Eilantrag gegen Abschiebung nach Griechenland im Dublin II-Verfahren erfolgreich

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Die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Abschiebung eines eritreischen Staatsangehörigen nach Griechenland im Rahmen der so genannten Dublin II Verordnung mit Beschluss vom 8. Dezember 2009 (2 BvR 2780/09) vorläufig ausgesetzt.

Der Antragsteller ist eritreischer Staatsangehöriger. Anlässlich eines beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestellten Asylantrags stellte dieses fest, dass der Antragsteller zuvor in Griechenland registriert worden war. Es entschied, dass der Asylantrag unzulässig sei und ordnete die Abschiebung nach Griechenland an, das in Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003, der so genannten Dublin II Verordnung, zur Rückübernahme des Antragstellers verpflichtet sei.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf lehnte einen gegen die Abschiebung gerichteten Eilantrag ab, weil das Asylverfahrensgesetz es ausschließe, Abschiebungen in einen nach der Dublin II Verordnung für die Behandlung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat der Europäischen Union im vorläufigen Rechtsschutz auszusetzen. Mit seiner Verfassungsbeschwerde begehrt der Antragsteller die Aufhebung dieses Beschlusses.

Die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die einstweilige Anordnung erlassen und die Abschiebung des Antragstellers vorläufig ausgesetzt. Dafür war - wie in dem der einstweiligen Anordnung vom 8. September 2009 - 2 BvQ 56/09 - zugrundeliegenden Fall (Pressemitteilung Nr. 103/2009 vom 9. September 2009) - ausschlaggebend, dass möglicherweise bereits mit der Abschiebung oder in ihrer Folge eintretende Rechtsbeeinträchtigungen nicht mehr verhindert oder rückgängig gemacht werden könnten.

Die Verfassungsbeschwerde ist weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Sie gibt Anlass zur Untersuchung, ob die im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938, 2315/93 - (BVerfGE 94, 49) zu Art. 16a Abs. 2 GG entwickelten Vorgaben zu den verfassungsrechtlich gebotenen Ausnahmen vom Ausschluss des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Abschiebung von Asylantragstellern in für die Behandlung des Asylbegehrens zuständige Drittstaaten zu präzisieren sind. Darüber hinaus ist zu klären, ob Fallkonstellationen denkbar sind, in denen die Abschiebung eines Asylantragstellers in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union im vorläufigen Rechtsschutz ausgesetzt werden darf, wie dies europarechtlich nach der Dublin II Verordnung möglich ist.

Dabei könnte auch zu klären sein, ob und welche Vorgaben das Grundgesetz zur Gewährung vorläufigen Schutzes für den Zeitraum trifft, den die Organe der Europäischen Union benötigen, Erkenntnisse über für Asylsuchende bedrohliche tatsächliche oder rechtliche Defizite des Asylsystems eines Mitgliedstaats auszuwerten und erforderliche Maßnahmen durchzusetzen. Bei der Würdigung von Art. 16a Abs. 2 und Abs. 5 GG sowie Art. 19 Abs. 4 GG können in diesem Zusammenhang auch die Anforderungen des Rechts der Europäischen Union zur Erhaltung und Weiterentwicklung der Europäischen Union als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts eine Rolle spielen, da der verfassungsändernde Gesetzgeber mit der Einführung von Art. 16a GG die Grundlage für eine europäische Gesamtregelung der Schutzgewährung für Flüchtlinge mit dem Ziel einer Lastenverteilung zwischen den an einem solchen System beteiligten Staaten geschaffen hat.

Zudem kann auch die Frage erheblich werden, welche Auswirkungen der europarechtliche Grundsatz der Solidarität, der im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts auch für eine gemeinsame Asylpolitik Geltung beansprucht, bei einer erheblichen Überlastung des Asylsystems eines Mitgliedstaates auf die Rechte des einzelnen Asylantragstellers und auf die Auslegung des Grundgesetzes hat.

Das Bundesverfassungsgericht hat bisher in fünf weiteren Fällen Überstellungen von Asylantragstellern nach Griechenland einstweilen untersagt. Eine erste Entscheidung in der Hauptsache wird bis zum Sommer 2010 angestrebt.

Quelle: Presseerklärung des BVerfG