Gesetz:
Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU)
Paragraph:
§ 7 Ausreisepflicht
Autor:
OK-MNet
Stand:
MNet in: OK-MNet-FreizügG/EU (12.08.2021)

D. Gesetzliche Aussetzung der Vollziehung

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Nach der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 4 FreizügG/EU, die auf Art. 31 Abs. 2 UnionbürgerRL beruht, darf die – an die Verlustfeststellung des Freizügigkeitsrechts anknüpfende – Abschiebung nicht erfolgen, bevor über einen nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellten Antrag entschieden wurde.

"Wird ein Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gestellt, darf die Abschiebung nicht erfolgen, bevor über den Antrag entschieden wurde."

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Die europarechtliche Verfahrensgarantie gewährleistet weder nach ihrem Wortlaut noch nach dem zugrundeliegenden Erwägungsgrund 26 UnionsbürgerRL einen Instanzenzug. Auch die Rechtsschutzgarantien nach Art. 47 GRCh und Art. 13 EMRK schreiben einen zweiten Rechtszug nicht vor; ihnen ist genügt, wenn ein Gericht über das Rechtsschutzbegehren entschieden hat.

vgl. EuGH, Urt. v. 26.09.2018 – C-180/17, juris Rn. 30 – 32
OVG Bremen, B. v. 04.08.2021 – 2 B 327/21 – Rn. 8

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Eine Auslegung dieser Regelung kann auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU zu Art. 46 Abs. 5 AsylverfahrensRL erfolgen, der folgenden Wortlaut hat:

„(5) Unbeschadet des Absatzes 6 gestatten die Mitgliedstaaten den Antragstellern den Verbleib im Hoheitsgebiet bis zum Ablauf der Frist für die Ausübung des Rechts der Antragsteller auf einen wirksamen Rechtsbehelf und, wenn ein solches Recht fristgemäß ausgeübt wurde, bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf.“

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Für Art. 46 Abs. 5 AsylverfahrensRL, der bei der Ablehnung von Anträgen auf internationalen Schutz den Verbleib des Betroffenen im Mitgliedstaat „bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf“ gewährleistet, hat der EuGH bereits entschieden, dass diese Vorschrift es nicht gebietet, nach einer negativen Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts auch noch während des zweitinstanzlichen Verfahrens von einer Aufenthaltsbeendigung abzusehen.

vgl. EuGH, Urt. v. 26.09.2018 – C-180/17, juris Rn. 44
OVG Bremen, B. v. 04.08.2021 – 2 B 327/21 – Rn. 8

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Dies gilt entsprechend für Art. 31 Abs. 2 UnionsbürgerRL, wonach die Abschiebung des Unionsbürgers nicht erfolgen darf,

„solange nicht über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz entschieden wurde“.

6

Ein Grund, den Begriff der „Entscheidung“ im Kontext von Art. 31 Abs. 2 UnionsbürgerRL anders zu verstehen als im Kontext des Art. 46 Abs. 5 AsylverfahrensRL ist nicht ersichtlich. Dass § 7 Abs. 1 Satz 4 FreizügG/EU über das unionsrechtlich Gebotene hinausgehen will, ist nicht anzunehmen. Die Systematik des deutschen Verwaltungsprozessrechts spricht dagegen. Denn auch im deutschen Recht ist es die Grundregel, dass Beschwerden keine aufschiebende Wirkung entfalten (vgl. § 149 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

OVG Bremen, B. v. 04.08.2021 – 2 B 327/21 – Rn. 8