Die Islamkonferenz in Berlin

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Die Berliner Islamkonferenz soll ab heute, Mittwoch den 27.09.06, das Verhältnis zwischen Islam und Staat in Deutschland neu regeln: Religionsunterricht, Imamausbildung, Gleichberechtigung.

 

Streit um die Einladungsliste der Konferenz

Eingeladen hat der Innenminister 15 Vertreter des Staates - aus Bundes-, Länderministerien sowie von den kommunalen Spitzenverbänden - und 15 muslimische Teilnehmer. Das klingt nach Gleichberechtigung. Schließlich will Schäuble in diesem Gremium in den kommenden Jahren die wichtigsten Fragen im Verhältnis von Islam und deutschem Staat beantworten: die rechtliche Stellung des Islam, den Islamunterricht an staatlichen Schulen, die Ausbildung von Imamen in Deutschland, die Moscheepredigt in deutscher Sprache. Als Ziel formuliert der Innenminister, er wolle "aufgeklärte Muslime in unserem aufgeklärten Land."
Der Stein des Anstoßes ist die Zusammensetzung der 15 islamischen Vertreter: Schäuble hat zehn Einzelpersonen an den Tisch gebeten, die überwiegend eine eher kritische Position zum organisierten Islam einnehmen - profilierte Frauenrechtlerinnen etwa wie die Anwältin Seyran Ates und die Autorin Necla Kelek. Die islamischen Dachorganisationen sind also an der islamischen Seite des Tisches in der Minderheit. "Die Zusammensetzung der Konferenz stellt nicht den richtigen Proporz dar", erklärte Aiman Mazyek, Generalsekretär des Zentralrats am Dienstag (26.09.06). Er habe den Eindruck, die Regierung wolle "einen staatlich sanktionierten Debattierclub". Wenn sich an der Konzeption der Konferenz nichts ändere, stelle sich ernsthaft die Frage, "ob die Verbände so einfach mitmachen werden."
Aber sie werden nach Berlin fahren. Nach ihrer Protestnote bemühen sich die Islamvertreter, das Positive herauszustellen. Ali Kizilkaya, Vorsitzender des Islamrates, spricht von einem "guten ersten Schritt". Er wolle auch den Säkularismus in Deutschland nicht in Frage stellen, der sei "gut für uns alle". Mounir Azzaoui, Sprecher des Zentralrats, äußert "große Hoffnungen in den Dialogprozess". Man wolle konstruktiv mitwirken. Die Kritik sei eine "in der Sache: Wie sollen wir in einem Gremium Beschlüsse fassen, in dem die Mehrheit der Muslime nur für sich selbst spricht? Das könnten wir unseren Mitgliedern nicht vermitteln."
Wolfgang Schäuble scheint die Kritik aus Köln nicht sehr zu beeindrucken. Alle Eingeladenen seien "Persönlichkeiten, die die Debatte über den Islam prägen" und er könne kein "Islam-Zensor" sein. Das Problem läge eher darin, dass der Islam die organisatorischen Voraussetzungen noch nicht geschaffen habe, um ein "repräsentativer Gesprächspartner" zu sein.
Unterdessen sieht Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet (CDU) in den konkurrierenden islamischen Verbänden kein Hindernis, um bald eine Art Staatsvertrag mit dem Islam abzuschließen. Der Islam werde dann zwar keine Körperschaft öffentlichen Rechts sein, wie die Kirchen, aber eben doch rechtlich anerkannt. Düsseldorf liegt eben doch etwas näher an Köln als Berlin.

Ziel ein „breitangelegter Konsens“

Schäuble hatte als Ziel der Konferenz ursprünglich eine Art „Gesellschaftsvertrag“ mit den Muslimen angestrebt, in dem sie ein Bekenntnis zur Demokratie und zum Grundgesetz ablegen sollten. Diesen Ausdruck hat er zurückgezogen, nachdem er von Muslimen dafür kritisiert worden war. Treue zum Grundgesetz sei für sie längst selbstverständlich. Nun ist im Konzept des Innenministeriums vorsichtiger von einem „breitangelegten Konsens über die Einhaltung gesellschafts- und religionspolitischer Grundsätze“ die Rede. Über die Gleichberechtigung von Mann und Frau, Koedukation von Jungen und Mädchen, Kopftuch, Sport- und Schwimmunterricht soll ebenso gesprochen werden wie über die Förderung des Spracherwerbs und die Situation von jugendlichen Ausländern auf dem Arbeitsmarkt.
Der Sprecher des Zentralrats nennt als wichtigstes Ziel für die Konferenz hingegen, die „rechtliche Integration der muslimischen Organisationen“ zu verbessern. Der Islamratsvorsitzende Kizilkaya wird deutlicher: Er möchte islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen sowie die Ausbildung islamischer Religionslehrer an staatlichen Universitäten erreichen, die von den Verbänden mitverantwortet (aber nicht mitbezahlt) wird. Damit verbunden wäre die rechtliche Anerkennung der islamischen Verbände als Religionsgemeinschaften und somit die Gleichstellung mit den christlichen Kirchen.

Reaktion aus der Türkei auf den Islam-Gipfel

Alle Blicke auf dem Islam-Gipfel titelt die HÜRRIYET ihren Bericht über die heute in Berlin stattfindende Deutsche Islam-Konferenz und gibt damit auch die Stimmung der übrigen türkischen Zeitungen gut wieder. Die liberale MILLIYET macht unter der Überschrift „Große Erwartungen an den Gipfel“ auf die Wünsche der verschiedenen Gruppierungen aufmerksam und sieht sich auf der deutschen Seite den Grünen mit ihrer Forderung nach einer so genannten Road-Map am Nächsten . Dabei fällt auf, dass einige Punkte in allen Zeitungen ähnlich gedeutet werden. Die Anerkennung des Islams als Körperschaft des öffentlichen Rechts und somit die rechtliche Gleichstellung zur Kirche scheinen dabei die größten Erwartungen an den Gipfel. Die SABAH beharrt weiterhin darauf, dass „nur 15 Prozent der Muslime auf dem Gipfel vertreten“ seien. Die national-islamische TÜRKIYE macht ihren Bericht mit den Forderungen Schäubles nach einem Islam-Unterricht in deutscher Sprache auf, während die HÜRRIYET Bayerns Innenminister Beckstein mit den Worten zitiert, dass der Gipfel keine verbindlichen Beschlüsse fassen werde.