Opfer des Seebebens

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Gestern Abend rief eine befreundete Juristin aus München an. Sie hatte ihre Kollegin Angelika* im Krankenhaus besucht. Diese war über Weihnachten mit ihrer Freundin Manuela* in Khao Lak zum Baden. Am Morgen des 2. Weihnachtsfeiertags hatten Sie in Ihrem typischen Bungalow unter Palmen ein paar hundert Meter vom Strand entfernt gefrühstückt und cremten sich gerade ein, um mit einem guten Buch im Sand zu liegen, als draußen Stimmen laut wurden. *Namen von der Redaktion geändert.

Manuela* trat vor die Tür, um nachzusehen, was los sei. Sie kam zurück und sagte: ?Da kommt Wasser!?. Die beiden versuchten in einem ersten Schutzreflex unters Bett zu kriechen. Das war das letzte Mal, dass Angelika ihre Freundin sah. Im nächsten Moment gurgelte sie von Wasser umspült, schluckte Schlamm und Sand, wurde umhergewirbelt, wusste nicht wo oben und unten war. Sie konnte kaum noch atmen, da wurde sie ein paar Minuten später auf einer Anhöhe angespült. Sie sah bis zum Horizont nur noch Wasser. Strand, Palmen, Hütten und Hauptgebäude der weitläufigen waren weg. Das abfließende Wasser war hier auf dem kleine  Hügel zu schwach, um sie mitzureißen. Thai kamen zur Hilfe und luden Angelika auf einen Pickup, um sie weiter vom Wasser wegzubringen. Ihr Körper war grün und blau, Schürfwunden und tiefe Fleischwunden klafften an Armen und Beinen. Der ganze Körper brannte. Man brachte sie in ein Krankenhaus und versorgte sie notdürftig. Ein Finger war gebrochen, am Fuß entzündete sich eine Wunde. Sie traf einen Bekannten, der über ein Handy verfügte und die Angehörigen informierte. Er war auf Hochzeitsreise und konnte seine Frau nicht mehr finden. Am nächsten Tag wurde Sie in einen Transportsack gesteckt und mit einer Militärmaschine mit vielen anderen europäischen Verletzten über Dubai ausgeflogen. Starten, Landen, Warten. Der Flug dauerte 24 Std. Von Manuela fehlt jede Spur.

Die Flutkatastrophe nach dem Seebeben in Südostasien trifft auch Europäer direkt. Es ist nicht irgendein Vulkan oder Überschwemmungen weit weg, die Menschen in Not bringen. Mit Phuket und Khao Lak wurden zwei Feriengebiete getroffen, in denen mehrere 10.000 Europäer zur Erholung waren. Über 10.000 werden vermisst. Fast täglich hört man von einem Freund oder einer Freundin, dass Bekannte und Verwandte betroffen sind. Allein in Schweden werden von 8 Mio Einwohner fast 5.000 vermisst.

Die Vermisstenlisten auf http://www.thaigov.go.th/index-eng.htm der thailändischen Regierung oder des Roten Kreuzes http://www.familylinks.icrc.org/home.nsf/home/webfamilylinks scheinen endlos. Das Leid ist kaum fassbar.

Es scheint verwirrend, in Radiosendungen berichte von ausbrechenden Seuchen einerseits und Besuchen des thailändischen Tourismusministern in Ferienanlagen ein paarhundert Meter weiter zu hören, der Gästen dankt, dass sie trotz der Katastrophe Urlaub machen. Das Geld, das Sie für Taxifahrten, Kofferträger und Souvenirs ausgeben ist die Haupteinnahmequelle und wird das Überleben vieler Familien sichern, deren anderweitigen Existenzgrundlagen, wie Fischerei, auf lange Zeit zerstört sind. Diese parallelen Ereignisse sind für die Psyche eines durchschnittlich emotionalen Menschen schwer verdaubar. Sehen wir, wieŽs weitergeht.