Die Religionsfreiheit als Problem im Asylverfahren

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Im Zusammenhang mit der Entscheidung des BVerwG vom 5. März 2009 erscheint folgender Aspekt noch erwägenswert: In den Auseinandersetzung zum Schutz vor Verfolgung wegen Religion vor Gerichten und Behörden spielen scheinbar die Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG und Art. 140 GG i, V. mit Art. 136 ff WRV, als auch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom Oktober 2006 zum sog. religiösen Existenzminimum noch keine Rolle.

In Art. 4 GG ist die Freiheit zur Ausübung des Glaubens als ein grundlegendes Menschenrecht festgelegt. In den Art. 140 GG i.V. mit Art. 136 ff WRV ist geregelt, dass die Kirchen Art und Umfang ihrer Glaubensausübung selbst festlegen. Mit Urteil vom 18.2.1954 (BGHZ 12, 321) legte dazu der Bundesgerichtshof fest: „die Kirchen ... nicht wie andere öffentliche Körperschaften dem Staat eingegliedert“ sind. „Der Staat geht vielmehr von ihrer Unabhängigkeit und Eigenständigkeit aus, überlässt ihnen, sich in Freiheit und Selbstbestimmung ihre eigene Grundordnung – die kirchliche Verfassung – zu geben, und beschränkt sich darauf, diese kirchliche Verfassung anzuerkennen. Demnach bestimmt die Kirche für den Staat verbindlich, was Kraft innerkirchlichen Verfassungsrechts rechtens ist; insbesondere gilt dies für den Akt der Verfassungsgebung und die Konstituierung ... Soweit es bei der Entscheidung des staatlichen Gerichts auf das innerkirchliche Verfassungsrecht ankommt, hat es diese Ordnung einfach hinzunehmen; es kann dieses Recht nicht "in Frage stellen" (auf seine Gültigkeit nachprüfen), sondern nur deklaratorisch so feststellen, wie es die Kirche als vorhanden anerkennt“.

Es gibt hierzu zwei aktuelle Publikationen aus Dezember 2008 (Kirche ist Mission - Das religiöse Existenzminimum in der deutschen Rechtsprechung und seine rechtlichen, theologischen und staatskirchenrechtlichen Implikationen ISBN 978-3-9811568-3-6) und eine Veröffentlichung als idea-Dokumentation (Glaube nur im stillen Kämmerlein - Kirche ist Mission“ – oder: Quo vadis deutsche Rechtsprechung ISBN 978-3-938116-73-9), die in Kürze veröffentlicht wird.

Mit Entscheidung vom v. 24.10.2006 (BVerfG, 2 BvR 1908/03) stellte sich das Bundesverfassungsgericht im Bezug auf die Redefigur des sog „religiösen Existenzminimums“ auf folgenden Standpunkt: „Der einer Religionsgemeinschaft zukommende Grundrechtsschutz umfasst das Recht zu eigener weltanschaulicher oder religiöser Betätigung, zur Verkündigung des Glaubens sowie zur Pflege und Förderung des Bekenntnisses. Hierzu gehören nicht nur kultische Handlungen sowie die Beachtung und Ausübung religiöser Gebote und Gebräuche wie Gottesdienst, Sammlung kirchlicher Kollekten, Gebete, Empfang der Sakramente, Prozessionen, Zeigen von Kirchenfahnen und Glockengeläut, sondern auch religiöse Erziehung, Feiern und andere Äußerungen des religiösen und weltanschaulichen Lebens sowie allgemein die Pflege und Förderung des jeweiligen Bekenntnisses. Welche Handlungen im Einzelnen erfasst sind, bestimmt sich wesentlich nach der Eigendefinition der Religionsgemeinschaft; denn Teil der grundrechtlich gewährleisteten Glaubensfreiheit ist auch und gerade, dass eine staatliche Bestimmung genuin religiöser Fragen unterbleibt.....hier geht es um eine Frage, die den Bereich der innergemeinschaftlichen Pflege und Betätigung ... des vertretenen Glaubens betrifft. Für die Beantwortung der Frage, welche Bedeutung der persönlichen Begegnung der Mitglieder einer Religionsgemeinschaft mit ihrem Gründer und geistlichem Oberhaupt zukommt, kann, von offensichtlich außerreligiösen Begegnungszusammenhängen abgesehen, nur das Selbstverständnis der jeweiligen Religionsgemeinschaft maßgebend sein. Insoweit sind durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützte Kernfragen der Pflege und Förderung des Glaubens und Bekenntnisses angesprochen, die "mangels Einsicht und geeigneter Kriterien" der Beurteilung durch staatliche Stellen grundsätzlich entzogen sind.

Auch wenn bei Betrachtung von außen ein Zusammenhang mit der Religionsausübung nicht zwingend erscheint, ist es dem Staat verwehrt, eigene Bewertungen und Gewichtungen diesbezüglicher Vorgänge an die Stelle derjenigen der Religionsgemeinschaft zu setzen. Dementsprechend kann auch nicht darauf abgestellt werden, ob die beanstandete staatliche Maßnahme der Religionsgemeinschaft bzw. ihren Anhängern die Ausübung ihrer Religion gänzlich oder wesentlich unmöglich macht. Abgesehen davon, dass die Anlegung eines solchen Maßstabs eine inhaltliche Bewertung religiöser Fragen erzwänge, führte dies zu einem mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG nicht zu vereinbarenden Schutz lediglich eines "religiösen Existenzminimums."

Wenn man die letzte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes aus 2004 zum „forum internum mit der aktuellen Entscheidung vom 5. März 2009 vergleicht, kann man feststellen, dass das Bundesverwaltungsgericht vom forum internum wohl abgerückt ist.

So hatte das Gericht zuletzt 2004 in aller Schärfe die Redefigur des sog. „religiösen Existenzminimums“ noch verteidigt und festgestellt: „In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Asylrecht hat das Bundesverwaltungsgericht betont, dass Beschränkungen der Religionsausübung, die der Betroffene bei der Rückkehr in sein Heimatland zu erwarten hat, dann asylerheblich sind und zu einer Anerkennung als Flüchtling führen können, wenn sie in das so genannte religiöse Existenzminimum eingreifen. Dazu gehören das religiöse Bekenntnis sowie Gebet und Gottesdienst abseits der Öffentlichkeit. Die Unmöglichkeit des Besuchs öffentlicher Gottesdienste im Heimatland des Klägers reicht danach für eine Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung allein nicht aus.“

Von dieser Lesart ist in der aktuellen Entscheidung nichts mehr zu finden.

Robert Peter, Flüchtlingsbeauftragter der Ev.-Methodistischen Kirche München – Bezirk Erlöserkirche