Der Papst stiftet Verwirrung - Reaktion in der türkischen Presse

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Die Diskussionen um die Rede Benedikt XVI. haben in den türkischen Medien noch nicht nachgelassen. Die islamistischen MILLI GAZETE und VAKIT fordern eine „richtige“ Entschuldigung und sehen wie die vom ehemaligen Innenminister Schily in Deutschland verbotene VAKIT betont, den Papst als „Quelle der Spannungen“. „Entschuldigung dritten Grades“ nennt die HÜRRIYET die gestrigen Aussagen des Papstes und wertet das „Bedauern um das Missverständnis“ als eine halbherzige Entschuldigung, wobei sie darauf aufmerksam macht, dass der Papst trotz allem seine für Ende November in die Türkei antreten werde. In mäßigen Worten aber energisch fordern auch Kommentatoren der liberalen Zeitungen wie MILLIYET eine „aufrichtige“ Entschuldigung.

 

Kommentar zur Entschuldigung und Rede des Pastes von Ferai Tinc der HÜRRIYET

Auch wenn die Reaktion der extrem Gläubigen auf die Rede des Papstes diejenigen, die den Islam als eine Religion der Gewalt darstellen wollen, rechtfertigt, sieht es bei aufmerksamem Lesen des gesamten Textes von Papst Benedikt XVI. so aus, als ob mit dieser Auffassung, ein Dialog zwischen den Kulturen und den Religionen schwer herzustellen wäre. Der verstorbene Papst Johannes Paul II. hatte mit seinem Moschee-Besuch in Damaskus nicht nur den ersten Besuch in der Geschichte realisiert, sondern auch eine gemeinsame Basis für den Dialog mit der islamischen Welt geebnet. Wenn Benediktus XVI. seine Rede an einer Universität in Deutschland als religiöser Wissenschaftler oder als Priester gehalten hätte, hätten seine Worte nicht ein solches Echo ausgelöst. Sie wären lediglich als die Interpretation eines katholischen Geistlichen bezeichnet worden. Aber wenn der Redner der Papst ist, das Oberhaupt eines religiösen Staates, dann ändert das vieles. Die Worte vom Papst tragen politischen Wert.

Der Papst verweist in seiner Rede nicht grundlos auf den byzantinischen König. Er greift dieses Beispiel deshalb auf, weil er sagen will, dass ‚Dschihad’, der heilige Krieg im Islam, dem Wesen Gottes widerspricht. Der Papst lässt es nicht nur bei diesem Beispiel bewenden, dessen Folgen ihm nicht bewusst sind, sondern er unterscheidet auch zwischen dem christlichen und dem muslimischen Gott. Wieder gibt er Prof. Teodore Khoury als Quelle an und sagt, dass im Wesen Gottes der Christen, besonders der Katholiken, Glaube und Vernunft zueinander gehören und sagt: “Für die moslemische Lehre hingegen ist Gott absolut transzendent. Sein Wille ist an keine unserer Kategorien gebunden und sei es die der Vernunft.“

Der Papst hinterfragt in seiner Rede auch die positive Wissenschaft und die Vernunft. Zur Vernunft des Ungläubigen sagt er: „Eine Vernunft, die die Religion nur als eine untere Kultur betrachtet und sich gegenüber dem Heiligen die Ohren verstopft, ist nicht imstande, einen Dialog zwischen den Kulturen herzustellen“. Also, kann der Weltfrieden nur auf religiöser Basis hergestellt werden?

Am Ende seiner Rede betont der Papst, dass der Westen nur zugunsten der Vernunft in große Gefahr gekommen ist und sagt: „Laut der Auffassung der Christen widerspricht vernunftgemäßes Handeln nicht dem Wesen Gottes. Im Sinne dieser Vernunft lade ich unsere Partner zum Dialog zwischen den Kulturen ein. Weder die Welt des Papstes, der den Katholizismus ins Zentrum des Lebens stellen will, noch die Welt derer, die im Namen des Islam Gewalt anwenden, ist eine Welt, in der man leben kann. Der Dialog zwischen den Kulturen ist nur dann möglich, wenn man die Vorurteile bekämpft und zum Zusammenleben entschlossen ist.

Der Papst hat sich gestern nicht entschuldigt. Das wäre auch eine falsche Erwartung. Er wird wieder sagen, dass nicht er es war, der das gesagt hat, sondern der byzantinische König. Das ist aber nicht der Kern der Sache. Der Kern der Sache liegt darin, sich gegenseitig so zu akzeptieren, wie man ist, für den Dialog zwischen den Kulturen und für eine bessere Welt.
Und er liegt auch darin, Laizismus, Menschenrechte und demokratische Werte vor religiöse Diskussionen zu stellen. (HÜRRIYET)

Quelle:
Deutsch-Türkische Medienagentur
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