Gesetz:
Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG)
Paragraph:
§ 12 [Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit]
Autor:
Dr. Dienelt
Stand:
Dienelt in: OK-MNet-StAG (24.06.2014)

Einbürgerung erst bei Erreichen der Volljährigkeit

Ein Ausländer kann nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2 StAG nicht verlangen, dass er vor Erreichen der Volljährigkeit unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit eingebürgert wird. Eine vom ausländischen Staat gestellte Bedingung ist im Sinne dieser Vorschrift unzumutbar, wenn sie schon abstrakt-generell betrachtet nach den Wertungen der deutschen Rechtsordnung nicht hinnehmbar ist. Nach verbreiteter Ansicht ist sie darüber hinaus unzumutbar, wenn sie sich konkret-individuell betrachtet für den Einbürgerungsbewerber in nicht hinnehmbarer Weise auswirkt.

BVerwG, U. v. 21.02.2013 – 5 C 9/12 –,BVerwGE 146, 89, Rn. 17

 Es kann nicht festgestellt werden, dass das nach ausländischem Recht bestehende Volljährigkeitserfordernis abstrakt oder konkret betrachtet unzumutbar wäre. Bei einer generalisierenden Betrachtungsweise ist zunächst festzustellen, dass verschiedene Staaten (z.B. Türkei, Slowenien und die Schweiz) Minderjährige nur gemeinsam mit ihren Eltern ausbürgern und ansonsten die Entlassung aus ihrer Staatsangehörigkeit vom Erreichen des Volljährigkeitsalters abhängig machen.

BVerwG, U. v. 21.02.2013 – 5 C 9/12 –,BVerwGE 146, 89, Rn. 18

Für eine solche Regelung können auch sachliche Gründe angeführt werden, insbesondere die mangelnde Reife Minderjähriger und die im familiären Umfeld nicht völlig abgeschlossene Loslösung von der nationalen Identität des Herkunftslandes. Auch wirkt sich das mit der Altersbeschränkung verbundene Entlassungshindernis im Regelfall nur vorübergehend und nicht dauerhaft und gravierend aus, wenn den Betroffenen nach Erreichen der Volljährigkeitsschwelle die staatsangehörigkeitsrechtliche Entscheidungsfreiheit gewährt wird. Da auch das nationale Recht die Entscheidungsfreiheit Minderjähriger und ihrer Erziehungsberechtigten bei rechtsgeschäftlichen Fragen von besonderer Tragweite z.B. nach §§ 1641 und 1643 BGB eingrenzt, kann eine solche Einschränkung nicht nach den Maßstäben des nationalen Rechts als unzumutbar angesehen werden.

BVerwG, U. v. 21.02.2013 – 5 C 9/12 –,BVerwGE 146, 89, Rn. 18

Dass ein minderjähriger Ausländer wie andere Kinder, die schon in jungen Jahren einen Antrag stellen, vergleichsweise lange auf die Einbürgerung warten muss, stellt keine atypische Belastung dar. Auch können Umstände, die rechtspolitisch eine vorzeitige Einbürgerung erwägenswert erscheinen lassen, wie z.B. die vorangegangene Einbürgerung des Vaters und der volljährigen Geschwister der Klägerin, ihr Aufwachsen in Deutschland und ihre weitgehende Integration ins deutsche Gesellschaftsleben, für die Annahme einer besonderen Belastungssituation nicht ausreichen.

BVerwG, U. v. 21.02.2013 – 5 C 9/12 –,BVerwGE 146, 89, Rn. 19

Die Versagung der Einbürgerung steht auch mit Völkerrecht im Einklang. Etwas anders folgt nicht aus Art. 7 Abs. 1 des Übereinkommens über die Rechte der Kinder (KRK) vom 20. November 1989 (BGBl 1992 II S. 99, 121). Das dort genannte Recht des Kindes, eine Staatsangehörigkeit zu erwerben, dient vorrangig dem Schutz staatenloser Kinder (vgl. BTDrucks 12/42 S. 37; Schmahl, UN-Kinderrechtskonvention, 1. Aufl. 2012, Art. 8 Rn. 21). Es gewährt daher grundsätzlich keinen Anspruch auf Entlassung aus einer bestehenden Staatsangehörigkeit oder auf den Hinzuerwerb einer zweiten Staatsangehörigkeit.

BVerwG, U. v. 21.02.2013 – 5 C 9/12 –,BVerwGE 146, 89, Rn. 22

Ein minderjähriger Ausländer vermag auch aus dem Europäischen Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit (EuStAngÜbk) vom 6. November 1997 (BGBl 2004 II S. 578) nichts zu seinen Gunsten herzuleiten. Nach dessen Artikel 1 richtet sich das Übereinkommen an die Vertragsstaaten und erzeugt deshalb grundsätzlich keine subjektiven Rechte des Einzelnen.

BVerwG, U. v. 21.02.2013 – 5 C 9/12 –,BVerwGE 146, 89, Rn. 24