{mosgoogle}Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute in mehreren Verfahren über die in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte umstrittene Frage entschieden, ob die durch das Zuwanderungsgesetz eingeführte Neuregelung, nach der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) für unter 16 Jahre alte Kinder von abgelehnten Asylbewerbern gegen den Willen ihrer Eltern Asylverfahren eröffnen und durchführen kann, auch für vor dem 1. Januar 2005 (Tag des Inkrafttretens der Neuregelung im Zuwanderungsgesetz) in Deutschland geborene oder nach Deutschland eingereiste Kinder gilt. Das Bundesamt hat inzwischen mehrere tausend derartige Asylverfahren eingeleitet und entschieden. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Praxis des Bundesamts nun als rechtmäßig bestätigt und die maßgebliche Vorschrift (§ 14 a Abs. 2 Asylverfahrensgesetz1) auch in diesen sog. Altfällen für anwendbar erklärt.
Kläger der Ausgangsverfahren sind zwischen 1993 und 2004 in Deutschland geborene Kinder abgelehnter Asylbewerber. In allen Fällen hatte die Ausländerbehörde nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 14 a Abs. 2 AsylVfG die zurückliegenden Geburten dem Bundesamt mitgeteilt. Den damit nach der neuen gesetzlichen Vorschrift als gestellt geltenden Asylantrag hat das Bundesamt jeweils abgelehnt und festgestellt, dass Abschiebungsverbote (nach § 60 AufenthG) nicht vorliegen; den Kindern wurde die Abschiebung mit ihren Eltern in den Heimatstaat angedroht. Während das Oberverwaltungsgericht Berlin die Ablehnungsbescheide aufgehoben hat, weil die Neuregelung nicht für Altfälle gelte, haben die Oberverwaltungsgerichte Lüneburg und Koblenz sowie der Verwaltungsgerichtshof Mannheim die Bescheide als rechtmäßig bestätigt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin aufgehoben und in den übrigen Verfahren die Revisionen der Kläger zurückgewiesen. Nur soweit das Bundesamt die Asylanträge in zwei Fällen nicht nur als schlicht unbegründet, sondern als "offensichtlich" unbegründet abgelehnt hat, hat das Bundesverwaltungsgericht die Bescheide aufgehoben. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts erfasst die neue Verfahrensvorschrift des § 14a Abs. 2 AsylVfG nach allgemeinen Auslegungskriterien und mangels einer entgegenstehenden Übergangsregelung seit 1. Januar 2005 auch Altfälle, d.h. auch Kinder abgelehnter Asylbewerber ohne Aufenthaltsgenehmigung, die vor dem Inkrafttreten der neuen Bestimmung zu ihren Eltern nachgereist oder in Deutschland geboren sind. Hierfür spricht insbesondere der Sinn und Zweck der Vorschrift, einer Verzögerung der Ausreise oder Abschiebung von Familien ohne Bleiberecht durch sukzessive Asylantragstellung für Kinder möglichst umfassend entgegenzuwirken.
BVerwG 1 C 5.06, 8.06, 10.06 und 20.06 – Urteile vom 21. November 2006
Hinweis: § 14a Abs. 2 AsylVfG trifft sinngemäß folgende Regelung: Reist ein unter 16 Jahre altes Kind eines Ausländers nach dessen Asylantragstellung nach Deutschland ein oder wird es hier geboren, so ist dies dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge u.a. dann unverzüglich anzuzeigen, wenn sich ein Elternteil nach Abschluss seines Asylverfahrens ohne Aufenthaltstitel in Deutschland aufhält. Die Anzeigepflicht obliegt neben den Eltern auch der Ausländerbehörde.
Quelle: Presseerklärung des Bundesverwaltungsgerichts