Pflichtsprache im Kindergarten : „So viel Deutsch wie möglich"

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Die Integration von Ausländern fängt oft schon im Kindesalter an. Mit ungewöhnlichen und umstrittenen Mitteln will die hessische Stadt Dietzenbach zur Integration ausländischer Kinder beitragen: In den Kindergärten müssen künftig die deutsche Fahne und ein Bild des Bundespräsidenten aufgehängt werden. Außerdem wird Deutsch als einzige Umgangssprache festgelegt. Einen entsprechenden Beschluss fasste das Stadtparlament der östlich von Frankfurt gelegenen Kommune gestern Abend mit den Stimmen der CDU und einer Freien Wählergemeinschaft. Der Antrag wurde von der Stadtverordnetenversammlung mit 22 zu 15 Stimmen verabschiedet. SPD, Grüne, Dietzenbacher Liste und der größte Teil der FDP stimmten dagegen. Der Ausländerbeirat der Stadt hatte sich vor dem Beschluss gleichfalls ablehnend geäußert.

Kindergarten: Sozialer Brennpunkt

Mit rund 30 Prozent Migranten gilt die südhessische Gemeinde im Kreis Offenbach als sozialer Brennpunkt. Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und der Polizei hatten im vergangenen Jahr für Negativ-Schlagzeilen gesorgt. Nun haben CDU und Freie Wähler (FWG) einen erneuten Anlauf gestartet, die Integration in der Stadt zu fördern. Nach einem Beschluss des Stadtparlaments vom Freitagabend soll Deutsch künftig als "einzige Umgangssprache" in Kindertagesstätten dienen. Auch die deutsche Flagge und ein Bild des Bundespräsidenten Horst Köhler an zentraler Stelle soll das Zusammengehörigkeitsgefühl von deutschen und ausländischen Kindern stärken.

Beitrag zur "Wurzelbildung"

Kindertagesstätten seien für viele die einzigen Orte, um Deutsch zu sprechen, rechtfertigte der Dietzenbacher CDU-Chef Helmut Butterweck den Vorstoß. Zuhause werde oft nicht Deutsch gesprochen, da entstehe ein Teufelskreis. Die Kinder würden später eingeschult und bekämen dann schlechtere Noten. "Sie sind die Arbeitslosen von morgen." Die Deutschland-Flagge und das Köhler-Bild sieht Butterweck als Beitrag zur "Wurzelbildung" und als "ersten Schritt, deutsches Kulturgut zu vermitteln".

Kritik von allen Seiten

Herbe Kritik hatte der Vorschlag bereits im Vorfeld von SPD und Ausländerbeirat geerntet. "Pädagogischer Unsinn", wetterte der SPD-Abgeordnete Peter Gussmann: "Das führt zur Polarisierung, nicht zur Integration." Noch schärfer verurteilte Yilmaz Memisoglu, Vorsitzender des hessischen Ausländerbeirats, den CDU-Vorstoß. Es sei Unsinn, einem Kind, das nur wenig Deutsch spreche, die Kommunikation mit der Muttersprache zu verbieten, sagte er der "Frankfurter Rundschau". Vergeblich hatten auch die hessischen Grünen Sozialministerin Silke Lautenschläger (CDU) zur Intervention aufgefordert.
 
Reaktion aus der Türkei

Fassungslos reagiert die auflagenstarke HÜRRIYET auf die Entscheidung der Stadt Dietzenbach, künftig in Kindergärten Deutsch als verpflichtende Umgangssprache einzuführen. Zudem müssen die deutsche Fahne und ein Bild des Bundespräsidenten in den Schulräumen aufgehängt werden. Spöttisch meint dabei die Zeitung einen „deutschen Kemalismus“ entdeckt zu haben, da die Bilderpflicht an die Traditionen in der Türkei erinnere. Während aber die Türkei von europäischer Seite aufgrund der Porträts Atatürks in den Klassenzimmern stets kritisiert werde, wende jetzt Deutschland dieselben Methoden an, so die Zeitung. 

Weiterführende Links

http://www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/index.jsp?rubrik=15662&key=standard_document_27050904

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,441335,00.html