Irak: britisches Rückkehrprogramm, Hughes, Widerruf der Flüchtlingseigenschaft

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Wie sicher ist der Irak? ? britisches Rückkehrprogramm für Freiwillige und Widerruf der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland
LONDON/BERLIN ? Am letzten Wochenende erklärte das britische Innenministerium, wegen des grundlegenden Wandels der Situation im Irak werde nunmehr wieder über Asylanträge von Irakischen Flüchtlingen entschieden. Mit dem Beginn der Militäraktionen gegen das Regime von Saddam Hussein im März 2003 war deren Bearbeitung ausgesetzt worden. Im Klartext heißt dies, dass Asylanträge von Irakern im Vereinigten Königreich nunmehr abgelehnt werden und die Flüchtlinge in den Irak zurückgeschickt werden können. In Deutschland sind über 7.000 Verfahren zum Widerruf der Flüchtlingseigenschaft von Irakischen Schutzsuchenden anhängig.
Das britische Innenministerium kündigte zudem Irakern Unterstützung an, die freiwillig in ihr Land zurückkehren und an dessen Aufbau mithelfen wollten. Zu diesem Zwecke werde mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) ein spezielles Rückkehrprogramm eingerichtet, das schon Ende Juli 2005 seine Arbeit aufnehmen solle. Das Ministerium wies zugleich darauf hin, dass das freiwillige, begleitete Rückkehrprogramm den Weg für Zwangsrückführungsmaßnahmen noch in diesem Jahr ebenen solle. Der britische Innenminister Beverley Hughes sagte ?Wir glauben, dass es eine echte und stabile Verbesserung der Situation im Irak gibt.? ?Das Land ist nun sicher für viele Iraker, um dorthin zurück zu kehren?, konstatierte er. Nach seiner Ansicht sei es nunmehr Zeit für die vielen Irakischen Flüchtlinge nach Hause zurückzukehren und beim Wiederaufbau ihres Landes mitzuhelfen.
Seit Anfang diesen Jahres sind auch in Deutschland vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 18.000 Verfahren eingeleitet worden, um die Flüchtlingseigenschaft von Irakern, Afghanen und anderen Schutzsuchenden zu widerrufen. Dabei sind allein 7.000 -9.000 Flüchtlinge aus dem Irak betroffen.
Professor Jochen A. Frowein vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg hatte schon am Weltflüchtlingstag darauf hingewiesen, dass § 73 AsylVfG, der den Widerruf unter bestimmten Voraussetzungen zulässt, völkerrechtskonform dahingehend zu interpretieren sei, dass die Genfer Flüchtlingskonvention gewahrt bleibt. Der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft setze danach voraus, dass der Staat effektiv Schutz ausüben kann. Dies sei im Falle des Iraks definitiv nicht der Fall, erklärte Frowein, weshalb ein Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter für diese Gruppen nicht erfolgen dürfe.
Diese Ansicht teilt auch der Repräsentant der UN-Flüchtlingsbehörde UNHCR in Deutschland, Stefan Berglund, der auf die hohen Risiken und die geringen Menschen- und sozialen Rechte im Irak hinwies. Für die angekündigten Rückkehrmaßnahmen der britischen Regierung gilt nichts anderes.
Dabei ist es durchaus zutreffend, dass die Rückkehr von Exil-Irakern für das Land wichtig ist. Nach Angaben von UNHCR gab es Ende 2002 über 400.000 Irakische Flüchtlinge außerhalb des Iraks, wobei sich über ein Drittel davon in westlichen, demokratischen Staaten, v.a. in Deutschland, den Niederlande, Schweden und den USA, aufhielt. Diese Menschen haben Erfahrungen mit stabilen demokratischen Strukturen gemacht; sie haben die Geltung von Grund- und Menschenrechten, von Presse- und Meinungsfreiheit erlebt. Sie haben Geschäftsideen gesehen, berufliche Erfahrungen gemacht und Ersparnisse gesammelt. Diese Menschen können mit ihrem Zahlungs- und Humankapital sowie mit ihren Gesellschaftserfahrungen ganz erheblich zu einer politischen Stabilisierung und wirtschaftlichen Entwicklung des Iraks beitragen. Vor diesem Hintergrund sind Rückkehrprogramme als positiv zu bewerten. Allerdings ist auch zu bedenken, dass diese Menschen ihr Potential nicht verwirklichen können, solange die Lage im Land instabil und unsicher ist. Viele Geschäftsideen mögen jetzt nicht verwirklichbar und Investitionen zu riskant sein.
Insbesondere darf aber die mögliche positive Auswirkung auf die Entwicklung des Iraks nicht davon ablenken, dass Menschen, die als Flüchtlinge in Deutschland und Europa Schutz und Zuflucht gefunden haben, nur zurück geschickt werden können, wenn ihr Heimatstaat ihre Sicherheit gewährleisten kann. Es geht um individuelle Entscheidungen von großer persönlicher Tragweite, die nicht mit Allgemeinerwägungen im Hinblick auf den Wiederaufbau des Landes getroffen werden können. Es ist schwer zu verstehen, was es bedeutet, wenn Menschen vor Krieg, Gewalt und Not geflohen sind. In jedem Fall muss die persönliche Sicherheit von Schutzsuchenden die erste Maxime staatlichen Handelns sein. Rückkehrmaßnahmen in den Irak sind deshalb derzeit indiskutabel. Beinahe jeden Tag untermauern Entführungen, Schussgefechte und Selbstmordanschläge, die erst am vergangenen Wochenende wieder neunundneunzig Menschenleben und einhundertachtzig verwundete Personen gekostet hatten, dass der Irakische Staat nicht in der Lage ist, Schutz für heimkehrende Flüchtlinge zu gewährleisten.
Auch die Innenministerkonferenz hatte im Juni diesen Jahres beschlossen, dass Irakische Staatsangehörige vorerst nicht abgeschoben werden, weil die Sicherheitslage im Irak noch keine Rückkehr zulasse. Es ist jedoch unter diesen Umständen nicht vertretbar, den Betroffenen ihre Flüchtlingseigenschaft abzuerkennen. Diese gewährt ihnen einen Rechtsstatus und das Maß an Planungs- und Rechtssicherheit, das für ein normales Leben notwendig ist. Andernfalls wären sie 'Geduldete' mit erschwertem Zugang zum Arbeitsmarkt, eingeschränkten sozialen Rechten und dem Damoklesschwert der jederzeitigen Abschiebung. Dies kann weder für diese Menschen, noch für unsere Gesellschaft vorteilhaft sein.

von Daniel Naujoks

 

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