Qualifikationsrichtlinie: Mitgliedstaaten versäumen fristgerechte Umsetzung von Kernvorschriften

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Am 10. Oktober 2006 endete die Frist zur Umsetzung einer Richtlinie, in der die Kriterien für die Anerkennung der Personen, die internationalen Schutz brauchen, und den Inhalt des Schutzstatus, den die Mitgliedstaaten gewähren, festgelegt werden. Bis zum 9. Oktober hatten erst sechs Mitgliedstaaten der Kommission die zur Umsetzung erforderlichen Vorschriften mitgeteilt.

Wesentliche Regelungen der Qualifikationsrichtlinie

Die Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes ("Anerkennungsrichtlinie") zählt zu den wesentlichen Bestandteilen der ersten Phase des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems.  Danach sollen EU-weit dieselben Kriterien für die Anerkennung von Personen, die wirklich internationalen Schutz benötigen, angewandt werden und diese Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestmaß an Rechten und Vergünstigungen erhalten.

Die Richtlinie sieht ein einheitliches System für den Schutz derjenigen vor, die nicht in den Geltungsbereich der Flüchtlingskonvention fallen, aber – wie beispielsweise Opfer von Bürgerkriegen – dennoch internationalen Schutz benötigen. Außerdem wird darin der Begriff des Verfolgers breit und fortschrittlich ausgelegt. Nunmehr schließt er auch nichtstaatliche Kräfte wie Milizen ein. In der Richtlinie wird die Flüchtlingskonvention mit einem besonderen Blick auf geschlechterspezifische Aspekte ausgelegt. So können Personen, die eine begründete Furcht vor Verfolgung aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung oder ihres Geschlechts haben, als Flüchtlinge anerkannt werden. Somit sind Asylanträge von Frauen zugelassen, die z. B. mit Akten sexueller Gewalt, häuslicher Gewalt und Genitalverstümmelung begründet werden; Homosexualität kann ebenfalls als Verfolgungsgrund gelten.

Schließlich sind auch die Rechte und Vergünstigungen für die Personen genannt, denen die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt wird, u. a. Aufenthaltsberechtigung, Zugang zu Bildung und Beschäftigung, medizinische Versorgung und Sozialhilfe, Wahrung des Familienverbands und Integration. Gleichzeitig ist die Richtlinie unmissverständlich: die EU wird Asyl suchenden Terroristen keinen Unterschlupf bieten. Strenge Klauseln für den Ausschluss sowohl vom Flüchtlings- als auch vom subsidiären Schutzstatus sollen verhindern, dass das Asylsystem von Personen missbraucht wird, die eine Gefahr für die EU sein könnten oder die schwere Verbrechen begangen haben.

Reaktion der EU auf Ablauf der Umsetzungsfrist

Vizepräsident Frattini, das für das Ressort „Justiz, Freiheit und Sicherheit“ zuständige Kommissionsmitglied, bezeichnete die Nichteinhaltung der Frist durch die Mehrzahl der Mitgliedstaaten als "äußerst bedauerlich, weil diese Richtlinie ein Eckstein der ersten Phase des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist”. Er erklärte dazu Folgendes: "Die Bedeutung dieser Richtlinie ist nicht zu unterschätzen; sie gewährleistet, dass der Schutzbedarf von Asylsuchenden überall in Europa nach denselben Kriterien bewertet wird, und dass ihnen gemäß ihrem Schutzbedarf bestimmte Rechte und Vergünstigungen in allen Mitgliedstaaten zuerkannt werden. Die Richtlinie wird zur Angleichung der derzeit sehr unterschiedlichen Anerkennungsraten und somit zur Verringerung des so genannten Asylshopping beitragen."