München ? Eine Kunstaktion im Internet geht neue Wege in Fragen der Integration: Menschen rund um den Globus sollen die Deutschen besser kennen lernen, indem sie sich welche mieten. Der Münchner Webdesigner Johannes Blank und das Unternehmenskommunikationsnetzwerk Treibstoff GbR bieten den Service rent a German an, der knapp zwei Wochen nach seinem Start bereits rund zwanzig vermietungswillige Männer und Frauen unterschiedlichsten Alters und sozialer Herkunft anzubieten hat.
Man kann des weiteren unter fünf Vertragsmodellen wählen: das business package bietet einen Deutschen für geschäftliche Meetings, Konferenzen, Verhandlungen und Reisen oder auch schlicht für eine Unterhaltung in der Kaffeepause für schlanke 1 200 EUR. Die Möglichkeit, den eigenen vier Wänden einen ?german touch? zu geben, offeriert das family package für 800 EUR. Noch günstiger geht es mit dem holiday package für 750 EUR, das glückliche Momente mit Deutschen in der Natur, an der Bar oder in der Disko verspricht. Etwas teurer mit 950 EUR ist der weekender, eine Lösung, bei der man einen Deutschen an einem Ort der eigenen Wahl eine Woche lang genießen kann und dafür später auch noch ein gratis Extra-Wochenende mit einem Mietdeutschen erhält. Den besonderen Eindruck im Kreise der Familie und Freunde des Mieters verspricht das surprise package für 1 000 EUR, bei dem ein Deutscher einfach so irgendwo ? beim Einkaufen, in der Bar, in einem Club oder zu Hause ? bei seinem Mieter hereinschneit. In allen Preisen sind die Kosten für Flüge schon eingerechnet; die Mindestmietdauer beträgt zwei Tage.
Angesichts der bislang kurzen Einführungszeit des Services wohl fiktiven Nutzern werden auf der Website unter anderem folgende Kritiken in den Mund gelegt: ein Zweiundachtzigjähriger aus Denver soll gesagt haben, ?ich habe seit meiner Zeit im Zweiten Weltkrieg keinen Deutschen mehr gesehen. Ich habe geweint, es war so eine emotional aufgeladene Erfahrung. Wir aßen zusammen jeden Abend ?Heidelberger Bergklöße? und schreiben uns einmal monatlich seit seiner Abreise. Er ist ein richtiger Freund für mich geworden.? Eine siebenundzwanzigjährige Britin wird zitiert mit den Worten: ?Ich hatte einen so bezaubernden Abend mit dem Deutschen und meinen Kumpels: Nach der Kneipe gingen wir tanzen. Meine Freunde waren ziemliche beeindruckt von den deutschen Bewegungen. Ich war total geplättet, als der Deutsche am nächsten Tag sogar mein Haus putzte, bevor ich aufwachte. Ich werde bestimmt noch 'mal einen mieten.?
Die Frage nach dem Hintergrund und Sinn der Aktion kann aus verschiedenen Richtungen angegangen werden. Einerseits anhand des Info-Textes auf der Projektseite: ?rentagerman.de bietet für Ihre persönlichen und sozialen Bedürfnisse ein breites Spektrum an Deutschen. [...] Stellen Sie sich vor, zu einer Party oder einem familiären Anlass in Begleitung eines Deutschen zu erscheinen, oder einfach nur mit einem im örtlichen Einkaufszentrum abzuhängen. Egal welche Gelegenheit Sie sich aussuchen, Sie werden Ihre Umwelt sicherlich damit beeindrucken, wenn Sie einen echten Deutschen vorzuweisen haben. [...] Profitieren Sie von unseren human resources...!?
Aus dem Munde des Urhebers klingt das weniger blumig. Dem Internetableger des Nachrichtenmagazins ?Der Spiegel?, ?Spiegel Online?, sagte Blank: ?Irgendwie wollte ich einfach Menschen auf ironische Weise als das präsentieren, was sie wirklich sind. Als Deutsche. [Was das genau heißt], das muss jeder Betrachter für sich selbst entscheiden.? Für Blank stehen ersichtlich Fragen im Raum wie: Was ist deutsch? Was zeichnet Deutsche aus? Was nicht? Schmücken sie wirklich Partys, kann man sie empfehlen?, die in der Integrationsdebatte nicht ohne Gewicht für das gegenseitige Verständnis in einer als multikulturell gewollten Gesellschaft sind.
Die Interpretationsgrundlagen, die ?Spiegel Online? und die Sächsische Zeitung, letztgenannte in ihrer Ausgabe vom 27. März 2005 ? nachfolgend zitiert ?, mit auf den Weg geben, ähneln sich beträchtlich: ?Deutsche sind prima. Sie sind sauber, pünktlich, fleißig, werfen im Alltag den Müll in die richtige Tonne und im Urlaub das Handtuch vorausschauend auf die noch freie Liege. Anderen Völkern gegenüber verhalten sie sich freundlich, vor allem nach der dritten Maß auf dem Oktoberfest. Manchmal zwar haben sie Minderwertigkeitskomplexe, schwenken schwarz-weiß-rote Fahnen und versuchen, die eigene Angst in die Flucht zu brüllen, was auf geistesgesunde Menschen befremdlich wirkt. Von solchen Entgleisungen aber mal abgesehen, sind Deutsche eine durchaus umgängliche Spezies.?
Unzweideutig steht schon jetzt fest: wenn sich die Kunst jetzt so originell dem gesellschaftlichen Thema Integration widmet, ist es um die Vision einer Gesellschaft in Deutschland, die das Föderalismusprinzip der Einheit in Vielfalt für sich fruchtbar macht und die Wertedebatte unverkrampft zu führen im Stande ist, noch nicht geschehen.