Die Staaten der Europäischen Union sind bereit zu Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Der niederländische Ministerpräsident und amtierende EU-Ratsvorsitzende Jan Peter Balkenende bestätigte am Donnerstagabend in Brüssel, dass eine Einigung erzielt wurde. Die Verhandlungen sollen am 3. Oktober 2005 beginnen. Nach einigen Unterbrechungen des Gipfels am heutigen Freitag und Verlautbarungen verschiedener Länderchefs, hängt eine endgültige Erklärung nunmehr an der Anerkennung Zyperns durch die Türkei. Die CDU scheiterteunter Führung von Angela Merkel mit ihren Ideen erneut bei einem wichtigen Thema auf dem Weg zum Wahlkampf für die Bundestagswahl 2006.
Unklar blieb zunächst, ob Ankara das Datum für die Aufnahme der Verhandlungen akzeptieren wird. Die Türkei hatte den Beginn der Verhandlungen zu einem früheren Zeitpunkt erwartet.
Die EU-Länderchefs debattierten bis in die Nacht um die Lösung der Zypern-Frage. Diplomaten berichteten am Freitag am Rande des Brüsseler EU-Gipfels, die EU sei bereit, auf die Ausdehnung der Zollunion auf Zypern und neun weitere neue EU-Staaten zu verzichten. Diese Ausdehnung gilt allgemein als indirekte Anerkennung Zyperns. Doch die Türkei protestierte und zeigte sich von dieser Forderung ?enttäuscht?. Der türkische Ministerpräsident Erdogan sagte nach Diplomatenangaben: ?Sie ziehen den 70 Millionen Türken 600.000 Griechen vor. Das kann ich meinem Volk nicht erklären." Eine diplomatische Anerkennung, wie es die Regierung Zyperns forderte, schloss er gänzlich aus. EU-Kommissionschef José Manuel Barroso forderte bezüglich der Zypernfrage von der Türkei eine "Geste des guten Willens". EU-Chefdiplomat Javier Solana formulierte: "Wenn Sie einer Familie beitreten wollen, ist klar, das Sie alle Mitglieder dieser Familie anerkennen müssen."
Noch zur Stunde geht es also in Brüssel um die Frage, wie die Türkei sich mit Blick auf Zypern verhalten wird. Dies ist ein klares Zeichen in die Richtung einer entstehenden Gemeinschaft. Man will die Türkei dabei haben, sie muss aber lernen unangenehme Kompromisse zugunsten dieser Gemeinschaft einzugehen.
Unangenehm sind die Verhandlungen auch für die CDU ? Chefin Angela Merkel, die sich mit ihren verschiedenen Vorstößen nicht durchsetzen konnte, die letztendlich sämtlich in Richtung einer 2.-Klasse-Mitgliedschaft des islamischen Staates zielten. Merkel zeigte sich enttäuscht, dass es der Union nicht gelungen, selbst im Lager der konservativen Staats- und Regierungschefs in der EU eine Mehrheit für ihr Modell zu gewinnen. Wenige Stunden vor Beginn des EU-Gipfels räumte sie für die deutschen Christdemokraten ein Scheitern ein. Dies ist eine weitere Schlappe der Merkel-geführten Union bei einem wichtigen Thema auf dem Weg zur Bundestagswahl 2006. Denn auch wenn, nach vielen Umfragen, über 60% der Bundesbürger gegen einen Türkeibeitritt sein sollen, sieht doch die politische Realität anders aus. Mit Beginn der Verhandlungen wir die EU die Chance haben, den Bürgern Europas klar zu machen, dass man nun 15 Jahre verhandeln wird, um dann eine größtmögliche Annährung der verschiedenen Staaten, Kulturen und Religionen zu erreichen. Dies werden auch die deutschen Gegner des Beitritts der Türkei zur EU verstehen und sich in ihrer Meinung bis zur Bundestagswahl 2006 neu ausrichten.
Deshalb sieht Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die Union mit ihrer ablehnenden Haltung zu einem EU-Beitritt der Türkei zurecht europaweit isoliert. In Interviews sagte er: "Es war gut, dass das Europäische Parlament sich klar geäußert hat, mit einer Mehrheit auch der konservativen Partei." Schröder geht nun auch nicht mehr von einer Volksbefragung für die Verfassung der Europäischen Union (EU) aus. Er rechne stattdessen mit dem parlamentarischen Ratifizierungsprozess, sagte er nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder in Berlin.
Bis Redaktionsschluss am heutigen Freitag, lagen noch keine endgültigen Ergebnisse vor. Wir halten Sie weiter auf dem Laufenden mit Nachrichten zu Migration, Recht und Politik in Europa.