Chrobog Entführung, Chrobog-Erlass, Visa-Affäre, Jürgen Chrobog, Ausländerrecht

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Die Regierungen in Deutschland und im Jemen bemühen sich beharrlich um eine Freilassung des entführten ehemaligen Außenstaatssekretärs Jürgen Chrobog und seiner Familie. Der Chrobog-Erlass erleichterte vielen Zuwanderern einst die Einreise nach Deutschland.

Der Chrobog-Erlass stand als einer der "Grundsatzerlasse", am Beginn der Visa Affäre. Der Erlass vom 26. Oktober 2004 löste den Volmer-Erlass 3. März 2000 ab und schuf erleichterte Einreisebedingungen.

Laut ARD könnten Chrobog, seine Frau und die drei Söhne noch im Laufe des Tages von ihren Entführern im Jemen freigelassen werden. Die Zeitung «Yemen Observer» berichtete allerdings, eine erste Verhandlungsrunde zwischen Vertretern des Innenministeriums und den Geiselnehmern sei zuvor gescheitert. Einer der Kidnapper, der sich Abu Bakr Abu Al-Chair nannte, habe erklärt, das Ministerium habe keine ausreichenden Garantien gegeben, dass die Forderung nach Freilassung von inhaftierten Stammesangehörigen erfüllt würden.

Der Gouverneur der Provinz Schabwa, Abdallah al-Kadi, zeigte sich dennoch optimistisch, dass die Entführten noch im Laufe des Tages freikommen. Die Verhandlungen bewegten sich «in eine positive Richtung», sagte er der dpa. Die Geiseln würden wie «Gäste» behandelt. Sie würden allerdings als Druckmittel gegen die Regierung in Sanaa benutzt. Die Entführer wollen nach jemenitischen Angaben fünf Angehörige ihres Stammes freipressen, die wegen einer Fehde mit einer anderen Gruppierung in Haft sitzen.

Auch der Krisenstab des Auswärtigen Amtes (AA) in Berlin setzte auf eine schnelle und glimpfliche Lösung der Geiselnahme. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) stehe in direktem Kontakt mit seinem jemenitischen Amtskollegen, teilte ein AA-Sprecher mit. Steinmeier habe am Morgen mit Sanaa telefoniert. Das Ministerium stehe mit allen relevanten Stellen in Verbindung. «Die Mitarbeiter setzen ihre Bemühungen mit großer Intensität fort», sagte der Sprecher. Details wurden «im Interesse der Vermissten» nicht genannt.

Der im Juli pensionierte Chrobog und seine Familie sind seit Weihnachten im Jemen. Am Mittwochmittag wurde ihre Entführung bekannt. Sie waren mit einer Reisegruppe unterwegs und wurden nach Medienberichten auch von Sicherheitskräften begleitet. Bei der Tour waren die Mitglieder der Gruppe jedoch auf verschiedene Fahrzeuge verteilt. Bei einem Mittagessen seien die Chrobogs dann von den Sicherheitskräften getrennt worden, was die Entführer für den Überfall genutzt hätten.

Bei den Geiselnehmern handele es sich um Mitglieder des Stammes Al-Abdallah aus der Provinz Schabwa. Es ist der vierte Fall in diesem Jahr, bei dem Stammesangehörige in dem armen Land Touristen entführen, um von der jemenitischen Regierung Gegenleistungen zu erpressen.

Auch der Direktor des jemenitischen Reiseveranstalters, Mohammed Abu Taleb, zeigte sich «sehr optimistisch», dass Chrobog und seine Familie schnell freikommen. Die Verhandlungen zwischen Vertretern des jemenitischen Innenministeriums und den Entführern hätten am Morgen begonnen, sagte er der dpa. Das Innenministerium habe ihm versichert, dass die Familie bei guter Gesundheit sei und von den Entführern gut behandelt werde.

Als Staatssekretär im AA hatte Chrobog in den vergangenen Jahren selbst mehrmals bei Entführungen deutscher Staatsbürger vermittelt, vor allem 2003 im Fall der Sahara-Geiseln.Sechs Monate lang verhandelte Jürgen Chrobog vor zweieinhalb Jahren um 14 verschleppte Sahara-Touristen. Seine beharrlichen Bemühungen führten schließlich zur Freilassung der Geiseln, darunter neun Deutsche. Nun wurde Chrobog selbst Entführungsopfer.

Im Jemen wurde der 65 Jahre alte Ex-Staatssekretär des Auswärtigen Amtes in Berlin zusammen mit seiner Frau Magda, einer Tochter des ägyptischen Schriftstellers Youssef Gohar, und ihren drei Söhnen verschleppt.

Uneitel, stets diskret und immer sehr genau - ein Diplomat vom Scheitel bis zur Sohle - so ist Chrobog über Jahrzehnte bekannt. Er galt als Mann des AA für stille Missionen und «schwere Fälle». Nach den Terroranschlägen vom 11. September reiste er beispielsweise nach Pakistan, um sich von dort aus für die Befreiung der Shelter-now- Entwicklungshelfer aus der Haft in den Taliban-Gefängnissen in Afghanistan einzusetzen. Er führte auch in Rom Gespräche mit dem afghanischen Exil-König Sahir Schah über Afghanistan nach dem Sturz der Taliban. Als Botschafter in den USA fuhr Chrobog 1999 nach Arizona, um sich - wenn auch vergeblich - für die zum Tode verurteilten deutsch-stämmigen LaGrand-Brüder einzusetzen.

Der am 28. Februar 1940 in Berlin geborene Chrobog begann seine Diplomaten-Karriere im Jahr 1972. Die deutsche UN-Vertretung in New York, die EU in Brüssel und Singapur gehörten unter anderem zu seinen Auslandsstationen. In Bonner Regierungszeiten war der Jurist, der zunächst als Rechtsanwalt gearbeitet hatte, von 1984 bis 1991 Leiter der Presseabteilung und Sprecher des Auswärtigen Amts. Als Politischer Direktor war er einer der engsten Berater von Außenminister Hans-Dietrich Genscher und auch dessen Nachfolger Klaus Kinkel (beide FDP).

1995 wurde Chrobog Botschafter in Washington. Sechs Jahre agierte der schmale Mann mit den grauen Haaren auf dem wohl wichtigsten deutschen Botschafterposten, bevor er Anfang Juli 2001 Staatssekretär unter Außenminister Joschka Fischer (Grüne) in Berlin wurde. Nach seiner Pensionierung übernahm er den Vorstandsvorsitz der BMW- Stiftung Herbert Quandt.