UNHCR: Vertreibung im neuen Jahrtausend, Bericht zur Lage der Flüchtlinge in der Welt 2006, Asyl

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LONDON - Der Bericht am 19. April 2006 vom UN-Flüchtlingskommissar António Guterres veröffentlichte Bericht analysiert die Dynamik von Flucht und Vertreibung seit der Jahrtausendwende. Mit 9,2 Millionen Flüchtlingen weltweit wird die niedrigste Zahl seit 25 Jahren registriert. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das internationale System zur Bewältigung von Flucht und Vertreibung an einem kritischen Punkt angelangt ist. Es stellen sich neue Herausforderungen in einer zunehmend globalisierten Welt.

Hierzu gehört das Schicksal von Millionen von Menschen, die innerhalb der Grenzen ihres Heimatlandes geflohen oder vertrieben worden sind, aber auch die Widersprüche in der öffentlichen Debatte über Migranten und Flüchtlinge sowie eine restriktive Asylpolitik, verbunden mit wachsender Intoleranz.

Rückkehr nach Afghanistan, Angola und Sierra Leone ? weniger internationale Konflikte

Millionen von Menschen sind in ehemalige Bürgerkriegsstaaten wie Afghanistan, Angola und Sierra Leone zurückgekehrt. Dies hat dazu beigetragen, dass innerhalb der letzten fünf Jahre die Zahl der Flüchtlinge und Asylsuchenden erheblich gesunken ist. Allerdings sei die Dauerhaftigkeit der Rückkehr fraglich.
UN-Flüchtlingskommissar António Guterres betont in dem Bericht, dass zwischenstaatliche Konflikte heute weniger weit verbreitet seien als innerstaatliche Konflikte und Bürgerkriege. Deshalb gebe es weniger Flüchtlinge, die internationale Grenzen überquerten, aber mehr Vertriebene innerhalb ihrer Heimatländer. Zwar würden die geschätzten 25 Millionen Binnenvertriebenen nicht unter die Genfer Flüchtlingskonvention fallen. Gleichwohl würden sie dringend Unterstützung benötigen.
"Menschen, die eigentlich Sicherheit in Nachbarländern suchen müssten, sind immer häufiger gezwungen, innerhalb ihres Heimatlandes zu bleiben. Zumeist müssen sie dort wie Flüchtlinge leben", so Guterres. Nach seinen Worten stellt das ungelöste Problem der Binnenvertriebenen das größte Versagen im Bereich der humanitären Arbeit dar. "Allein zwei langjährige Konflikte in Afrika - in der Demokratischen Republik Kongo und im Sudan - sind verantwortlich für 7,5 Millionen Binnenvertriebene."

UN konzentrieren sich zunehmend auf Binnenvertriebene

In dem Bericht wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Vereinten Nationen nun begonnen haben, ihre Hilfsmaßnahmen für Binnenvertriebene zu intensivieren. Dazu gehört auch eine neue Aufteilung der Aufgabengebiete durch die UN-Organisationen.
"Die neue Rolle von UNHCR ist entscheidend, denn sie betrifft den Schutz der Betroffenen, bislang die größte Lücke im System", heißt es im Bericht. "UNHCR ist in seiner 55-jährigen Geschichte an einem kritischen Punkt angelangt, weil nun seine Arbeit substanziell auf die Binnenvertriebenen ausgeweitet werden soll. Zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkrieges ist nun eine umfassende Ordnung hergestellt worden, um den Opfern von Flucht und Vertreibung beiderseits der Grenze beistehen zu können."
Millionen von Flüchtlingen und Asylsuchenden haben in den vergangenen fünf Jahren internationalen Schutz erhalten oder wurden bei der Rückkehr, Integration und Neuansiedlung in einem Drittland unterstützt. Über vier Millionen Flüchtlinge kehrten nach Afghanistan zurück. Hunderttausende machten sich auf den Weg nach Angola, Sierra Leone, Burundi und Liberia. Im Südsudan, der von einem zwei Jahrzehnte dauernden Bürgerkrieg verwüstet wurde, besteht Hoffnung auf die Heimkehr von vier Millionen Binnenvertriebenen und Flüchtlingen.
Allerdings: Damit Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren und dort bleiben können, ist anhaltende internationale Unterstützung notwendig, die von der Rückkehrphase über den Wiederaufbau bis zur langfristigen Entwicklung reicht. Die Lücken in diesem Prozess müssen unbedingt geschlossen werden, damit die betroffenen Staaten nicht von einer neuen Welle von Gewalt und Vertreibung erfasst werden.

Dauernder Unsicherheit für Flüchtlinge im Asylland

Der Bericht geht auch auf das Schicksal der Opfer von Langzeitkrisen ein, die jahrelang ohne Aussicht auf eine dauerhafte Lösung im Asylland leben. Mindestens 33 große Flüchtlingsgruppen weltweit mit jeweils über 25.000 Menschen befinden sich seit mehr als fünf Jahren im Asylland. Insgesamt sind 5,7 Millionen der 9,2 Millionen Flüchtlinge auf der Welt betroffen. "Die Mehrheit der Flüchtlinge lebt heute bereits sehr lange im Exil. Ihr Aufenthalt ist häufig auf Flüchtlingslager beschränkt oder sie müssen sich in den Städten von Entwicklungsländern durchschlagen", heißt es in dem Bericht. "Die meisten müssen in einem Zustand der dauernden Unsicherheit überleben."
Guterres nannte die Verbindung zwischen Migration und Asyl als die derzeit größte Herausforderung für UNHCR: "In den letzten Jahren waren Fragen des Asyls und des Flüchtlingsschutzes eng mit dem Themenbereich der internationalen Migration verbunden - insbesondere mit der irregulären Migration."
"Um die beiden Bereiche zu trennen, bedarf es frühzeitiger Maßnahmen, damit festgestellt wird, wer tatsächlich internationalen Schutz braucht", betonte er. "UNHCR will nicht für Migration zuständig sein. Trotzdem müssen wir uns mit Migration beschäftigen, um ihre Auswirkungen auf das Asylrecht im Blick zu haben. UNHCR erkennt das Recht von Staaten an, ihre Grenzen zu kontrollieren und Migration zu regeln. Solche Maßnahmen dürfen aber nicht dazu führen, dass schutzbedürftigen Menschen der angemessene Zugang zu einem Verfahren im Einklang mit internationalem Recht versperrt wird."

Öffentliche Meinung hat vielmals negative Einstellung gegenüber jeder Form der Migration

Nach Schätzungen gibt es weltweit 175 Millionen Migranten, von denen Asylsuchende und Flüchtlinge nur einen kleinen Teil ausmachen. Dem UNHCR-Bericht zufolge wird die Unterscheidung zwischen Flüchtlingen, Asylsuchenden und anderen Einwanderern zunehmend aufgeweicht und alle Gruppen von einigen Medienvertretern und Politikern in einem negativen Licht dargestellt.
"In der öffentlichen Meinung zeichnet sich eine Vermischung von illegaler Einwanderung und Sicherheitsfragen mit der Flüchtlingsthematik ab", so Guterres. "Das zeigt, wie wichtig der Kampf gegen Intoleranz ist. Die Vorurteile müssen entkräftet werden, nach denen Flüchtlinge und Asylsuchende Unsicherheit verursachen, denn tatsächlich sind sie selbst die Opfer von Unsicherheit."
UNHCR ist zweimal mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden und schützt und unterstützt 19 Millionen Flüchtlinge und Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen, darunter 5,5 Millionen Binnenvertriebene. Die Organisation ist in 116 Ländern tätig.
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Quelle: UNHCR