Demographischer Wandel, Milbradt - Kinder, Familie, Deutschland

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In einer Rede zum Thema ?Der demographische Wandel als politische Herausforderung? vor Studenten der Leipziger Universität hat Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt Ideen vorgestellt, Kinder und Familie in Deutschland zu fördern. Nach seiner Ansicht sei so wirksam auf die bevorstehende dramatische Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung zu reagieren. Zwar sei das Familienwahlrecht verfassungsrechtlich umstritten, doch könnten damit die Interessen der künftigen Generationen stärker geschützt und die Politik gezwungen werden, einen echten Ausgleich zwischen den Generationen zu suchen, so Milbradt. So würde beispielsweise das Familiensplitting Familien finanziell erheblich entlasten.

Bei dem in Frankreich bereits seit 1945 existierenden Steuerverfahren werden alle Einkünfte einer Familie zusammengezählt und durch die Anzahl der Kinder geteilt. Diese Steuervorteile machen sich insbesondere ab dem dritten Kind bemerkbar. Das ist sicherlich auch ein Grund dafür, dass es in Frankreich überproportional viele fünfköpfige Familien gibt. Zugleich fällt die Kinderlosigkeit deutlich geringer aus.

Darüber hinaus hält Milbradt in Deutschland eine generelle Veränderung in der Einstellung zu Kindern für unerlässlich. ?Kinder dürfen von der Außenwelt nicht immer nur als störende oder lärmende Belastung angesehen werden. Vielmehr sollten wir uns alle fragen, ob wir die Belange von Kindern und Familien immer im Blick haben und auch in Entscheidungen berücksichtigen. Wir brauchen in Deutschland ? auch in Sachsen ? ein kinder- und familienfreundlicheres Klima. Das fängt beim Planungsrecht für Kinderspielplätze an, setzt sich bei Unternehmen mit Teilzeitarbeit und Betriebskindergärten fort und hört bei nachbarschaftlichen Netzwerken zu Kinderbetreuung auf. Kinder bedeuten Sinnstiftung und Gewinn an Lebensglück. Auch das sollten wir uns bewusst machen und dafür sorgen, dass jeder im Kleinen wie im Großen dazu beiträgt, dass sich junge Menschen wieder für Kinder entscheiden.?, betonte Sachsens Regierungschef.

Zuwanderung ist aus Sicht Milbradts keine alleinige Lösung des demographischen Problems. Begrenzte Zuwanderung könne den Schrumpfungsprozess zwar abmildern, sei aber aufgrund des benötigten Ausmaßes an Zuwanderung letztlich kein geeignetes Instrument. Gerade angesichts der dramatischen Alterung der Bevölkerung auch und insbesondere in Sachsen müssten sich alle darauf einstellen, dass das Berufsleben in einigen Jahren nicht mehr mit 65 Jahren endet. Daraus könnten aber auch positive Effekte entstehen. Unternehmen sollten daher schon jetzt Mitarbeiter, die über 50 Jahre alt sind, ebenso selbstverständlich fortbilden wie ihre jungen Mitarbeiter. Die Erfahrungen der Älteren werden dann auch einen höheren Stellenwert erlangen.

Sachsen ist aufgrund seines Geburtendefizits, das insbesondere auf einen dramatischen Einbruch der Geburtenrate Anfang der 90er Jahre zurückzuführen ist, in demographischer Hinsicht ein ?Pionier? in einem europaweiten Wandlungsprozess, dessen Folgen früher als anderswo in Sachsen zu spüren sein werden. Daher hat die Sächsische Staatsregierung das Thema frühzeitig aufgegriffen. Unter anderem organisierte sie zusammen mit der Bertelsmann-Stiftung im April 2004 den ?Demographiegipfel? in Dresden, bei dem Experten Gutachten zu den unterschiedlichen Aspekten des demographischen Wandels vorstellten, die für die weitere Diskussion und die Politik der Staatsregierung zu diesem Thema eine wichtige Grundlage bilden.

Ministerpräsident Milbradt: ?Sachsen ist heute schon Vorreiter bei der Bewältigung des demographischen Wandels zu sein. Mit Sachsen meine ich nicht nur die Staatsregierung, sondern tatsächlich alle Akteure. Kommunen, Unternehmen, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Parteien, Kirchen, und nicht zuletzt jeden einzelnen Bürger.?

Hintergrund:
Zu Beginn des Wendejahres lebten in Sachsen noch etwas mehr als 5 Mio. Menschen, heute sind es knapp 14 Prozent weniger (2004: 4,30 Mio. Ew.). Bis 2020 wird ein weiterer Rückgang um 15 Prozent prognostiziert. Ein Rückgang von fast einem Drittel seit 1989 ? das ist so, als ob die Städte Dresden, Leipzig, Chemnitz und Zwickau völlig entvölkert würden. Zudem wird sich der Altersaufbau Sachsens bis zum Jahr 2020 deutlich verschieben. Schon jetzt hat Sachsen mit einem Durchschnittsalter von 42,3 Jahren den höchsten Altersdurchschnitt aller Bundesländer. Er wird bis 2020 auf rund 49 Jahre steigen. Dann wird jeder dritte Sachse 65 Jahre und älter sein. Hauptsächlich ist das Phänomen der Alterung auf die Unterjüngung der Bevölkerung zurückzuführen, d.h. auf die massiven Geburtenausfälle insbesondere der letzten vier Jahrzehnte. Jahr für Jahr schrumpft die Bevölkerung Sachsens um eine Stadt wie Kamenz oder Grimma, weil mehr Menschen sterben als geboren werden.  Also nicht hauptsächlich wegen der viel beklagten Abwanderung schrumpft und altert Sachsen dramatisch und schneller als viele andere europäische Regionen, sondern wegen des Geburtendefizits.