Nachdem bereits berichtet wurde, dass das Auswärtige Amt rechtswidrig auf der Vorlage einer bestandenen Sprachprüfung zum Nachweis der ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse besteht, ist nunmehr bekannt geworden, dass der Sprachkundenachweis auch von drittstaatsangehörigen Ehegatten eines EU-Bürgers verlangt wird. Von diesem Personenkreis kann im Rahmen des Visumsverfahrens aber kein Nachweis verlangt werden, dass sie sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen können.
Grundsätzlich unterliegen drittstaatsangehörige Familienangehörige eines EU-Bürgers nach § 2 Absatz 4 Satz 2 FreizügG/EU der Visumspflicht, wenn sie nicht im Besitz einer Aufenthaltskarte sind. Die Visumspflicht besagt indes nichts über die Voraussetzungen aus, die ein Mitgliedstaat an das Visumsverfahren stellen darf. Der Europäische Gerichtshof hat in der Rechtssache MRAX klargestellt, dass die Mitgliedstaaten im Visumsverfahren nur prüfen dürfen, ob die Familienangehörigen freizügigkeitsberechtigt sind. Die Prüfung im Visumsverfahrens beschränkt sich daher auf die Frage, ob der Familienangehörige Ehegatte des EU-Bürgers ist und ein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht beanspruchen kann. Steht aufgrund der Prüfung fest, dass der Familienangehörige Freizügigkeit genießt, kann das Visum nicht versagt werden, weil der Ehegatte unzureichende deutsche Sprachkenntnisse hat.
Sofern diese gemeinschaftsrechtliche Sichtweise in Abrede gestellt wird, ergibt sich die Befreiung von den Sprachanforderungen unmittelbar aus § 30 Absatz 1 Satz 3 Nr. 3 AufenthG, wonach die Sprachanforderungen für die Erteilung einer AE unbeachtlich sind, wenn bei dem Ehegatten ein erkennbar geringer Integrationsbedarf besteht oder dieser aus anderen Gründen nach der Einreise keinen Anspruch auf Teilnahme am Integrationskurs hätte. Da EU-Bürger und deren Ehegatten keinen Anspruch auf Teilnahme am Integrationskurs haben, sondern nur im Rahmen verfügbarer Kursplätze zur Teilnahme zugelassen werden können, ist der Nachzug der Ehegatten visumsfrei möglich.
Darüber hinaus ergibt sich die Visumsfreiheit der Einreise und die Entbehrlichkeit der Sprachanforderungen unmittelbar aus § 30 Absatz 1 Satz 3 Nr. 4 AufenthG. Danach gelten die Sprachanforderungen nicht, wenn der Ausländer (hier wird nicht auf den nachzugswilligen Ehegatten abgestellt, sondern auf den im Bundesgebiet lebenden Ausländer) wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt der kein Kurzaufenthalt ist, visumsfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich hier aufhalten darf. Die Norm erfasst unmittelbar den Nachzug zu Ausländern, die von § 41 Absätze 1 und 2 AufenthV erfasst werden, d.h. Staatsangehörige von Australien, Israel, Japan, Kanada, der Republik Korea, von Neuseeland, den Vereinigten Staaten von Amerika, Andorra, Honduras, Monaco und San Marino.
EU-Bürger können aufgrund des Diskriminierungsverbots (siehe auch § 11 Absatz 1 Satz 5 FreizügG/EU) verlangen, nicht schlechter gestellt zu werden, als die Drittstaatsangehörigen, die von § 41 Absätze 1 und 2 AufenthV erfasst werden. Damit steht aber zugleich fest, dass auch deren Ehegatten visumsfrei einreisen und keiner Sprachprüfung unterworfen werden dürfen.
Es steht zu hoffen, dass die rechtswidrige Praxis der Visumsvergabe umgehend eingestellt wird.