Neue Studie veröffentlicht - Gravierende Mängel im deutschen Asylrecht

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Der Asylkompromiss, der 1993 nach zähem politischem Ringen verabschiedet wurde, ist in zentralen Teilen rechtlich nicht mehr haltbar. Zu diesem Ergebnis kommt ein vom Deutschen Institut für Menschenrechte veröffentlichtes Gutachten von Ruth Weinzierl. Die Studie "Der Asylkompromiss 1993 auf dem Prüfstand" zeigt unter Bezugnahme auf die Europäische Menschenrechtskonvention, die EU-Grundrechte und das Grundgesetz auf, dass die gegenwärtige Ausgestaltung der deutschen Drittstaatenregelung im Hinblick auf effektiven Rechtsschutz menschenrechtlichen und rechtstaatlichen Ansprüchen nicht gerecht wird.

Durch die 1993 verabschiedete Asylrechtsreform wurde in Deutschland die so genannte "Drittstaatenregelung" eingeführt. Asylbewerber, die über einen durch Gesetz oder Verfassung pauschal als sicher qualifizierten Staat einreisen, werden danach ohne jede weitere Prüfung in diese Staaten ab- oder zurückgeschoben. Sie haben keine Möglichkeit, vor ihrer Abschiebung bei Behörden oder Gerichten geltend zu machen, dass ihnen in diesen Staaten unmenschliche Behandlung droht oder sie dort keinen Zugang zum Asylverfahren erhalten.  

Die Entwicklungen in Griechenland, dessen Asylsystem anerkanntermaßen gravierende Defizite aufweist, wo Asylsuchende menschenunwürdigen Zuständen ausgesetzt werden, machen die Problematik des deutschen Drittstaatenkonzepts in der aktuellen Praxis deutlich. Dass menschen- und verfassungsrechtlich notwendiger Rechtsschutz von den deutschen Verwaltungsgerichten nur entgegen dem Wortlaut des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) gewährt werden kann, verstößt, so die Studie, gegen tragende menschenrechtliche und rechtsstaatliche Prinzipien und das EU-Recht.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die gegenwärtige deutsche Rechtslage der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) im Lichte der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und dem EU-Recht widerspricht. Zudem verstoße das deutsche Recht seit 2007 gegen das Deutsche Grundgesetz (GG), weil der Deutsche Bundestag seither die Bestimmung sicherer Drittstaaten auf EU-Ebene einfach hinnehmen muss. Dies wiederum sei nicht mit dem verfassungsmäßig garantierten Parlamentsvorbehalt vereinbar.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte empfiehlt den deutschen Verwaltungsgerichten, Schutz suchenden Menschen unter Berufung auf die EMRK, das EU-Recht und das GG effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Weiterhin empfiehlt das Institut den deutschen Verwaltungsgerichten, Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem AsylVfG dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) beziehungsweise dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorzulegen. Dem deutschen Gesetzgeber wird die Änderung des AsylVfG empfohlen, dem EU-Gesetzgeber eine menschenrechtsorientierte Neufassung der EU-Zuständigkeitsverordnung ("Dublin II-Verordnung").

Pressekontakt:
Bettina Hildebrand, Pressesprecherin
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Studie: Ruth Weinzierl (2009): Der Asylkompromiss 1993 auf dem Prüfstand. Gutachten zur Vereinbarkeit der deutschen Regelungen über sichere EU-Staaten und sichere Drittstaaten mit der Europäischen Menschenrechtskonvention, dem EU-Recht und dem Deutschen Grundgesetz. Studie, Deutsches Institut für Menschenrechte, 35 S. (PDF, 531 KB, nicht barrierefrei):

http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/Studie/studie_der_asylkompromiss_1993_auf__dem_pruefstand.pdf

Zusammenfassung der Studie:

http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Ergebnispapiere_Zusammenfassungen_Hintergrundpapiere/zusammenfassung_studie_der_asylkompromiss_1993_auf_dem_pruefstand.pdf