Hamburg und Hessen schieben Frauen und alte Menschen nach Afghanistan ab
HAMBURG/ FRANKFURT AM MAIN - Hamburg hatte schon im Mai 2005 begonnen, Menschen nach Afghanistan abzuschieben. Auch Hessen hat Abschiebungen unter anderem von alleinstehenden Frauen und älteren Menschen bis 71 Jahren nach Afghanistan vorgesehen. Angesichts der Menschenrechts- und Sicherheitslage in Afghanistan halten Nichtregierungsorganisationen wie Pro Asyl diese Abschiebungen für unvertretbar.
Das Hessische Ministerium des Innern und für Sport sieht nach einem Erlass vom 17. Mai 2005 die Abschiebung großer Personenkreise nach Afghanistan vor. Auch alleinstehende Frauen und Menschen bis 71 Jahre sollen nach diesen Plänen zwangsweise rückgeführt werden. Nur wer am 19. November 1998 bereits das 65. Lebensjahr vollendet hatte ? also heute zumindest 71 Jahre alt ist, soll von einer Abschiebung verschont bleiben.
Nach Ansicht der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kann die Abschiebung alter Menschen, die keine Familie in Afghanistan haben, in ein Land, in dem nicht einmal rudimentäre Strukturen der Existenzsicherung vorhanden sind, im Ernstfall eine Art Todesurteil darstellen. Entsprechende Planungen stehen in eklatantem Widerspruch zu Berichten von Menschenrechtsorganisationen.
Der bei Migrationsrecht.Net beratende Frankfurter Rechtsanwalt Victor Pfaff, der sich vor einigen Wochen in Afghanistan auch über die Lage der Frauen informiert hat, sagte bezüglich der Abschiebung von alleinstehenden Frauen: ?Hat eine Frau keinen familiären Rückhalt oder ist sie von ihrer Familie fallen gelassen worden, dann ist sie Freiwild ? trotz ihrer formalen Gleichstellung durch die Verfassung. Es ist undenkbar, dass sich eine alleinstehende Frau ? mit oder ohne Kinder ? Wohnraum mietet, auch wenn sie Geld hätte.?
Wer sich nicht in die patriarchalische Gesellschaft Afghanistans einordnen wolle oder könne, laufe Gefahr, Gewalttätigkeit und Willkür ausgesetzt zu sein ? nicht nur von einzelnen Fanatikern, sondern auch von Seiten des Staates. Pro Asyl berichtet, von sechzehn Frauen, die sich im April in der Kabuler Übergangshaftanstalt befunden haben, seien vierzehn der Unzucht beschuldigt. Dabei kann der Tatbestand der Unzucht in Afghanistan bereits erfüllt sein, wenn eine Frau mit einem fremden Mann in der Öffentlichkeit spricht.
Im Februar diesen Jahres hatte es erst Konsultationen des Bundesinnenministerium mit einer afghanischen Regierungsdelegation gegeben, in deren Verlauf sich Afghanistan bereit erklärt hatte, einseitig von Deutschland vorgenommene Rückführungsmaßnahmen hinzunehmen. Anders als mit anderen Staaten ist es jedoch nicht zum Abschluss eines formellen Rückübernahmeabkommens gekommen. Nach Ansicht von Pro Asyl liegt der der Grund hierfür darin, dass Deutschland kein Dreiparteienabkommen unter Beteiligung des Hohen Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) wollte, weil in diesem Fall auch die internationalen Kriterien, die auf die Freiwilligkeit einer ?Rückkehr in Würde? abstellen aufgenommen werden müssen.