweitigen – ungeregelten – Beschäftigung.

VG Karlsruhe, U. v. 01.02.2021 – 2 K 7474/19 – juris, Rn. 81

Schließlich spricht auch die innere Normsystematik gegen eine planwidrige Lücke. Denn bei § 26 Abs. 2 BeschV handelt es sich um eine Sondervorschrift mit einer begrenzten Steuerungswirkung aufgrund strengen numerischen Kontingentierung für erstmalige Antragsteller (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 3 BeschV) auf 25.000 Personen pro Jahr. Ein Aufweichen der Anforderungen würde die Steuerungswirkung der Vorschrift weiter beeinträchtigen, weshalb die Antragstellung aus dem Inland oder Drittstaaten nach dem mutmaßlichen Willen des Verordnungsgebers allein auf die konkret benannten Fälle begrenzt sein soll.

VG Karlsruhe, U. v. 01.02.2021 – 2 K 7474/19 – juris, Rn. 82