Berlin lockert die Residenzpflicht für Asylbewerber und geduldete Ausländer

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Berlin erweitert als erstes Bundesland die räumliche Beschränkungen von Aufenthaltsgestattungen zur Durchführung des Asylverfahrens nach § 56 AsylVfG sowie räumliche Beschränkungen von Duldungen nach § 61 AufenthG durch Erlass (icon Erlass zur Residenzpflicht von Asylbewerbern und geduldeten Ausländern in Berlin/Brandenburg (27.91 kB)). In NRW wird es in den nächsten Tagen ebenfalls einen Erlass geben, der einen Landtagsbeschluss vom 15.07.2010 umsetzt.

Asylbewerber und geduldete Ausländer unterliegen einer asyl- und aufenthaltsrechtlichen Pflicht, sich nur in einem bestimmten Bezirk aufzuhalten. Diese Pflicht wird häufig als „Residenzpflicht“ bezeichnet, was sprachlich ungenau ist. Denn als „Residenz“ wird nach herkömmlichem Sprachgebrauch der Wohnsitz bezeichnet. Die Residenzpflicht ist daher die durch Gesetz oder behördlichen Verwaltungsakt bestimmte Pflicht, an einem bestimmten Ort Wohnsitz zu nehmen. Die asyl- und aufenthaltsrechtliche Pflicht, an einem bestimmten Ort zu wohnen, bedeutet nicht notwendigerweise, dass es verboten ist, diesen Wohnsitz vorübergehend zu verlassen. Allerdings ist der Aufenthalt von Asylbewerbern und Geduldeten gesetzlich oder behördlich durch „räumliche Beschränkungen“ geregelt. Sie dürfen daher auch vorübergehend den ihnen zugewiesenen Bezirk ohne Erlaubnis häufig nicht verlassen und werden für Verstöße im Wiederholungsfall strafrechtlich belangt.

Der Erlass regelt, dass ab sofort räumliche Beschränkungen von Aufenthaltsgestattungen bzw. Duldungen in Berlin nach den nachfolgenden Maßgaben zu erweitern sind.

1. Räumliche Beschränkungen von Aufenthaltsgestattungen

Nach § 58 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes kann dem Asylsuchenden das vorübergehende Verlassen des Bereichs der Aufenthaltsgestattung erlaubt werden. Dieses Ermessen ist grundsätzlich zugunsten des Asylsuchenden dahingehend auszuüben, dass es ihm für die Dauer der Gültigkeit der Aufenthaltsgestattung gestattet ist, sich vorübergehend in den Bezirken der Ausländerbehörden des Landes Brandenburg aufzuhalten. Der Zweck des vorübergehenden Aufenthaltes ist nicht näher zu bestimmen. Er berechtigt nicht zur Wohnsitznahme im Land Brandenburg. Die Erlaubnis des vorübergehenden Aufenthaltes in den Bezirken der Ausländerbehörden Brandenburgs ist zu versagen, wenn die Ausländerbehörde Kenntnis von einer Verurteilung wegen einer Straftat erhalten hat. Das Gleiche gilt für Ausländer, die lediglich wegen § 29 Abs. 5 BtMG nicht verurteilt worden sind oder bei denen die Staatsanwaltschaft nach § 31a BtMG von der Verfolgung abgesehen hat. Die Versagung kommt auch bei einer durch Tatsachen begründeten konkreten – nicht nur vermuteten – Missbrauchsgefahr, insbesondere wegen des Verdachts verfassungsfeindlicher Bestrebungen, in Betracht. Vor Inkrafttreten dieser Weisung begangene Verstöße gegen die räumliche Beschränkung sollen bei Ausübung des Ermessens nicht zu Lasten des Antragstellers berücksichtigt werden. Die Anwendung dieser Regelung erfordert jeweils eine Einzelfallentscheidung. Sollte durch die befristete Dauererlaubnis die ordnungsgemäße Durchführung des Asylverfahrens nicht mehr gewährleistet sein, beispielsweise weil Termine beim BAMF nicht wahrgenommen werden, soll die Erlaubnis mit Wirkung für die Zukunft widerrufen bzw. deren Verlängerung abgelehnt werden. Dasselbe gilt bei nachträglichem Bekanntwerden von Verurteilungen wegen Straftaten bzw. Entscheidungen nach § 29 Abs. 5 BtMG oder § 31 a BtMG.

2. Räumliche Beschränkungen von Duldungen

Ausreisepflichtigen Ausländern, deren Aufenthalt nach § 60 a Abs. 2 S. 1 AufenthG geduldet wird, weil ein rechtliches oder tatsächliches Abschiebungshindernis vorliegt, das sie nicht selbst zu vertreten haben oder deren Aufenthalt nach § 60 a Abs. 2 S. 2 oder 3 AufenthG für die Zwecke eines Strafverfahrens bzw. aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen oder weil aus erheblichem öffentlichen Interesse die vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet erforderlich ist, geduldet wird, ist generell gem. § 12 Abs. 5 AufenthG das Verlassen Berlins in das angrenzende Bundesland Brandenburg zu erlauben. Die räumliche Erweiterung umfasst somit auch die nach § 61 Abs. 1 S. 3 AufenthG vorgesehene Erweiterung, wenn der Ausländer zur Ausübung einer Beschäftigung ohne Prüfung nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG in Brandenburg berechtigt ist. Die räumliche Erweiterung der Duldung berechtigt nicht zur Wohnsitznahme im Land Brandenburg. Sie gilt ausdrücklich nicht für Ausländer, bei denen aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen nicht vollzogen werden können und die deshalb geduldet werden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Betroffene über ihre Identität getäuscht haben oder bei der Passbeschaffung nicht mitwirken. Sie gilt ferner nicht für solche ausreisepflichtigen Ausländer, bei denen die Ausländerbehörde Kenntnis von einer Verurteilung wegen einer Straftat erhalten hat. Sie gilt ferner nicht für Ausländer, die lediglich wegen § 29 Abs. 5 BtMG nicht verurteilt worden sind oder bei denen die Staatsanwaltschaft nach § 31a BtMG von der Verfolgung abgesehen hat. Bei entsprechenden nachträglichen Erkenntnissen der Ausländerbehörde gelten die obigen Ausführungen zu Ziffer 1 entsprechend. Die Versagung kommt auch bei einer durch Tatsachen begründeten konkreten – nicht nur vermuteten – Missbrauchsgefahr, insbesondere wegen des Verdachts verfassungsfeindlicher Bestrebungen, in Betracht. Vor Inkrafttreten dieser Weisung begangene Verstöße gegen die räumliche Beschränkung sollen bei Ausübung des Ermessens nicht zu Lasten des Antragstellers berücksichtigt werden. Die Anwendung dieser Regelung erfordert jeweils eine Einzelfallentscheidung. Von der Erhebung einer Gebühr ist gem. § 53 Abs. 2 AufenthV generell abzusehen.

Link zum Erlass

icon Erlass zur Residenzpflicht von Asylbewerbern und geduldeten Ausländern in Berlin/Brandenburg (27.91 kB)