VG Gießen setzt Überstellung einer afghanischen Flüchtlingsfamilie nach Griechenland aus

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Mit Beschluss vom 25. April 2008 hat das Verwaltungsgericht Gießen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verpflichtet, eine asylsuchende Familie aus Afghanistan für vorläufig sechs Monate nicht nach Griechenland zu überstellen. Sie hätten „seitens der griechischen Behörden mit der Abschiebung nach Griechenland ein menschenrechtswidriges und europäisches Recht verletzendes Verfahren fürchten müssen.“ Ein fairer und effektiver Zugang zum Asylverfahren sei in Griechenland nicht gewährleistet. Deshalb müssten die Afghanen mit irreversiblen Nachteilen von einer Inhaftierung bis zur Obdachlosigkeit rechnen. Mit dem Erlass einer einstweiligen Anordnung soll dem Bundesamt die Möglichkeit eingeräumt werden, die Erwägungen des Gerichtes zu berücksichtigen und ggf. die Bereitschaft zu erklären, das Asylverfahren in Deutschland weiterzuführen (Selbsteintritt).

Damit hat erstmalig ein deutsches Gericht die erdrückende Faktenlage zur asylrechtlichen Situation in Griechenland und den alltäglichen Menschenrechtsverletzungen zur Kenntnis genommen und angemessen bewertet. Neben Auskünften von UNHCR wurden auch der Griechenlandbericht von PRO ASYL „The truth may be bitter, but it must be told“ und die „für das Gericht glaubhaften Aufzeichnungen“ des Europareferenten von PRO ASYL herangezogen, der das Schicksal eines nach Griechenland Abgeschobenen dort vor Ort recherchiert hat.

Bislang hatten deutsche Verwaltungsgerichte in Verfahren, bei denen es um die Zulässigkeit der Verbringung von Asylsuchenden in den für sie formal zuständigen EU-Staat geht, wenig Bereitschaft erkennen lassen, sich mit der tatsächlichen Situation in Griechenland auseinanderzusetzen, sondern sich auf die Grundsatzrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur Drittstaatenregelung zurückgezogen, wonach Asylsuchende sich gegen die Zuständigkeit Griechenlands grundsätzlich nicht wenden können.

Die feststellbare Verletzung europäischen Rechts durch Griechenland, die mit Grundrechts- und Menschenrechtsverletzungen einhergehe, sei ein vom Bundesverfassungsgericht im Jahre 1996 noch nicht absehbarer und berücksichtigungsfähiger Sonderfall, so das VG. Der Zuständigkeitsregelung für Asylverfahren, die sogenannte Dublin II-Verordnung, liege die im EU-Recht verankerte Erwägung zugrunde, dass Flüchtlingen in allen EU-Mitgliedsstaaten ein gleichwertiges Asylverfahren offen stehe. Dies sei jedoch in Griechenland nicht der Fall.

PRO ASYL begrüßt, dass nach Gerichten in England, Belgien und den Niederlanden nun auch ein deutsches Gericht in dem vom Rechtshilfefonds von PRO ASYL unterstützten Fall gegen eine Überstellung nach Griechenland entschieden hat. Finnland und Norwegen, das nicht Mitgliedsstaat der EU ist, aber das Schengener Abkommen unterzeichnet hat, haben generell die Entscheidung getroffen, bis auf weiteres keine Flüchtlinge mehr nach Griechenland zurückzuschicken. PRO ASYL fordert das Bundesinnenministerium auf, die Entscheidung zum Anlass zu nehmen, Abschiebungen nach Griechenland generell auszusetzen.

Quelle Presseerklärung von ProAsyl

 http://www.proasyl.de/

Die Entscheidung steht Mitgliedern zum download zur Verfügung